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Reframing: Realitätsverweigerung oder Cleverness?

Dinge aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, ist immer dann sinnvoll, wenn es gerade nicht weitergeht. Das lässt sich auch gezielt trainieren. Reframing heißt diese Methode aus der Psychologie, die sich den Effekt der Umdeutung zunutze macht. Betrachten wir Dinge in einem neuen Zusammenhang, kommen wir der Lösung eines Problems näher. Reframing hilft nicht nur in krisenhaften Lebenssituationen, sondern kann insgesamt zu einer positiveren Einstellung und mehr Zufriedenheit verhelfen. Wie es funktioniert…



Reframing: Realitätsverweigerung oder Cleverness?

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Definition: Was ist Reframing?

Reframing, zu Deutsch etwa „Neurahmung“, bedeutet wörtlich etwas „einen neuen Rahmen“ zu geben (von englisch „to frame“ = einrahmen). Es bezeichnet Umdeutung mit Methode. Diese Vorgehensweise ist vor allem aus der systemischen Familientherapie und dem neurolinguistischen Programmieren (NLP) bekannt. Vielfach gilt die amerikanische Familientherapeutin Virginia Satir als Urheberin. Aber auch Wissenschaftler wie Milton H. Erickson und Gregory Bateson trugen entscheidend zur Entwicklung des Reframings bei (siehe auch: Framing-Effekt).

Jeder praktiziert täglich Reframing, meist ohne es zu bemerken: Wir interpretieren Ereignisse vor dem Hintergrund bestimmter Denkmuster, Erwartungen und Zuschreibungen, verpassen ihnen also einen Rahmen. Das kann je nach Tagesform eine positive oder negative Umdeutung zur Folge haben.

Auf Dauer lässt es sich mit negativen Deutungen nicht leicht leben. Sie bedeuten eine unzulässige Einengung auf Teilaspekte. Daher setzen Menschen, die ihre Sichtweise ändern wollen, mit positivem Denken etwas dagegen. Das ist nichts anderes als eine Art Reframing, denn wir betrachten Dinge unter positiven Vorzeichen.

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Reframing Beispiel: Wie funktioniert die Methode?

Reframing begegnet uns häufiger im Alltag, als wir vermuten – etwa bei Witzen: Der Angestellte fragt seinen Chef: „Boss, kann ich heute etwas früher Schluss machen, meine Frau möchte mit mir einkaufen gehen.“ – „Das können Sie aber gleich wieder vergessen!“ – „Vielen lieben Dank, Chef. Ich war mir sicher, dass ich mich auf Sie verlassen kann.“

In diesem Reframing Beispiel gibt jemand einer Situation oder einem Geschehen einen anderen Sinn, indem er versucht, die Situation in einem anderen Kontext zu sehen: Statt sauer zu sein, dass er nicht früher Schluss machen darf, ist der Angestellte erleichtert, nicht mit seiner Frau einkaufen zu müssen. Weitere Beispiele:

Reframing Beispiel Glas halb voll leer 10 Perspektiven

Wie wir etwas betrachten, hängt wie erwähnt von mehreren Dingen ab. Tagesform, aber auch eine grundsätzlich positive oder negative Grundeinstellung schlägt sich beim Reframing nieder. Objektiv betrachtet ist im obigen Bild das Glas immer gleich voll beziehungsweise gleich leer – und dennoch kommt je nach Perspektive eine andere Facette hinzu. Die Coachin Karin Intveen gibt zwei praxisnahe Reframing-Beispiele aus dem Berufsleben:

  • „Mault einen zum Beispiel morgens gleich der Chef als Erstes unfair von der Seite an, dann hat er halt schlecht geschlafen oder Ärger mit seiner Frau gehabt.“
  • „Oder die Absage auf den Traumjob ist dann eigentlich doch gut, weil man ja nicht mehr dafür umziehen muss.“
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Verschiedene Formen des Reframings

