Anzeige
Anzeige

Karrieremythen: Darauf bitte nicht hören!

Wie macht man Karriere? Diese Frage stellen sich viele im Laufe ihres Berufslebens. Besonders Berufsanfänger suchen nach Orientierung. Und was finden sie? Ratschläge, wie „Lernen Sie Chinesisch“ oder „Ohne Auslandsaufenthalt geht gar nichts“. Bullshit! Es ist höchste Zeit, mit ein paar dieser hartnäckigen Karrieremythen aufzuräumen…



Karrieremythen: Darauf bitte nicht hören!

Anzeige

Karrieremythen: Die Suche nach Patentrezepten

Es liegt in der Natur des Menschen, dass er sich nach Rat und Orientierung sehnt. Das gilt auch fürs Berufsleben: Am liebsten würden wir mit dem Schulabschlusszeugnis ein Patentrezept für eine erfolgreiche Karriere ausgehändigt bekommen: Studiere dieses Fach, wähle jenen Schwerpunkt, mache dieses Praktikum und gehe zu jenem Unternehmen, um Berufserfahrung zu sammeln – dann wirst du Karriere machen und beruflich erfolgreich sein…

Die Suche können Sie sich sparen. Patentrezepte gibt es nicht, allenfalls ein paar klassische Erfolgsregeln und bewährte Erfolgsformeln unserer Leser (die wir sogar in einem Gatis-E-Book zusammengefasst haben). Zugegebenermaßen geben die einem und ganz am Anfang der Laufbahn keine genaue Richtung vor. Sie wirken eher wie Leitplanken auf dem Weg selbst.

Das liegt vor allem auch daran, dass der Begriff Erfolg für jeden Menschen etwas anderes bedeutet. Der eine fühlt sich beruflich erfolgreich, wenn er genügend verdient, um zwei Mal im Jahr in den Urlaub zu fahren, während für den anderen Erfolg bedeutet, mit seinem Hobby Geld verdienen zu können.

Hinzu kommt, dass die Auswahl der Möglichkeiten unüberschaubar groß ist. Allein was das Studium angeht: Universität? Fachhochschule? Fernuni? Duales Studium? Ausland? Das verursacht Unsicherheit. Und was passiert dann? Karriereschritte, die bei anderen geklappt haben, werden zu goldenen Regel erhoben.

Verstehen Sie uns daher bitte nicht falsch: Die folgenden Ratschläge sind vielleicht nicht für alle und jeden völliger Blödsinn. So pauschal karrierefördernd sind sie allerdings auch nicht – und deshalb eher Karrieremythen.

Anzeige

Nutzen Sie unsere kostenlosen Webinare!

Webinar Jobwechsel Platz Sichern Webinar Gehalt Platz Sichern

Karrieremythen: Auf diese 20 Ratschläge sollten Sie nicht hören

Falls Sie sich nicht ganz davon lösen möchten: Hinterfragen Sie diese Karrieremythen und Halbwahrheiten kritisch (siehe auch Interview unten).

  • Kontakte helfen bei der Karriere

    Das hört und liest man immer wieder, Vitamin B ist ein Wundermittel. Kann sein, muss aber nicht. Derart allgemein formuliert zählt die Aussage allerdings eher zu den Karrieremythen. Entscheidend ist die Qualität der Kontakte, nicht die Quantität – und wie man sie pflegt und nutzt.

  • Ohne ausgefahrene Ellenbogen läuft nichts

    Zu den Karrieremythen gehören auch stereotype Vorstellungen von Karrieristen, die wahlweise nach oben buckeln und nach unten treten oder allgemein nur mit ausgefahrenen Ellenbogen Erfolg haben. Schwer nachvollziehbar, wie solche Leute langfristigen Erfolg haben sollen. Denn im Berufsleben ist eine gewisse Balance gefragt, eine Hand wäscht die andere, quid pro quo. Wer nur nimmt und nie gibt, muss entweder über exzellente Fähigkeiten in seinem Beruf verfügen oder aber ein Meister der Verstellung sein. In der Regel werden jedoch die weiterkommen, die über eine ausgewogene Mischung von Durchsetzungsvermögen und Sozialkompetenz verfügen.

