Toilettentreffen: Bitte Diskretion!
Die Toilette am Arbeitsplatz – ob nun Herren- oder Damenklo – ist einer der wenigen Orte, die einerseits eine nahezu klosterale Abgeschiedenheit und Ruhe ausstrahlen, als hätten sich die Insassen selbst einer Art temporärem Schweigegelübde unterzogen. Andererseits es auch jener Ort, zu dem selbst Kaiser zu Fuß gehen. Oder anders formuliert: Hierarchien haben hier wenig Bedeutung. Körperliche Bedürfnisse stehen im Vordergrund und reduzieren uns auf das reine Menschsein. Eigentlich.
Weil das aber zugleich ein enorm intimer Vorgang ist (und eine der seltenen Chancen im Büro, mit sich selbst mal alleine zu sein), sollte der nicht durch plumpes Losplaudern gestört werden. Das stille Örtchen heißt eben nicht grundlos so. Grüßen reicht völlig, der Rest ist Schweigen und Diskretion.
Wir kennen eine hübsche Geschichte eines Kommilitonen an der Kölner Uni, der aufgeregt und auch beleidigt von seiner Begegnung mit dem Professor auf der Unitoilette erzählte. Im spontanen Taumel plötzlicher Hierarchie- und Barrierefreiheit hatte der den Prof mit den Worten angesprochen: „Schön Sie zu treffen! Nach unserer Diskussion vorhin begegnen wir uns hier ja wieder auf Augenhöhe…“ Darauf der Professor: „Tja, und schon wieder haben Sie den Kürzeren gezogen.“
Klogespräche unterschreiten Distanzzonen
Man kann die amüsante Anekdote als infantile Machoattitüde und Männervergleichsmanie abtun. Sie zeigt aber zugleich, wie unangemessen WC-Anbiederei von den meisten empfunden und pariert wird.
Am Pissoir steht man nahe beieinander. Klogespräche finden daher in der „intimen Zone“ der sogenannten Distanzzonen statt. In diesen Bereich einzudringen, noch dazu bei teilweiser Entblößung, erleben nicht gerade wenige als peinlichen Übergriff.
Männerklo Regeln: Knigge fürs korrekte Verhalten
Nachfolgende Regeln gelten im Großen und Ganzen ebenso für Damentoiletten. Ausnahme: An Pissoirs stehen üblicherweise nur Herren. Für den Aufenthalt dort und etwaige Klogespräche sollten Sie Folgendes beachten:
- Abstand wahren
So wie HIER sollten Sie sich beispielsweise nicht verhalten: Auf Männertoiletten gehört es sich, wenigstens ein Pissoir Abstand zum Nebenmann zu halten. Mit dem Abstand signalisieren Sie, dass Sie die Intimsphäre des anderen respektieren. - Blick ausrichten
Auch gehört es sich, den Blick auf das Urinal auszurichten. Blicke zum Nebenmann sind tabu. Bei Betreten oder Verlassen des Raumes blicken Sie auf den Boden. - Zeichen deuten
Ob Kollege oder Chef: Wer auf Grüße oder andere Ansprachen nur wortkarg reagiert, signalisiert, dass er in Ruhe gelassen werden möchte. Weitere Kontaktversuche wären daher unangebracht. Dasselbe gilt für den Fall, dass sich jemand in die Toilettenbox verzieht. Über die Kabinentür hinweg wird grundsätzlich nie Smalltalk geführt. Man wüsste auch nie, wer reinkommt und mithört. - Hände waschen
Nach jedem Toilettengang gehört es sich, die Hände zu waschen – auch wenn es nur ein „kleines Geschäft“ am Pissoir war. Niemand würde jemanden nach der Toilette die Hand reichen oder gar Lebensmittel in Empfang nehmen wollen.
Smalltalk im Waschraum: Spontaner Pitch beim Chef
Ganz anders sieht das im Waschraum VOR der Toilette aus. Hier ist das Nebeneinander keinesfalls mehr intim, die Klogespräch-Situation überhaupt nicht peinlich (es sei denn, jemand wäscht sich die Hände nicht… Pfui!) und etwas Smalltalk durchaus möglich… Möglich! Kein Muss.
Allerdings gelten hier auch wieder alte Hierarchien und die Zeit ist begrenzt. Heißt: Sie können die seltene Gelegenheit, den Chef zufällig persönlich zu treffen, nutzen und ihn ansprechen – er entscheidet aber, ob er das Gespräch aufnimmt und weiterführt oder nicht. Reagiert er distanziert, hat er gerade vermutlich andere Sorgen im Kopf. Wer jetzt weiterquasselt, fällt nur unangenehm und als distanz- und taktlos auf.
Klogespräch bei Gesprächsbereitschaft
Anders sieht es aus, wenn der Vorgesetzte auf einen Gruß mit einer Frage reagiert, zum Beispiel:
- „Wie läuft es denn gerade?“
- „An welchem Projekt arbeiten Sie aktuell?“
Eine solche Frage liefert eine Steilvorlage für einen sogenannten Elevator Pitch. Der findet diesmal zwar nicht im sprichwörtlichen Aufzug statt, funktioniert im Waschraum der Toilette aber genauso: In 60 Sekunden halten Sie eine Art Kurzpräsentation, die informiert, begeistert und neugierig macht. Also bitte bloß keine Klagen! Die sind hier wie im Aufzug tabu. Klassisch gelingt der Pitch mit der bekannten AIDA-Formel:
- Attention
Aufmerksamkeit erzeugen - Interest
Interesse wecken - Desire
Verlangen auslösen - Action
Abschluss herbeiführen
Antworten Sie also auf die Frage, was gerade so läuft oder woran Sie arbeiten, mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für ein tolles Projekt. Im Gegensatz zum klassischen Pitch geht es aber weniger darum, einen Abschluss zu erzeugen, sondern vielmehr positiv in Erinnerung zu bleiben. Oder so viel Neugier zu wecken, dass der Chef mehr darüber erfahren möchte und um einen richtigen Termin bittet – nichts zwischen Klotür und Angel…
Woraus sich die vielleicht wichtigste Empfehlung ableitet: Klogespräche – wenn sie überhaupt stattfinden – sollten stets unverkrampft bleiben, eine hygienisch-positive Plauderei zwischen Seife und Papiertuch. Man weiß schließlich nie, wen man auf dem stillen Örtchen trifft – und wiedertrifft…
Was andere Leser dazu gelesen haben
- Schamgefühl: Scham ist auch eine Chance
- Welttoilettentag: Pott Casting mit der Toiletten-Theorie
- Konversationssicher: Bessere Gespräche führen
- Systemisches Fragen: Wer fragt, der führt
- Nachfragen: Wer richtig fragt, hat mehr Erfolg