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Interviewtechnik: Bessere Interviews führen

Neben der Reportage ist das Interview die vielleicht schwierigste Stilform, Informationen zu vermitteln. Vor allem, weil die meisten glauben, ein Interview zu führen, sei total einfach: ein paar Fragen stellen, am besten noch per Mail – fertig ist der Content… Riesenfehler!

Ein gutes Interview zu führen, ist hohe Kunst, die viel Vorbereitung erfordert, damit es für den Leser lohnend wird. Die meisten Interview-Gespräche sind jedoch das genaue Gegenteil: langweilig, vorhersehbar, platt. Ein Interview über bessere Interviews…



Interviewtechnik: Bessere Interviews führen

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Ein gutes Interview braucht einen Anlass

Sagen wir es, wie es ist: Viele im Internet publizierten Interviews sind Mist. Entweder der Interviewer reduziert sich auf die Rolle des Stichwortgebers und bietet dem Gesprächspartner lediglich ein Forum für plumpe Werbebotschaften oder die eigene Großartigkeit zur Schau zu stellen. Oder es bleibt ein reines Abfragen von Erkenntnissen und Tipps, die besser (und für den Leser zeitsparender) als Tippliste oder komprimierter Ratgeber mit Zitaten wiedergegeben würden.

Von echter Gesprächsführung und einem lebendigen Dialog sind solche Interviews weit entfernt. Sie bleiben bestenfalls mittelmäßig. In beiden Fällen wäre der klassische Artikel die bessere Content-Form gewesen, um die Essenz aus einem Gespräch wiederzugeben. Welchen Leser interessiert schon das Blabla drumherum? Es sei denn, es ist kein Blabla und es steht noch mehr zwischen den Zeilen…

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Welchen Anlass hat das Interview?

Tatsächlich braucht jedes gute Interview einen Anlass. Nicht nur für das Thema selbst – das gilt für Artikel genauso. Vielmehr braucht es einen Grund, warum man das Gespräch „als Interview“ publiziert und nicht als Artikel mit eingestreuten Zitaten oder als FAQ-Liste mit Antworten eines oder mehrerer Experten.

Für diese spezielle Stilform kommen daher vor allem zwei Hauptgründe infrage: Entweder der Grund liegt in der Person des Interviewten oder in der Art der Antworten beziehungsweise in der Dramaturgie des Gesprächs, die der Leser auf diese Weise miterleben können soll. Oder anders formuliert:

  1. Interview-Anlass: Der Interviewte ist prominent

    Prominente Persönlichkeiten sind für die Öffentlichkeit immer interessant. Deswegen ja „prominent“ („herausragend“). Wobei es sich hierbeinicht nur um Glamour-Promis aus dem Showbiz handeln muss. Auch in der Wirtschaft oder in der Influencer-Szene gibt es Promis. Zwar denken manche auch nur, dass sie prominent seien. Entscheidend für Ihr Interview aber ist, dass sie es tatsächlich sind und es für die Person ein öffentliches Interesse gibt.

  2. Interview-Anlass: Der Gesprächsverlauf ist interessant

    Manche Interviewpartner sind nicht prominent, aber sie haben etwas zu sagen oder zu verbergen. So oder so: Es verspricht, ein spannendes Gespräch zu werden. Entscheidend ist hier das WIE des Dialogs: Wie sagt Ihr Gegenüber etwas – und was sagt er oder sie (auch auf Nachfragen) nicht? Das Gespräch selbst muss spannend bleiben, die Antworten pointiert sein (oder überraschenderweise genau nicht) und die Persönlichkeit dadurch transparenter werden. Kurz: Es braucht unbedingt den O-Ton.

Beides macht das Interview allerdings zu einer der anspruchsvollsten und auch meist unterschätzten journalistischen Stilformen für die es ebenso viel Übung wie gründliche Vorbereitung braucht.