  • Karriere bedeutet Erfolg im Beruf

    Viele Menschen definieren sich über ihren Beruf und da die meisten ihm acht Stunden am Tag nachgehen, ist es auch völlig in Ordnung, den Fokus auf den Beruf zu legen. Das ist allerdings nur eine Lesart von Karriere. Abgesehen davon, dass berufliche Karrieren mitunter ziemliche Umwege nehmen und teilweise auch einen Rückschritt bedeuten können, gibt es auch noch ein Leben außerhalb des Berufs. Karriere kann auch machen, wer sich auf seine Lebenskarriere konzentriert.

  • Ein Auslandsaufenthalt ist ein Must-have

    Auslandserfahrung kann bei einer Bewerbung durchaus einen Pluspunkt darstellen, doch hierbei kommt es ganz stark darauf an, was Sie im Ausland tun. Kritiker des Erasmusaufenthaltes beispielsweise behaupten, es sei ein reines Partysemester. Einfach nur zu reisen und fremde Kulturen kennenzulernen, macht zwar Spaß, ist im Lebenslauf allerdings wenig überzeugend. Viel besser kommt es an, wenn Sie nachweislich Berufserfahrung gesammelt oder Ihre Kenntnisse einer Fremdsprache verbessert haben.

  • Perfektion und Disziplin sichern die Karriere

    Disziplin hat zwei Seiten. Zwar kann sie dazu führen, dass jemand ordnungsgemäß seine Arbeit erledigt und Zeitfresser mühelos ausschaltet. Wer sehr diszipliniert ist, für den spielen allerdings Regeln und Gehorsam auch eine große Rolle. Solche Leute werden nicht unbedingt mit Querdenken in Verbindung gebracht. Genau das braucht es allerdings häufig im Berufsleben, gerade wenn es um Branchen geht, die von Innovationen abhängig sind. Ähnlich sieht es mit übergroßem Perfektionismus aus – er lähmt bisweilen. In manchen Fällen kann es aber entscheidend für den Wettbewerbsvorsprung sein, wenn etwas nicht perfekt, sondern nur gut auf den Markt gebracht wird.

  • Erfolgreiche Karrieren verlaufen gradlinig

    Einer der größten Karrieremythen überhaupt: Nur wer schon seit der Schule wusste, was er machen will und dementsprechend Schritt für Schritt seine Karriere aufgebaut hat, bringt es auch später zu etwas. Dahinter steckt der sogenannte Straight-Line-Instinct, nämlich die Annahme, so wie bisher geht es auch zukünftig weiter. Doch wie sagte John Lennon so schön? „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Das Leben und damit die Berufsbiographien verlaufen längst nicht immer gerade. Und selbst die innovativsten und erfolgreichsten Menschen wie Steve Jobs oder Elon Musk haben im Verlauf ihrer Karriere Niederlagen bewältigen müssen.

  • Top-Unternehmen gleich Top-Karriere

    Glaubt man den Rankings über die beliebtesten Arbeitgeber, sind es vor allem Audi, BMW oder Google, bei denen die meisten arbeiten wollen. Viele versprechen sich von namhaften Arbeitgebern Sicherheit und Aufstiegschancen. Für die Karriere entscheidend ist aber, welche spezifischen Aufgaben einer bewältigt und welche Verantwortung er oder sie dabei getragen hat. Dabei bieten kleinere Unternehmen oft mehr Handlungsfreiheiten.

  • Der Mittelstand ist eine Karrieregarantie

    Das Gegenteil von der Top-Karriere in Top-Unternehmen gehört ebenso in die Kategorie Karrieremythen. Man könnte ja denken, dass kleinere Unternehmen schneller ans Ziel führen. Ist leider ein Trugschluss. Der Vorteil mittelständischer Unternehmen: Sie sind in ihren hierarchischen Strukturen deutlich überschaubarer. Aufgrund der wenigen Hierarchiestufen wird meist angenommen, dass die Entscheidungswege auch deutlich kürzer und transparenter sind. Das lässt sich als Bewerber von außen allerdings nur schwer überprüfen. In manchen Fällen reicht der Einfluss von Familienclans deutlich weiter als ersichtlich, Entscheidungen werden unter Umständen subjektiver getroffen als in Unternehmen mit mehreren Entscheidern. Um die Gefahr persönlicher Animositäten gering zu halten, achten Sie bei Ihren Bewerbungen am besten auf Unternehmen mit externen Geschäftsführern oder wenn es der Familienbetrieb werden soll, dann sollte die Führung zuvor Erfahrungen außerhalb des Familienunternehmens gesammelt haben.

