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Abgrenzung: So schützen Sie sich

Manche Leute fressen einen mit Haut und Haaren auf. Etwa Kollegen auf der Arbeit, die ständig um Hilfe bitten und Sie in allen Belangen kontaktieren. Oder der Chef, der noch das letzte Bisschen aus Ihnen herauspresst, aber natürlich auch im Privatleben: Die Eltern, die fordern, dass Sie sich ständig um sie kümmern, die Schule ihrer Kinder, die Ihren Einsatz beim Sommerfest erwartet – kurz: Manchmal hilft nur noch Abgrenzung, damit Sie tatsächlich bei sich bleiben und sich um Ihre Interessen kümmern können. Abgrenzung ist ein notwendiger Selbstschutz, damit Sie nicht fremdbestimmt leben, sondern Ihre eigenen Entscheidungen treffen und danach handeln. Das fällt nicht jedem leicht, vor allem dann, wenn andere sich in ihrem „Gewohnheitsrecht“ beschnitten fühlen. Wie Sie es dennoch schaffen, sich abzugrenzen…



Abgrenzung: So schützen Sie sich

Abgrenzung Definition: Anderen eine Grenze setzen

Was heißt Abgrenzung eigentlich? Der Duden nennt für Abgrenzung folgende Synonyme: Begrenzung, Diskriminierung, Grenze, Schranke, Trennung, Unterschied. Aber Abgrenzung (englisch = delimination, differentiation, distinction) kann auch Absperrung, Erklärung und Distanzierung bedeuten.

Das klingt tendenziell negativ; Grenzen ziehen klingt nach Abwehr. Mit Grenzen werden Mauern und Hürden assoziiert, sie haben nichts Verbindendes.

Das Verb (sich) abgrenzen (englisch = to differentiate from, to define, to delimit) beschreibt unser Thema noch etwas genauer:

  • bestimmen
  • definieren
  • determinieren
  • differenzieren
  • festsetzen
  • umreißen
  • unterscheiden

Bei der Abgrenzung geht es darum, die eigenen Grenzen zu bestimmen und zu definieren, selbst zu entscheiden, wie weit man gehen möchte. Denn jeder Mensch hat solche Grenzen, allerdings sind diese nicht allgemein gültig, sondern individuell.

Und es ist gar nicht so leicht standhaft zu bleiben, wenn andere Menschen sich über die eigenen Grenzen hinwegsetzen. Dies kann allerdings dann passieren, wenn Sie…

  • Ihre eigenen Grenzen nicht kennen,
  • sie zwar kennen, aber nie klar artikuliert haben oder
  • andere Ihre Grenzen ignorieren.

Die eigenen Grenzen nicht zu kennen kann beispielsweise bedeuten, dass Sie die zigste Zusatzschicht in diesem Monat übernehmen, obwohl Sie eigentlich schon seit Wochen urlaubsreif sind. Sie sind häufig müde, schlecht gelaunt, aber können Ihrem Kollegen den Wunsch nicht abschlagen.

Allerdings reflektieren Sie in diesem Augenblick nicht, weil Sie seit Wochen das Gefühl der Müdigkeit beiseiteschieben und sich selbst nicht ernst nehmen.

Ähnlich verhält es sich, wenn ein Kollege Sie immer mit einem Spitznamen bezeichnet, den Sie als dämlich empfinden und über den Sie sich ärgern. Statt allerdings vom Kollegen einzufordern, diesen Namen wegzulassen beziehungsweise Ihren richtigen zu benutzen, bleiben Sie still.

Und dann gibt es noch die dreisten Zeitgenossen, die die Grenzen anderer schlichtweg ignorieren. Wenn Sie beispielsweise darum gebeten haben, abends nicht mehr nach 22 Uhr angerufen zu werden und Ihr Arbeitskollege dennoch durchklingelt.

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Warum uns Abgrenzung häufig so schwer fällt

Das Phänomen der mangelnden Abgrenzung wird häufig bei Frauen beobachtet. Neben persönlichen Voraussetzungen wird vor allem die geschlechtsspezifische Erziehung dafür verantwortlich gemacht. Frauen haben gefälligst eine soziale Ader zu haben, das heißt, sie müssen sich kümmern, hilfsbereit, nett und freundlich sein.

Demgegenüber wird allzu energisches Auftreten tendenziell als unweiblich betrachtet, Höflichkeit und Bescheidenheit hingegen gefördert. Das führt im Umkehrschluss zu Problemen, wenn sich diese Person abgrenzen will. Von Verlassensängsten bis zur Angst vor Liebesentzug und sozialem Druck treten verschiedene Befürchtungen – auch bei Männern – zu Tage:

  • Werde ich als egoistisch angesehen?
  • Verletze ich damit den anderen?
  • Werde ich nun verlassen und bleibe allein?
  • Wirke ich dann kaltherzig und lieblos?
  • Komme ich meiner Pflicht als gute Tochter/guter Sohn nicht nach?