Gute Interviews erkennt man an den Fragen

Auch weil ich selbst schon viele Interviews geführt habe und heute vor allem Interviews gebe, möchte ich an der Stelle ausdrücklich darauf hinweisen: Gute Interviews machen deutlich mehr Arbeit als ein Artikel! Sie leben von cleveren und ungewöhnlichen Fragen. Schon daran lässt sich ablesen, wie gut das Interview später wird und wie professionell der oder die Interviewerin arbeitet. Wer nur Standardfragen stellt, erhält auch nur Standardantworten – und das ist weder interessant noch relevant. Solche Interviews sind meist pure Zeitverschwendung.


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Interviewtechnik: Gutes Interview Beispiel

Soweit die Theorie (an der schon viele Interviews scheitern). Weil sich die Interviewtechnik aber besser am praktischen Objekt vermitteln lässt, haben wir uns überlegt, für diesen Artikel diese Stilform selbst zu wählen. Also ein Interview mit uns selbst zu führen. So lässt sich interaktiv (und parallel auf der Metaebene) zeigen, wie Interviews spannend werden. Los geht’s…

Liebe Karrierebibel, das war jetzt viel Text über Interviews. War das wirklich nötig?

Ja, klar. So können wir direkt ins Gespräch einsteigen und müssen nicht noch die theoretischen Hintergründe klären. Nirgendwo steht geschrieben, dass Interviews keinen längeren Vortext haben dürfen. Das entschlackt das Gespräch enorm, und der Leser findet direkt hinein.

Apropos: Wie sieht denn der perfekte Einstieg aus?

So, wie oben: kurz, prägnant, provokant. Schließlich will man seinen Interviewpartner zum Plaudern bringen und gleichzeitig Interesse beim Leser wecken. Ein Kardinalfehler vieler Anfänger ist übrigens die langweilige Bitte, sich erst einmal vorzustellen. Das ist Aufgabe des Vortextes und des Interviewers. Der muss schließlich begründen, warum er über dieses Thema und ausgerechnet mit dieser und keiner anderen Person dazu spricht. Der häufigste Fauxpas aber ist, eine Frage zu stellen, die so lang ist, dass sie ein eigener Artikel sein könnte.

Das müssen Sie erklären.

Die Rollenverteilung ist in jedem Interview klar vorgegeben: Der Interviewte spielt die Hauptrolle; der Interviewer ist der Regisseur. Seine Fragen oder Aufforderungen…

…und Einschübe…

…genau, die auch – lenken das Gespräch, machen daraus einen Dialog und geben diesem eine Dramaturgie. Das Hauptinteresse des Lesers gilt allerdings den Antworten beziehungsweise dem Interviewten. Wer derart lange Fragen stellt, hat diese entweder nicht gründlich durchdacht und vorbereitet – oder nimmt sich selbst zu wichtig. Eigene Eitelkeiten sind im Interview aber tabu.

Die könnte man Ihnen hier jetzt aber auch unterstellen. Warum führen wir dieses Gespräch überhaupt?

(lacht) Sie interviewen doch mich. Sagen Sie es mir!

Sie sagen, die meisten Interviews sind Mist. Das ist eine ziemlich steile These. Wie kommen Sie darauf?

Schon durch diesen kleinen, aber respektvollen Schlagabtausch, ist das Interesse gleich zu Beginn geweckt. Wir schenken uns nichts, und es ist zu erwarten, dass es auch inhaltlich spannend bleibt. Bei den meisten Interviews im Netz ist das anders. Vielen liest sich schon an, dass Sie lieblos per Mail geführt wurden – als billiger Snack-Content, bei dem der Interviewte den Job übernimmt, die Webseite des Fragenstellers voll zu schreiben. Der lädt das Interview anschließend nur noch per copy and paste auf seine Seite – fertig ist der nächste Blogbeitrag. Liest sich aber leider auch genauso.