  • Erfolg bemisst sich am Geld

    Mit einem Jobwechsel geht häufig ein Gehaltssprung einher. Aber bedeutet mehr Geld automatisch mehr Erfolg und damit eine steilere Karriere? Mitnichten. Es kann Positionen geben, die deutlich bessere Perspektiven bieten, aber längst nicht die höchstmögliche Bezahlung. Als Arbeitnehmer sollten Sie dem Drumherum Aufmerksamkeit schenken, denn das geringere Gehalt gleichen manche Unternehmen dadurch aus, indem Sie in Fortbildungen ihres Mitarbeiters investieren oder geldwerte Vorteile anderer Art bieten.

  • Man muss einen Doktortitel haben

    Mit den Plagiatsaffären der Vergangenheit hat der Doktortitel einen Imageschaden erlitten. Es gibt hierbei offenbar auch viel Eitelkeit und Betrug. Ob man promovieren sollte oder nicht, hängt davon ab, welche Position man anstrebt und in welcher Branche man tätig sein will. Bei Chemikern, Biologen und Naturwissenschaftler ist der Doktor oft eine Einstellungsvoraussetzung. Das trifft allerdings nicht auf alle Branchen zu. Der Weg zum Doktortitel ist steinig und während man promoviert, sammeln andere bereits Berufserfahrung.

  • Der MBA ist ein Karriereturbo

    Das ist ein häufiger Trugschluss. Kritiker wie Axel Koch, Professor für Wirtschaftspsychologie, weisen darauf hin, dass es keine standardisierten Inhalte für den MBA gibt. Ursprünglich wurde der Abschluss entwickelt, um Managern aus dem Bereich der Technik und Naturwissenschaften das erforderliche Wirtschaftswissens zur Lenkung eines Unternehmens zu vermitteln. Heute erhoffen sich viele Studenten durch den MBA-Titel, die Chancen auf eine Position im Management zu steigern. Sinnvoller ist es aber, den MBA erst nach einigen Jahren Berufserfahrung anzustreben und nicht direkt nach der Uni.

  • Mit 50 gehört man zum alten Eisen

    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll eine Benachteiligung im Berufsleben auf Grund des Alters verbieten. In den Köpfen der Menschen gibt es jedoch durchaus noch Barrieren. Nicht wenige denken, dass ihre Karriere mit 50 Jahren beendet ist. In Bewerbungen schreiben sie dann beispielsweise „Trotz meines hohen Alters bin ich noch lernfähig und flexibel“. Damit stellen sie sich selbst in den Schatten. Viel besser ist es, die jahrelange Erfahrung und das breite Know-How zu betonen, denn diese Punkte sind für potenzielle Arbeitgeber von Wert. Zugegeben kommt es hier auch stark auf die Branche an. In der Kreativbranche sind Mitarbeiter mit 50 Plus nur selten anzutreffen.

  • Bescheidenheit ist eine Zier

    …doch weiter kommt man ohne ihr! Vor allem Frauen treten erziehungsbedingt immer noch deutlich bescheidener und leiser auf, als sie müssten. Dabei ist überhaupt nichts Verwerfliches daran, seine eigenen Stärken und Leistungen zu kennen – Sie müssen ja nicht jeden Tag Ihrem Kollegen auf die Nase binden, wie toll Sie sind! Das wäre nämlich Eigenlob. Aus falscher Bescheidenheit dem Chef gegenüber die neusten Leistungen zu verschweigen, bringt Sie jedenfalls nicht weiter.

  • Wer sich anpasst, kommt schneller voran

    Viele denken tatsächlich, dass sie die Meinung des Leitwolfs übernehmen müssen, um erfolgreich zu sein. Ein gefährlicher Karrieremythos. Wer aalglatt ist, nie aneckt und keine eigene Haltung vertritt, macht aber auch nicht auf sich aufmerksam. Utz Claassen, bekannt als Rambo-Manager, empfiehlt zum Beispiel, sich seine Individualität zu erhalten und nicht nur „Ja und Amen“ zu sagen, sondern die Dinge zu hinterfragen.

  • Wer mehr als 60 Stunden arbeitet, wird erfolgreich

    Führungskräfte arbeiten 50 bis 60 Stunden die Woche. Doch der Umkehrschluss ist nicht zutreffend. Bloß, weil man praktisch rund um die Uhr arbeitet, kommt man nicht automatisch in eine Führungsposition. Es kommt weniger auf die im Büro verbrachten Stunden an, sondern auf das Ergebnis. Und das sinkt sogar nach 50 Stunden. Die Frage ist doch: Wie nutze ich meine Zeit effektiv? Dabei können drei Stunden, in denen ich hoch konzentriert gearbeitet habe, wertvoller sein, als ein ganzer Arbeitstag im Büro.