Reframing lässt sich je nach Anwendung in verschiedene Formen unterscheiden, beispielsweise das Six-Step-Reframing oder das Verhandlungsmodell. Zu den bekannteren Arten zählt das inhaltliche Reframing, das sich in Bedeutungsreframing und Kontextreframing gliedert:

Bedeutungsreframing

Jemand verlässt seinen Partner. Der Verlassene reagiert darauf mit Trauer, Wut und Verzweiflung. Im Rahmen des Bedeutungsreframings könnte er zu der Erkenntnis gelangen, dass die Beziehung ohnehin zerrüttet war. Dass er sich schon länger unglücklich und eingeengt gefühlt hat, aber selbst den Schritt der Trennung nicht wagte. Die Trennung seines Partners bedeutet für ihn letztlich Befreiung. Gleichzeitig wurde ihm die Last abgenommen, den ersten Schritt zu wagen.

Kontextreframing

Beim Kontextreframing geht es darum, etwas unter veränderten Rahmenbedingungen zu betrachten. Eine Situation mag unter bestimmten Gesichtspunkten nachteilig, aber unter anderen vorteilhaft sein. Angenommen, ein Teammitglied ist eher zurückhaltend und skeptisch. Das führt unter Umständen dazu, dass Prozesse länger dauern und neue Ideen nicht sofort umgesetzt werden. Das kann in einer anderen Situation bewirken, dass so ein Fehler entdeckt wird, den weniger kritische Kollegen übersehen. In dem Fall wäre das Verhalten, was zuvor noch als bremsend empfunden wurde, eine Maßnahme zur Qualitätssicherung.

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Realitätsverweigerung oder kreativer Bewältigungsmechanismus?

Kritische Geister sehen in Reframing daher nur ein anderes Wort für Selbstbeschiss. Schließlich kann man sich mit dieser Technik so ziemlich alles schönreden. Aber das ist dann kein Reframing im ursprünglichen Sinne. Im Reframing geht es nicht darum, unangenehme Gefühle beiseite zu drängen und schnell eine Wohlfühlatmosphäre in einer rosa Wolke zu schaffen. Denn auch als negativ empfundene Emotionen wie Trauer und Wut haben eine Funktion. Vielmehr geht es darum, ein gesundes Mittelmaß zu finden:

Reframing hilft, die durch die negativen Emotionen blockierten Hirnwindungen „wieder zu aktivieren“, sagt Intveen. Jeder, der schon einmal eine schlechte Nachricht mitgeteilt bekommen hat, weiß, dass an klares Denken dann erst einmal nicht zu denken ist. Der Volksmund nennt so etwas nicht umsonst einen Schlag vor den Kopf bekommen. Stresshormone überfluten das Gehirn und machen das Denken eng.

Nur neigen viele Menschen dazu, die Defizite zu fokussieren. Sie sehen lediglich das Offensichtliche, was sich unmittelbar aufdrängt. Kleinere Erfolge oder solche, die nicht zeitnah passiert sind, geraten schnell in Vergessenheit. Kommen wir auf das Beispiel von eben mit der Absage des Traumjobs zurück:

Selbstbeschiss würde bedeuten, dass Sie sich sagen: „Ich wollte den Job eh nicht.“ Thema erledigt. Damit schiebt man in der Tat unangenehme Gefühle schnell weg. So verhindern Sie allerdings ebenfalls eine kritische Selbstreflexion. Denn es gibt womöglich objektive Gründe für eine Jobabsage. Mit Reframing gewinnt die Situation stattdessen neue Facetten.

Reframing-Methode mit der richtigen Frage anwenden

Der Trick dabei ist zu fragen: Wofür? Viele fragen sich jedoch als Erstes: Warum (ich)?

  • Haben die Qualifikationen doch nicht ausgereicht?
  • Bin ich zu alt?
  • War das Anschreiben nicht raffiniert oder überzeugend genug?