Manchmal geht das schon aus Zeitgründen nicht anders, weil sich kurzfristig kein gemeinsamer Interviewtermin finden lässt. Etwa wenn ein vielbeschäftigter CEO interviewt werden soll.

Gerade bei dem wäre es aber wichtig, ihn persönlich zu erleben und zu befragen und nicht die glatt geschliffenen Antworten des Pressesprechers zu lesen. Oft kommen dabei reine Abfrage-Interviews heraus, bei denen sich eine Erkenntnis und eine Handlungserklärung an die nächste reiht – zwischen allerlei Blabla. Das empfinde ich als Frechheit gegenüber dem Leser, weil dem einfach ungefiltert etwas hingerotzt wird, was der dann in seiner kostbaren Zeit selber auswerten und auf die Essenz reduzieren muss. Und oft sind das dann lediglich Plattitüden oder Banalitäten. Dabei wäre es genau die Aufgabe des Interviewers, nachzuhaken und den Gesprächspartner dazu zu zwingen, Klartext zu reden und auf den Punkt zu kommen. Oder zur Not das Gespräch auf das Wesentliche einzudampfen. Vielleicht ist das am Ende nur ein einziger guter Satz. Dann muss man eben doch noch selber einen Artikel schreiben.

Sie plädieren also dazu, nur noch mündliche Interviews zu führen?

Eine schöne Suggestivfrage, die mich dazu nötigt, tiefer einzusteigen und weiter auszuholen. Natürlich habe ich das so nicht gesagt – und plädiere auch nicht dafür. Mündliche Interviews sind zwar oft lebendiger, werden aber in der Regel transkribiert und dabei redigiert und eingedampft. Das ist völlig legitim, wenn das Interview danach autorisiert wird. Heißt: Das fertige Interview wird dem Gesprächspartner schriftlich vorgelegt und der gibt es frei oder ändert seine Antworten noch mal ab.

Was hat das jetzt mit E-Mail-Interviews zu tun?

Noch nichts. Aber jetzt: Wenn das E-Mail-Interview ein ebenso iterativer Prozess bleibt, bei dem parallel redigiert wird und auch auf Antworten kritische Rückfragen gestellt werden, dann kann es ähnlich lebendig werden. Gleichzeitig spart man sich den Autorisierungsprozess, weil der bei diesem Pingpong-Spiel aus schriftlichen Fragen und Antworten implizit enthalten ist. Man kann übrigens Interviews auch aus dem Gedächtnis heraus, also beispielsweise nach einem Telefonat, aufschreiben und zur Autorisierung vorlegen. Solange der Interviewpartner das Ergebnis absegnet und freigibt, ist das zulässig. Und so mancher freut sich sogar darüber, wie eloquent er oder sie plötzlich antworten kann…

Mancher ist aber vielleicht auch entsetzt über sein loses Mundwerk und verklausuliert seine Antwort wieder.

Stimmt. Auch das passiert.

Und dann?

Gut nachgehakt, denn das war natürlich eine bis dahin völlig nutzlose Antwort. In dem Fall gilt: rundgelutschte Antworten nicht akzeptieren. Ecken und Kanten machen das Interview ja gerade spannend. Im Zweifel zieht man das Interview ganz zurück und macht aus den freigegebenen Zitaten einen Artikel bei dem man Unausgesprochenes anderweitig und durch eigene knackige Aussagen belegt. Ebenso ist es zulässig, zu offenbaren, dass der andere dazu nichts sagen wollte.

Das war jetzt aber noch nicht allzu viel, was aus Interviews „Mist“ macht.

Finden Sie?

Durchaus. Bis hierhin haben Sie mich noch nicht überzeugt.

Es gibt da ja auch noch mehr. Da ist zum Beispiel Ihre vorherige Frage: Wie sprechen Sie bitteschön in wörtlicher Rede die Anführungsstriche rund um das Wort Mist aus?

Äh… eigentlich gar nicht.