  • Geht es nicht weiter, wird über Jobalternativen nachgedacht

    Das ist die logische Konsequenz, wenn eine Kündigung ausgesprochen wird. Das ist allerdings auch tendenziell zu spät. Ohne mit Gewalt überall Probleme sehen zu wollen, sollten sich Arbeitnehmer mit Ihrem Job generell auseinandersetzen. Dazu gehört ein Blick auf die Entwicklungen: Werden Jobs wie diese auch zukünftig gebraucht? Wie steht das Unternehmen am Markt? Welche Alleinstellungsmerkmale besitzen Sie? Lassen sich Ihre Fertigkeiten noch weiter ausbauen und auf andere Bereiche ausdehnen?

  • Hilfsbereitschaft zahlt sich aus

    Jein. Natürlich ist es sinnvoll, den Kollegen mal zu unterstützen, als Vertretung einzuspringen oder Ähnliches. Kritisch ist allerdings, wer sich in der Rolle der Kummerkastentante wiederfindet und ohne Wenn und Aber Aufgaben für andere übernimmt. Übergroße Hilfsbereitschaft kann schnell in Ausnutzen kippen. Damit laden Sie sich nicht nur zusätzliche Arbeit auf. Andere werden Sie dahingehend einschätzen, dass Sie zu wenig „Biss“ besitzen und sich dann vermutlich auch bei unangenehmen Entscheidungen nicht durchsetzen können.

  • Harte Arbeit führt zum Erfolg

    Dass Erfolg niemandem in den Schoss fällt, ist gewiss. Die Formel, dass Sie jedoch nur hart genug arbeiten müssen, dann würden Sie erfolgreich sein, greift zu kurz. Gerade Berufsanfänger und Neuzugänge sind anfangs hochmotiviert, erscheinen als erste im Büro, gehen als letzte und mit den Kollegen wollen sie es sich auch nicht verderben – und genau da liegt die Gefahr. Manche Kollegen oder Vorgesetzte sehen in Ihnen den idealen Packesel, der genügsam alle ihm aufgetragene Arbeit erledigt. Es liegt gar nicht unbedingt im Interesse eines Vorgesetzten einen Arbeitnehmer, der engagiert und vielseitig einsetzbar ist, auf eine andere Stelle zu befördern.

  • Man muss immer erreichbar sein

    Karrieremythen wie dieser grassieren erst in den vergangenen Jahren. In Zeiten von Smartphones, Tablets, Live-Tickern und blitzschnellen Onlinemedien wird der Informationsfluss unüberschaubar. Leicht kann daraus ein Informationszwang entstehen. Immer auf dem neusten Stand sein, den aktuellen Stellenmarkt stets im Blick – dadurch kann einem die Fähigkeit, einzuordnen und zu schlussfolgern, verloren gehen. Der Blick fürs Wesentliche kommt Ihnen abhanden. Doch genau diesen braucht man.

  • Der Besuch von Elite-Universitäten macht erfolgreich

    Wer nur die besten Schulen und Universitäten besucht, Top-Noten erzielt und Erfahrung in namenhaften Unternehmen gesammelt hat, schindet zwar in der Bewerbung Eindruck, ist dadurch allerdings nicht sympathischer. Persönlichkeit ist ein entscheidender Faktor. Es gilt nicht nur in der Theorie und auf dem Papier zu überzeugen, sondern auch im Umgang mit Menschen.

Interview: Karriereregeln entzaubert

Marcus Schmidt ist Personalberater und Geschäftsführender Gesellschafter bei Hanovermatrix. Anfang 2010 erschien sein Buch „Die 40 größten Karriere-Mythen“, in dem der Headhunter zahlreiche Karriereregeln entzauberte und zeigte, welche Strategien tatsächlich erfolgreich sind. Die Zusammenfassung finden Sie im folgenden Interview…

Herr Schmidt, Sie haben 40 Karrieremythen entlarvt. Welcher Mythos ist denn der schlimmste?

Einer der gefährlichsten ist der Irrglaube, ein Sabbatical, also ein Ausstieg auf Zeit, nütze immer der Karriere.