Abgrenzung als Merkmal eines unreifen Charakters?

Abgrenzung ist nichts, was ausschließlich als Schutz vor übergriffigen oder sehr vereinnahmenden Personen dient. Typischerweise lässt sich dies ebenso bei Jugendlichen beobachten, die im Abnabelungsprozess anfangen, sich von Ihren Eltern abzugrenzen.

Sie befinden sich in einer Umbruchsphase, kämpfen mit Hormonen und Stimmungsschwankungen und sind auf Identitätssuche: Die körperlichen Veränderungen, aber auch die geistigen sind in dieser Phase enorm und tragen zur Verunsicherung bei. Teenager grenzen sich dann häufig über äußere Merkmale ab und orientieren sich an bestimmten Peer Groups.

Anders bei ihren Eltern, deren Werte und Normen längst gefestigt sind und die sich selbst verorten können. Das führt zu Konflikten zwischen heranwachsenden Kindern und ihren Eltern. Allerdings ist diese Abgrenzung wichtig, um sich selbst finden zu können – häufig wird daher zunächst alles abgelehnt, was die Eltern repräsentieren.

Abgrenzung lässt sich allerdings auch bei anderen Menschen beobachten, die aus verschiedenen Gründen in der Persönlichkeitsentwicklung hinterher hinken. Erkennen lässt sich dies häufig am Verhalten in sozialen Netzwerken, etwa in Kommentaren.

Wer dort lediglich seine eigene Meinung als einzig richtige, „wahre“ gelten lässt und anderen ihr Recht abspricht, grenzt sich nicht nur ab, sondern grenzt oft aus. Meist definieren sich diese Leute über andere, beispielsweise über Ausländer. Das heißt, was sie selbst als Person ausmacht, ist offenbar unklar.

Hier hat Abgrenzung dann die Bedeutung von Diskriminierung, das heißt, es wird eine gruppenspezifische soziale Unterscheidung getroffen, die sogar in Benachteiligung münden kann.

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Persönliche Werte führen zur Abgrenzung

Dennoch ist Abgrenzung wichtig und stellt einen Schutz dar. Stellt sich die Frage, was Ihre persönlichen Grenzen sind und wie Sie sie durchsetzen? Zunächst einmal sind sie eins: Persönlich. Sich dies vor Augen zu führen ist wichtig, um die Grenzen anderer Menschen ebenso respektieren zu können.

Letztlich haben diese auch immer mit unseren Werten und Überzeugungen zu tun. Sie können (beziehungsweise sollten) sich an gesetzliche Vorgaben orientieren, beispielsweise dass Sie Skrupel hätten, Schwarzarbeit nachzugehen oder Ihre Versicherung zu betrügen.

Hierbei handelt es sich um weitestgehend allgemein verbindliche Werte. Andere Werte und Normen sind zwar gesellschaftlich verankert, ihre Zuwiderhandlung aber nicht unbedingt strafbar. So beispielsweise, wenn Sie aus Überzeugung strikter Vegetarier sind und auch keine Lachsstreifen in Ihrem Auflauf haben möchten.

Für gewöhnlich werden Sie mit dieser Haltung vermutlich wenig Probleme haben. Schwieriger ist es, wenn Ihre Überzeugungen andere Menschen behindern oder ihre bisherigen Vorteile einschränken. Beispielsweise haben Sie für sich beschlossen, Kollegen kein Geld mehr zu leihen, weil Sie in der Vergangenheit häufiger die Erfahrung gemacht haben, dass es schwierig ist, das Geld wiederzubekommen.

Wenn Sie diesen Grund auch bei Kollegen nennen, mit denen Sie für gewöhnlich gut klarkommen, könnten Sie Unverständnis ernten, Enttäuschung und Ärger wären mögliche Reaktionen.

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Ursachen für Schwierigkeiten bei der Abgrenzung

Viele Grenzen haben wir verinnerlicht, dennoch sind sie nicht bewusst. Das lässt sich beispielsweise beobachten, wenn jemand unsere persönliche Distanzzone nicht einhält: Auch hier hängt viel von der persönlichen Einschätzung ab – der eine mag Sie bereits als Freund betrachten, der nächste eher als Bekannten.

Die Ursache dafür, dass jemanden das Abgrenzen schwer fällt, kann in der Kindheit liegen. Wer bereits Eltern hatte, die über die Grenzen des Kindes permanent hinweg gingen, tut sich auch als Erwachsener schwer. So zum Beispiel Gebrülle und Schläge, wenn das Kind einen Fehler begangen hat.