Eben. Ebenso wenig spricht jemand Abkürzungen aus. Sie sagen ja nicht Zett Punkt Be Punkt, sondern zum Beispiel. Und Anführungsstriche würden sie maximal sichtbar, aber unhörbar in die Luft malen. Wenn wir also über eine spezielle Stilform sprechen, sollte ein Interview auch genau diese wörtliche Authentizität widerspiegeln. Heißt: keine Anführungsstriche, keine Abkürzungen, nichts in Klammern, keine Sonderzeichen, sondern alles wörtliche Rede. Und möglichst kurze Hauptsätze. Alles andere ist schlecht redigiert.

Manchmal dienen Anführungsstriche aber auch dazu, das Wort zu betonen…

…oder abzuschwächen. Dazu bleibt aber auch die Kursivschrift, um eine Betonung sichtbar zu machen. Andererseits ist es schon seltsam, warum jemand in einem Interview ein Wort benutzt, um es gleich darauf durch die Anführungsstriche wieder zurückzuziehen. Dann sollte er oder sie doch bitte gleich das richtige Wort benutzen – oder Sie müssten als Interviewer hierbei nachhaken.

Okay, mache ich: Was wäre das richtige Wort?

Das, was man jeweils auch genauso meint. Schließlich hat jeder Interviewsatz das Potenzial wortwörtlich zitiert zu werden. Blöd, wenn dabei die Anführungsstriche verloren gehen und man anschließend erklären muss, es doch gar nicht so oder ganz anders gemeint zu haben.

Apropos: Was meinen Sie, wie mache ich mich als Interviewer?

(lacht) Ganz gut. Bis hierhin ist es ein lebhafter Dialog. Regiekommentare – wie vor dieser Antwort – werden spärlich und allenfalls zur Würze eingesetzt. Sie verlangen Erklärungen, haken nach oder provozieren ab und an, um den Spannungsbogen zu halten und die gebotene Distanz zu bewahren. Wichtig ist, dass Sie zu jedem Zeitpunkt Anwalt des Lesers bleiben und möglichst jede Frage stellen, die dieser auch stellen würde, weil er die Antwort dazu wissen will.

Dann sollten wir unbedingt noch über gute Interview-Fragen sprechen.

Neben den Klassikern, wie rhetorischen oder Suggestivfragen, die bitte immer nur sparsam eingesetzt werden sollten, gibt es noch Alternativfragen, Feststellungen, Aufforderungen, Nachfragen und so weiter. All das hatten wir hier zum Teil schon. Entscheidend ist, dass Sie sogenannte offene Fragen stellen und keine geschlossenen.

So wie diese?

Nein.

Sondern?

Wie diese! Alles, was sich mit Ja oder Nein beantworten lässt, ist keine gute Frage in einem Interview. Sonst wird das ein ziemlich kurzes und auch recht einsilbiges Gespräch. Oder ein reiner Fragebogen.

Ist es denn klug, zwei Fragen auf einmal zu stellen, und was passiert in dem Fall mit dem Gespräch?

Das spart vielleicht Zeit, aber klug wäre das nicht. Weil Sie riskieren, dass der Interviewpartner nur eine Frage davon beantwortet – und dann meist auch nur jene, die ihm oder ihr besser gefällt. Deshalb lieber eine Frage nach der anderen stellen. Das Gespräch wird so auch lebendiger.

Ist es auch zulässig, persönliche Fragen zu stellen?

Natürlich. Derjenige muss ja nicht darauf antworten. Aber gerade Emotionen sind für Leser interessant, denn sie geben einen besseren Einblick in die Persönlichkeit des Gesprächspartners und machen diesen menschlicher.

Wie haben Sie sich bei diesem Interview gefühlt, und haben Sie sich über irgendetwas geärgert?

(grinst und zwinkert) Nur darüber, dass Sie schon wieder zwei Fragen in einer stellen…

Liebe Karrierebibel, wir danken für das Gespräch.


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[Bildnachweis: Karrierebibel.de]

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