Das Sabbatical ist ursprünglich eine Erfindung amerikanischer Universitäten. Da hat es durchaus Sinn und birgt keinerlei Risiko, denn ein amerikanischer Professor hat eine Festanstellung auf Lebenszeit. Auch in der Wirtschaft beschleunigt ein Sabbatical immer eine Karriere – nur vielleicht nicht die eigene. So fördert der Ausstieg zunächst die Karriere der gleichgestellten Kollegen, die sich keine Auszeit nehmen. Die machen dann die nächste Beförderung unter sich aus.

Umgekehrt wird der Ausstieg auf Zeit für den Aussteiger umso riskanter, je länger das Sabbatical dauert. In vielen Branchen verfällt das berufliche Netzwerk schon nach einem halben Jahr rapide und ist nach einem Jahr hoffnungslos veraltet. Für die Wirtschaft gilt: Je länger man weg ist, desto schwerer fällt die Rückkehr. Zwar gibt es Zeitfenster, in die sich ein zeitweiliger Ausstieg besser einpassen lässt.

Wer etwa gerade sein erstes Unternehmen verkauft hat, dem wird niemand den Bedarf für eine kreative Pause absprechen. Natürlich spricht auch nichts gegen das Erholungspotenzial und die Bildungsqualitäten einer Weltreise. Nur sollte man nicht erwarten, dass der nächste Chef das ähnlich euphorisch sieht. Es sei denn, man ist Reisejournalist.

Lassen Sie uns bei den Karrieremythen bleiben: Netzwerke helfen bei der Karriere. Stimmt’s?

Nein, so einfach ist das nicht. Netzwerke sind für sich genommen kein Wert. Netzwerke sind lediglich ein Medium. Über sie verbreiten sich Informationen, die für den Betreffenden positive, aber auch negative Auswirkungen haben können.

Ein Beispiel: Natürlich kann der Einzelne durch sein virtuelles Netzwerk profitieren. Er kann etwa von einem Jobangebot erfahren, für das er sich interessieren würde. Aber weder wird ihm dieser Job dabei sofort anonym angeboten, noch bleibt im Zweifel sein Interesse dafür anonym. Er bewirbt sich öffentlich – vor Publikum. Also bezahlt er für das Angebot durch Preisgabe von Informationen – etwa die seiner Wechselbereitschaft. Und falls derjenige abgelehnt wird, ist auch seine Nichteignung öffentlich.

Tatsache ist, dass die Mitgliedschaft in sozialen Netzwerken ein öffentliches Statement, eine öffentliche Botschaft des Karrieristen ist und deshalb sehr sorgfältig konzipiert und gepflegt werden muss. In jedem Fall ist es eine Arbeitsprobe, die Sie von sich selbst zur Verfügung stellen und mindestens für die Dauer Ihrer Mitgliedschaft versenden.

Im Executive-Search haben in den letzten Jahren sprunghaft die Fälle zugenommen, in denen eine Online-Recherche Details zutage gefördert hat, die mit den Anforderungen an eine Position nicht vereinbar waren. So hat allein die Darstellung in Online-Netzwerken oft schon dazu geführt, dass Kandidaten aussortiert wurden. Aber auch bei nichtvirtuellen Netzwerken sollte man stets im Sinn haben: Sie sind auf Sendung, sobald Sie sensible Daten mitteilen.

Und was ist mit: Wer sich anpasst, kommt schneller voran?

Noch so ein Karrieremythos. Viele denken tatsächlich, dass im Unternehmen nur der vorankommt, der sich verhält wie alle anderen auch. Und viele überzeugte Anhänger dieses Mythos‘ erkennt man zum Beispiel daran, dass sie in größeren Besprechungsrunden, in denen Meinungsäußerungen unumgänglich sind, versuchen, sich flexibel auf den Leitwolf einzustellen.

Doch was, wenn der Leitwolf keine Lust auf das Spiel hat? Dann lässt er solche Adepten auch schon mal gnadenlos auflaufen. Fakt ist: Langfristig kann man sich in solchen Kreisen nur mit konsequent begründeter und gut argumentierter Überzeugung profilieren.

Gerade in Zeiten des Umbruchs und der Neuorientierung ist ein Profil mit Substanz unabdingbar. Gut recherchierte und belegbare Einschätzungen und entsprechend konsequentes Verhalten, das man auch gegen herrschende Standpunkte verteidigen kann, sorgen für belastbaren Respekt bei den Kollegen und letztlich auch beim Chef.