Aber auch Hochsensiblen fällt es häufig schwer, sich abzugrenzen, da sie über große Empathie verfügen: Sie wissen, dass der Kollege mal wieder zeitlich in der Bredouille ist, und er ist ja auch ganz sympathisch, also helfen sie aus.

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Richtig abgrenzen lernen: So beugen Sie Ausbeutung vor

Wer immer darauf bauen konnte, dass Sie ihm garantiert aus der Patsche helfen, wird sich natürlich wundern, wenn Sie nun anders als gewohnt reagieren. Aber Sie sollten sich dabei bewusst sein: Wer Ihre Grenzen nicht akzeptiert, ist Ihre Freundschaft/Kollegialität auch nicht wert.

Unkollegial ist es nicht, auch mal nein zu sagen – denn letztlich tanken Sie damit auch Energie für Zeiten, in denen Sie vielleicht wieder ja sagen. Unkollegial ist es, ständig Arbeit auf Sie abzuwälzen und Ihren guten Willen ausnutzen zu wollen.

Dass Ihnen jedoch etwas gegen den Strich geht, Sie eigentlich sich nicht richtig abgegrenzt haben, fällt dann auf, wenn Sie achtsam mit sich sind: Vielleicht haben Sie ein Druckgefühl im Magen? Werden Sie nervös? Auch Reaktionen wie Wut, Ärger oder Tränen zeigen, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Lernen Sie zu beobachten, indem Sie sich die W-Fragen stellen: Wer, Wann, Was, Wie, Warum? Also zum Beispiel:

  • Wer verursacht dieses ungute Gefühl?
  • Kollege X.
  • Warum?
  • Weil er freitags immer mit zusätzlichen Aufgaben kommt.
  • Wie wirkt sich das aus?
  • Ich muss Überstunden machen.

Der erste Schritt ist gemacht, nun müssen Sie sich für Kollege X eine Strategie überlegen. Vielleicht funktioniert nicht alles sofort, manchmal bedarf es einfach der Übung. Wir haben hier drei weitere Abgrenzungs-Tipps, die helfen können:

  • Hören Sie auf Ihre Intuition.

    Gerade bei Situationen, die Ihnen bekannt vorkommen, ohne dass Sie direkt ein Ereignis zitieren können, sollten Sie danach gehen. Wenn Ihr Bauchgefühl direkt anschlägt und Sie sich beispielsweise verspannen, dann ist es besser, direkt nein zu sagen. Dies wird vermutlich bei Menschen passieren, die Sie bereits kennen. Bauchentscheidungen gehen häufig auf tief vergrabene Erfahrungen zurück, sind also keineswegs lediglich gefühlsbasiert.

  • Nehmen Sie sich Zeit.

    Dieser Tipp bietet sich bei Leuten an, die Ihnen beispielsweise fremd sind, die Sie noch nicht einschätzen können. Wenn eine Antwort von Ihnen erwartet wird, vertrösten Sie den Fragenden auf später. Das gibt Ihnen die Gelegenheit, in sich hineinzuhorchen: Will ich wirklich schon wieder aushelfen? Habe ich die Kapazitäten oder bringt mich das zeitlich so weit nach hinten, dass ich nicht weiter komme? Versichern Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie sich später diesbezüglich melden werden. Dieser Punkt ist deshalb so wichtig, weil Sie Zuverlässigkeit demonstrieren. Jemand, der ohne zu überlegen zusagt, später aber sich ärgert und wieder absagt, wird als unzuverlässig wahrgenommen werden.

  • Formulieren Sie klar.

    Je nachdem, wen Sie vor sich haben, sollten Sie durchaus diplomatisch vorgehen: Dem Chef ein kurzes und bündiges nein entgegen zu schmettern könnte komisch ankommen. Allerdings sollten Sie ebenso Ausflüchte und Entschuldigungen vermeiden. Es gibt keinen Grund dafür, warum Sie nicht das Recht haben sollten, sich vor Überforderung zu schützen. Allerdings steht und fällt vieles mit dem Tonfall, bleiben Sie also freundlich und ruhig, zeigen Sie aber mögliche Konsequenzen auf – etwa, dass andere Arbeiten dafür dann liegen bleiben. Zeigen Sie Kollegen gegenüber Verständnis für Ihr Anliegen, aber bleiben Sie standhaft, beispielsweise, wenn es um die Organisation des Sommerfestes geht: Ich weiß, dass ihr wieder mit meiner Hilfe gerechnet habt. Aber ich habe dieses Jahr andere Pläne.

[Bildnachweis: Dima Sidelnikov by Shutterstock.com]