Intveen erklärt, warum die Frage nach dem Warum nicht weiterhilft: „Der Blick bleibt so aber auf dem Problem. Die Gedanken drehen sich im Kreis und wirklich zufriedenstellende Antworten findet man so sicher nicht. Dafür müsste man schon bei der Firma anrufen und selbst da wäre die Frage, ob deren Antwort überhaupt ehrlich ist.“

Wofür frage hingegen nach dem Kontext, dem (möglichen) neuen Rahmen:

  • Wofür ist es gut, dass ich den Job nicht bekommen habe?
  • Wofür ist es gut, hier zu bleiben?
  • Wofür kann ich diese Erfahrung nutzen?

Reframing Methode: Handlungsfähigkeit wiedererlangen

Sicherlich haben Sie andere Menschen schon – vielleicht mit einem Achselzucken – sagen hören: „Wer weiß, wofür es gut ist.“ Dieser schlichte Satz steht nicht für Resignation, sondern für ein gewisses Maß an Gelassenheit. Rückschläge gehören nunmal zum menschlichen Leben.

Mit Krisen umgehen zu können, also Resilienz zu erwerben, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Je eher Sie das lernen und je besser Sie das beherrschen, umso leichter können Sie mit zukünftigen Problemen umgehen. Sie entwickeln daraus ein besseres Selbstwertgefühl und packen Ihre Ziele an. Reframing kann Ihnen dabei helfen, Dinge wieder gerade zu rücken. Karin Intveen dazu:

„Allein die Suche nach einer Antwort macht Ihr Denken wieder weit, holt Sie erst einmal raus aus dem Ärger, der Unsicherheit oder was da gerade noch alles los war. Sie werden – zumindest im Kopf – wieder manövrierfähig.“

Anwendung: Neue Perspektiven dank Refraiming

Allem, was Sie erleben, können Sie die Frage: Wofür ist es gut? zugrunde legen. Das mag angesichts heftiger Krisen sehr demütig wirken, hat aber einen praktischen Hintergrund. Natürlich könnten Sie beispielsweise im Falle eines Arbeitsplatzverlustes vor allem die fehlende Arbeit und das fehlende Einkommen sehen. Ebenso könnten Sie sehen:

  • Das gibt mir die Chance, mir eine neue Stelle zu suchen – mit besserer Bezahlung, flexibleren Arbeitszeiten, netteren Kollegen…
  • Ich stelle mich noch einmal neu auf, fange etwas anderes an – Stichwort: Selbstverwirklichung.
  • So lerne ich, mit der Zurückweisung umzugehen.
  • Momentan habe ich mehr Zeit für Menschen und Dinge, die mir wichtig sind.

Wer Reframing mit Fragen betreibt, kommt mitunter auf ironische oder lustige Antworten, die einen bei näherer Betrachtung zum Lachen bringen. Das ist dann vielleicht manchmal Galgenhumor, aber auch der ist Ansporn für neue Ideen. Wichtig ist, dass Sie durch diese Methode mental in Bewegung bleiben. Für Reframing sind Ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Mischen Sie Probleme oder Situationen mit Fragen, Humor, Farbe oder sogar Musik:

Im Falle des grundlos polternden Chefs können Sie ihn sich wie den wütenden Erpel Donald Duck aus Entenhausen vorstellen, der ganz rot anläuft und völlig unverständlich zetert. Oder Sie untermalen eine Situation in Gedanken mit dem Imperial March aus Star Wars bei nächstbester Gelegenheit. Der große Gewinn von Reframing ist, dass Sie anschließend nicht nur im Kopf locker sind, sondern der ganze Körper sich entspannt. Und das ist wesentlich angenehmer und zielführender, als verkrampft und verbohrt um Probleme zu kreisen, ohne eine Lösung zu finden.


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[Bildnachweis: Jiw Ingka by Shutterstock.com]