Natürlich ist ein solches Verhalten nicht ohne Risiko. Mitläufer sind kurzfristig oft gefragter und verschaffen sich so schnelle Vorteile. Aber schon mittelfristig verhalten sich Organisationen meistens nicht kontinuierlich. Neue Märkte und neue Technologien fordern ständige Neuausrichtung. Und in diesem Umfeld setzt sich dauerhaft nur ein eigenständiges Profil durch.

Wer nur mitläuft, um ja keinen Fehler zu machen, kann nichts Herausragendes leisten und wird nicht dauerhaft auf sich aufmerksam machen. Derlei Karrieremythen sind sehr gefährlich.

Und was ist mit: Karriere geht nur über die Headhunterkartei?

Auch diese Karrieremythen sind – leider – weit verbreitet. Danach hat derjenige beste Karrierechancen, der sich einem Headhunter persönlich bekannt macht. Sie glauben gar nicht, wie viele Lebensläufe meine Kollegen und ich bekommen, die per Mail und mit einem Standard-Anschreiben versendet wurden und so offenkundig zeigen, dass sie einem größeren Adressatenkreis zugedacht sind.

Mag sein, dass ein Initiativbewerber so zunächst seine Verfügbarkeit signalisiert. Für eine Besetzung ist das aber lediglich eine notwendige, keinesfalls eine hinreichende Voraussetzung. Im Gegenteil.

Aus der ungefragt kommunizierten Verfügbarkeit kann leicht der Eindruck entstehen, dass der Kandidat unbedingt einen neuen Job braucht. Mehr noch: Wir sehen darin auch, dass sich der Absender weder mit dem Adressaten auseinandergesetzt, noch die Mühe gemacht hat, seinen Lebenslauf auf die Kompetenz des Adressaten zuzuschneiden.

Dabei sollte ein Bewerber immer das Interesse des Headhunters wecken können und deutlich machen, warum man sich gerade an ihn wendet. Der professionellste Weg der Kontaktaufnahme mit einem Headhunter, dem man nicht bekannt ist, führt daher eher über ein Informationsgespräch. Man ruft an, stellt sich vor und bittet um einen gelegentlichen Gedankenaustausch.

Ist der Headhunter am Profil des Kandidaten interessiert, wird er um die Unterlagen bitten und danach eventuell auch zum Gespräch. Das passiert in der Regel aber erst zu dem Zeitpunkt, wenn ein passender Suchauftrag vorliegt.

Sie schreiben auch, dass selbst in der Krise steile Karrieren möglich sind. Was macht Sie da so sicher?

Krisen sind nun mal selektiv. Sie treffen weder Unternehmen einheitlich, noch diskriminieren sie Kandidaten gleichermaßen. Stattdessen sorgen sie wie ein Kontrastmittel für eine deutliche Trennung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, zwischen Leistungsträgern und Minderleistern, zwischen Kandidaten mit und denen ohne Chancen.

In der Krise wählen Unternehmen bei der Besetzung von Stellen zwar sorgfältiger aus, es gibt eine geringere Fehlertoleranz. Doch sie stellen immer noch ein. Und dabei setzen sich verstärkt die wirklich guten Leute durch. Wobei gut hier vor allem die an die Marktbedingungen optimal angepassten Mitarbeiter meint.

Gerade in der Rezession bekommen oft Leute aus der zweiten Reihe eine Chance. Zum Beispiel zur Übernahme von Restrukturierungsjobs, bei denen wirklich die Fähigkeit der Verantwortlichen zählt. Auf eine solche, erfolgreiche Restrukturierung kann ein Manager dann im nächsten Zyklus aufsetzen.

Auch Jobeinsteiger sollten eine Rezession vor allem als Chance begreifen. Wer jetzt zu sehr auf Status und Normalität pocht, punktet nicht. Wer hingegen bei seinem Jobeinstieg die Nachfrage berücksichtigt und einen flexibleren Einstieg wählt, hat die Nase beim nächsten Aufschwung vorn.

Überrascht hat mich auch Ihre Behauptung, es gäbe keine gläserne Decke für Frauen.

Ein in Deutschland besonders hartnäckig verbreiteter Karrieremmythos lautet, dass Frauen in der Wirtschaft benachteiligt seien. Erstaunlicherweise sind die Vertreter dieser Ansicht außerhalb von Politik und Journalismus überwiegend Männer.

