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Bowery-El-Effekt: Dinge hören, die gar nicht da sind

Die „Bowery“ im Süden New Yorks war Mitte des vergangenen Jahrhunderts ein gefährlicher Ort. Die Straße galt als Boulevard der Obdachlosen, eine Anlaufstätte für Alkoholiker und allerlei Krimineller. In den Straßenecken staute sich der Müll und vertrocknete Kotze aus vergangenen Tagen. Wer irgendwie konnte, mied die Gegend oder zog weg. Heute zählt die Bowery zu den angesagten In-Vierteln im Big Apple…



Bowery-El-Effekt: Dinge hören, die gar nicht da sind

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Definition: Was ist der Bowery-El-Effekt?

Der Bowery-El-Effekt beschreibt eine Wahrnehmungsstörung bei der wir Dinge hören oder wahrnehmen, die gar nicht oder nicht mehr existieren.

Entdeckt hat den Bowery-El-Effekt der Neurowissenschaftler und ehemalige Stanford-Professor Karl Pribram. Laut seinen Studien basiert der Wahrnehmungsdefekt vor allem auf einem vorherigen Automatisierungsprozess und Geöhnungseffekt.

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Bowery-El-Effekt Geschichte

Die Bowery beginnt im nördlichen New York, im schicken East Village. Im Süden trifft sie auf die Canal Street, Chinatown und das angrenzende Little Italy im Westen. Wo lange Zeit allein die Kriminalitätsrate wuchs, wachsen und blühen heute wunderschöne Gärten und Wiesen. Die grünen Stadtoasen gedeihen nicht irgendwo – sondern über den einstigen Stahltrassen der legendären S-Bahn-Linie „Bowery El“.

Bis Anfang der 1960er-Jahre verkehrte die Tram auf bizarren Stelzenkonstrukten direkt über dem Bürgersteig und über den Köpfen der Fußgänger. Für den Verkehr war das eine gute Sache, für die Anwohner weniger: Bis in die Nacht donnerten die schweren Züge quietschend und kreischend dicht an ihren Fenstern im ersten und zweiten Stock vorbei. Wer hier wohnte, hätte auch seelenruhig auf dem Startdeck eines Flugzeugträgers einschlafen können.

Zudem erleichterten die Hochschienen allerlei Einbrechern den Einstieg in die höher gelegenen und deshalb weniger gut geschützten Apartments. Kurz: An der Bowery El zu wohnen, bedeutete höchste Gefahr für Hab und Gut – und Gehör.

Bowery-El-Effekt: Fehlalarm im Kopf

In den Sechzigerjahren legte die Stadt die Bowery El endlich still. Doch dann passierte etwas Seltsames: Schon nach kurzer Zeit mehrten sich bei der New Yorker Polizei die Anrufe von besorgten Anwohnern. Sie hörten angeblich seltsame Geräusche in der Nachbarschaft, womöglich seien Einbrecher am Werk…

Für die Bowery war das nichts Ungewöhnliches – nur handelte es sich dabei durchweg um Fehlalarme. Es gab nicht die geringsten Anzeichen eines Einbruchs: kein zerbrochenes Fensterglas, keine aufgebrochenen Türen, nichts. Nur Ruhe und vielleicht ein paar Schnarcher.

Also ging die Polizei der Sache auf den Grund und stellte fest: Die Anrufe häuften sich nachts, und zwar immer zu jener Zeit, in der die Bowery El bisher an den Fenstern der Leute vorbeigescheppert war. Tatsächlich hörten die Anwohner Phantomgeräusche. In den Jahren davor hatten sie sich so sehr an das Rumpeln der Stahltrassen und das Schreien der Bahnbremsen gewöhnt, dass sie es gar nicht mehr wahrnahmen. Jetzt aber, wo der Lärm ausblieb, bemerkten sie das Fehlen der Zuggeräusche sehr wohl, mehr noch: Sie hörten Laute, die gar nicht existierten.

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Warum ist der Bowery-El-Effekt normal?

Auch Sie kennen sicher solche Momente: Jeden Morgen fahren Sie dieselbe Strecke zur Arbeit. Sie kennen jede Kurve, wissen um jede Stelle, an der man gut beschleunigen kann und mit den Schlaglöchern in der Piste sind Sie ohnehin längst per Du. Das Terrain beherrschen Sie im Schlaf – buchstäblich! Denn sobald Sie im Büro angekommen sind, wissen Sie nicht einmal mehr, ob die Ampel, die Sie vor 10 Minuten passiert haben, nun grün oder rot war. Sie haben es irgendwie verpennt.

Auch dahinter steckt ein Automatismus und der Bowery-El-Effekt. Bei einer Autofahrt ist dieser Effekt natürlich ein Nachteil und lebensgefährlich. Der Bowery-El-Effekt hat aber auch Vorteile…

Warum wir Gleichbleibendes ignorieren

Zumindest aus evolutionärer Sicht besitzt die Wahrnehmungsstörung eine sinnvolle Funktion: Sie stabilisiert unser Bewusstsein und sorgt dafür, dass wir uns mit kontinuierlichen Reizen nicht weiter beschäftigen. Sie blendet diese einfach aus und schafft so mehr Aufmerksamkeit für neue, womöglich wichtigere Reize: Weil Sie Ihre tägliche Bürostrecke in- und auswendig kennen, nehmen Sie gefährliche Abweichungen, wie etwa einen Geisterfahrer, sofort wahr.

„Die Zellen der Sehrinde und Netzhaut sind darauf spezialisiert, Veränderungen unmittelbar zu entdecken und Gleichbleibendes zu ignorieren“, sagt die Berliner Psychologin Birgit Permantier. Den Bowery-El-Effekt können Sie sogar zuhause testen: Stellen Sie doch mal ein Buch im Regal um oder tauschen Sie Bilder an der Wand um. Ihr Partner, Freunde oder Besucher werden, das registrieren und zumindest bemerken: „Irgendwas ist anders!“

Im negativen Fall kann der Bowery-El-Effekt allerdings auch dazu führen, dass Sie vor lauter Ruhe und Idyll im Urlaub gar nicht recht entspannen, weil Ihnen das laute Tatütata und Gehupe in Ihrer Straße daheim fehlt. Zumindest wissen Sie in dem Fall: Das hängt indirekt mit eine ollen Hochbahn in New York zusammen…


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