In persönlichen Gesprächen mit Kandidatinnen oder Managerinnen wird das Thema jedenfalls nicht nennenswert problematisiert. In Gesprächen mit männlichen Führungskräften werden Frauenkarrieren dagegen häufiger angeschnitten, insbesondere bei den Personalverantwortlichen. Dann wird allerdings keine gläserne Decke beklagt, sondern der generelle Mangel an weiblichen Führungskräften.

Ich will und kann natürlich nicht verleugnen, dass es auffällige Unterschiede bei den Gehältern von Frauen und Männern in vergleichbaren Positionen gibt. Die Ursache hierfür ist jedoch entgegen anders lautenden Klischees keine Diskriminierung.

Vielmehr ist es so: Unsere Auftraggeber machen Gehaltsangebote – unabhängig vom Geschlecht. Und sie richten sich dabei am aktuellen Gehalt und am Wunschgehalt des Kandidaten aus. Und wenn das bei einer Frau niedriger liegt als bei einem Mann gleicher Qualifikation, fällt auch das Angebot an eine Frau niedriger aus. Selbst bei solchen Unternehmen, die eigentlich auf die Einstellung von Frauen in Führungspositionen überproportional Wert legen.

Nach meiner Beobachtung äußern Frauen bei Einstiegsverhandlungen öfter niedrigere Gehaltswünsche. Und die wenigsten Unternehmen werden der Kandidatin dann ein höheres Gehalt anbieten. Das Argument Gehaltsstruktur, das umgekehrt immer angewendet wird, wenn ein Kandidat ein überdurchschnittliches Gehalt verlangt, wird verständlicherweise kaum im Sinne des Kandidaten angewendet.

Auch das übrigens keine Besonderheit oder Bosheit gegenüber Frauen. Hinzu kommt, dass bei der Suche nach qualifizierten Kandidatinnen das Angebot deutlich geringer ist, als die Nachfrage. Insbesondere für Beratungsunternehmen und große internationale Konzerne werden meine Kollegen und ich häufig gebeten, nach Kandidatinnen zu suchen, Frauen werden dabei teilweise sogar eindeutig bevorzugt. Allerdings sind sie deutlich schwerer zu finden – zum Beispiel, weil Frauen noch immer in zu geringem Maße in männerdominierte Studiengänge einsteigen, also in Disziplinen wie Betriebswirtschaftslehre, Ingenieurwissenschaften und Naturwissenschaften.

Aber was ist mit der Familie, mit Kindern – das scheint doch ein großes Problem zu sein?

Sicher, die Work-Life-Balance, also eine Lebensweise, bei der die privaten und geschäftlichen Anforderungen in Einklang gebracht werden, ist eine notwendige Sache. Auch der überzeugte Workaholic kann auf Dauer nicht ohne Ausgleich funktionieren. Für den Nachwuchs mit drei Jahren Berufserfahrung ist die unaufgeforderte Thematisierung der Work-Life-Balance im Bewerbungsgespräch allerdings eine Akzentuierung, die man sich tunlichst verkneifen sollte.

Zumindest kurzfristig ist die Vereinbarkeit von Aufstiegs- und Privatinteressen auch für erfahrene Manager nicht ohne Kompromiss möglich.

Einen zukunftsweisenden Job nicht anzunehmen, weil der in einer anderen Stadt liegt und man dann seine Familie für einige Zeit nur noch am Wochenende sieht, kann sich kein Karrierist erlauben. Auch eine Beförderung aus familiären Gründen abzulehnen, weil die mehr Reisetätigkeit erfordert, wird nicht folgenlos bleiben.

Wohlgemerkt: Nicht jeder muss Karriere machen! Es ist völlig akzeptabel, wenn sich jemand entschließt, nicht weiter aufsteigen zu wollen. Aber: Wer aufsteigen will, kann sich solche Absagen ohne zwingenden Grund nicht leisten.

Ein zwingender Grund wäre zum Beispiel die Krankheit und Pflegebedürftigkeit des Partners. Hier sollte man allerdings bei der Wahrheit bleiben. So gab ein Manager einmal eine unheilbare Krankheit seiner Partnerin als Grund für eine Absage an. Als er wenig später eine ähnliche Tätigkeit in einem anderen Unternehmen übernahm, flog die Sache auf: Er hatte die Krankheit schlicht erfunden. So etwas wirkt noch lange nach, insbesondere in eng verwobenen, kommunikationsintensiven Branchen.

Sie wettern in Ihrem Buch zudem ordentlich gegen klassische Karrierekriterien: Auslandsaufenthalt, Doktor-Titel, MBA. Sie selbst haben einen MBA in Chicago gemacht. War das ein Fehler?

Nein. Aber es wäre ein Fehler gewesen, hätte ich vorher nicht meine Hausaufgaben gemacht. Viele preisen den Master of Business Administration als angesagtes Karrierewerkzeug und sprechen vom garantierten Aufstieg auf Basis dreier Buchstaben.

Der MBA – anders als der Doktortitel – ist aber zunächst kein akademischer Grad, dessen Vergabe grundsätzlich staatlich geregelt und kontrolliert würde. Und anders als der Doktorgrad ist er nur in Zusammenhang mit der ihn verleihenden Institution und unter genauer Analyse der vermittelten Inhalte wertvoll.

Ein Interessent sollte deshalb genau recherchieren, welches Renommee die Business School besitzt. Die regelmäßig erscheinenden Ranglisten, etwa im Wall Street Journal oder der Financial Times sind ein erstes Indiz. Wer in diesen Rankings über einen langen Zeitraum immer wieder unter die Top10 kommt, leistet sicher Herausragendes.

Aber deswegen ist die Entscheidung für einen MBA noch kein Selbstgänger. Vor allem die Frage, ob sich die Investition lohnt, mehr noch amortisiert, muss der Interessent vorab klären. Dazu zählen dann auch die Opportunitätskosten, die dadurch entstehen, dass man sich für die Dauer von einem bis zu zwei Jahren aus seinem Beruf zugunsten des Studiums verabschiedet.

Nachdem Sie mit einigen Illusionen aufräumen, mal anders herum gefragt: Was ist denn Ihr bester Tipp für Menschen, die beruflich weiterkommen wollen?

Vermeiden Sie eine Karriere auf Rezept! Anstatt lemminghaft den Empfehlungen von Karriereexperten zu folgen, sollten Sie lieber mit einer persönlichen Stärken- und Neigungsanalyse starten und mit den beiden Fragen: Was kann ich besonders gut? Und: Was macht mir besonders viel Spaß?

In diese Kombination sollten Sie dann all Ihre Energie setzen. Natürlich kann es Ihnen passieren, dass Sie anschließend und aus Marktsicht über exotische Fertigkeiten verfügen, die nicht allzu breit nachgefragt werden. Jedenfalls nicht aktuell.

Wer hätte vor 20 Jahren schon gedacht, dass jemand heute einen Energieberater oder einen Ernährungscoach braucht? Unsere Berufswelt wird immer komplexer. Die Halbwertszeit jeglichen Wissens sinkt dramatisch.

Ein Berufsanfänger wird daher zwangsläufig auf Phänomene stoßen, die einfach nicht antizipierbar sind. Eine interessen- und neigungsbasierte Ausbildung ist daher allemal besser als eine, die sich allein an aktuellen, aber kurzfristigen Markttrends orientiert. Das gilt natürlich auch für die spätere Weiterbildung oder Zusatzqualifikationen, die Sie erwerben möchten. Man sollte Karrieremythen also immer kritisch hinterfragen.

Herr Schmidt, Danke für das Gespräch.

Was andere Leser noch gelesen haben

[Bildnachweis: Karrierebibel.de]

Anzeige
Schon Karrierebibel Insider? Unser Gratis-Newsletter!
Kostenlose News, frische Impulse für den Job sowie exklusive Deals für Insider: Schon über 15.000 Abonennten! Gleich dazu gehören...

Mit der Anmeldung zum Newsletter gibt es in den kommenden 4 Tagen täglich eine neue Folge unserer exklusiven Video-Serie zum Kennenlernen. Danach folgt unser regulärer Newsletter mit wertvollen Karrieretipps, Impulsen sowie exklusiven Deals und Rabatten. Die Einwilligung zum Empfang kann jederzeit widerrufen werden. Dazu gibt es am Ende jeder Mail einen Abmeldelink. Die Angabe des Vornamens ist freiwillig und dient zur Personalisierung. Die Anmeldedaten, deren Protokollierung, der Versand und eine Auswertung des Leseverhaltens werden über Klick-Tipp verarbeitet. Mehr Infos dazu findest du in unserer Datenschutzerklärung.