Gefangenendilemma Definition
Das Gefangenendilemma ist ein zentrales Konzept der Spieltheorie in der VWL und beschreibt eine Entscheidungssituation, in der zwei (oder mehr) Akteure unabhängig voneinander zwischen Kooperation und Eigennutz wählen müssen.
Die Besonderheit: Ein individuell rationales Verhalten – z.B. das Verfolgen des eigenen Vorteils – führt beim Gefangenendilemma zu einem für alle Beteiligten schlechteren Ergebnis, als wenn beide kooperieren.
Das Dilemma in der Spieltheorie
Das typische Gefangenendilemma Beispiel aus der Spieltheorie sieht so aus: Zwei Räuber werden gefasst und getrennt voneinander verhört. Jeder Gefangene hat zwei Optionen: schweigen oder gestehen. Daraus ergeben sich drei mögliche Konsequenzen:
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Beide schweigen
Schweigen beide, kann ihnen die Polizei wenig nachweisen. Beide erhalten eine milde Strafe – jeweils 1 Jahr.
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Einer gesteht
Gesteht nur einer und der andere schweigt, kommt der Geständige frei und der andere erhält die Höchststrafe – 10 Jahre.
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Beide gestehen
Wenn beide gestehen, erhalten beide eine mittlere Strafe – 5 Jahre – höher als im Fall der Kooperation (beide schweigen), aber geringer als allein zu schweigen, wenn der andere plaudert.
Das Dilemma besteht darin, dass für den Einzelnen der Verrat am anderen (einer gesteht) die beste Strategie wäre. Allerdings kann sich keiner darauf verlassen, dass der andere schweigt!
In der Volkswirtschaftslehre (VWL) spricht man auch davon, dass das resultierende Nash-Gleichgewicht für die Gruppe nicht optimal (nicht pareto-optimal) ist. Ein Nash-Gleichgewicht ist ein Strategiepaar, bei dem kein Spieler einen Anreiz für ein einseitiges Abweichen hat.
Gefangenendilemma Beispiele
Das Gefangenendilemma klingt vielleicht theoretisch, findet aber regelmäßig sein Anwendung in der Wirtschaft, Politik und Soziologie – überall dort, wo Kooperationen zu besseren Ergebnissen führen, aber individuelle Anreize dagegenstehen – Beispiele:
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Wirtschaft & Preisabsprachen
In Oligopolen oder Kartellen, also wenn Unternehmen Preisabsprachen treffen oder Produktionsquoten vereinbaren, gibt es für jeden Akteur einen Anreiz, sich nicht an die Absprache zu halten, um kurzfristig zu profitieren. Brechen aber alle die Vereinbarung, verlieren am Ende alle, weil die Preise sinken und der Profit schwindet.
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Umweltschutz & öffentliche Güter
Beim Umweltschutz oder der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur besteht das Problem, dass jeder Einzelne versucht, von den Beiträgen anderer zu profitieren, ohne selbst einen Beitrag zu leisten (Trittbrettfahrerproblem). Wenn aber zum Beispiel alle Steuern vermeiden oder hinterziehen, werden weniger öffentliche Güter bereitgestellt.
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Politik & Abrüstung
Bei Abrüstungsverhandlungen oder bei internationalen Umweltabkommen stehen Staaten vor der Entscheidung, ob sie kooperieren oder ihren eigenen Vorteil suchen. Das Wettrüsten im Kalten Krieg oder die Zurückhaltung bei der CO₂-Reduktion sind klassische Beispiele für ein Gefangenendilemma.
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Urlaub & Liegestühle
Ein anschauliches Beispiel aus der Alltagspraxis ist das Belegen von Pool-Liegen mit einem Handtuch – eine typisch deutsche Unsitte. Wenn keiner einen Platz, den er oder sie zurzeit gar nicht nutzt, mit einem Handtuch reserviert, wären für alle genug Liegen da. Individuell aber ist es vorteilhafter sich gleich am Morgen die beste Liege zu sichern. Effekt: Es entstehen Gedränge um die besten Plätze und Engpässe am Pool.
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Wohngemeinschaft & Abwasch
Auch die Mitbewohner einer WG stehen regelmäßig vor dem Gefangenendilemma – beim Thema Abspülen. Zwar ist es für jeden Bewohner einfacher den Abwasch nach dem Essen einfach in die Spüle zu stellen. Tun das aber alle, türmen sich schon bald die stinkenden Teller und Töpfe (siehe: Broken-Windows-Effekt). Abspülen ist zwar nicht die dominante Strategie – für die WG und das friedliche Zusammenleben aber besser.
All die Gefangenendilemma Beispiele verdeutlichen, dass individuelle Entscheidungen, die auf Egoismus basieren, nicht zu optimalen Ergebnissen für die Gemeinschaft führen – und dass Rücksicht und Kooperation langfristig die besseren Ergebnisse für alle produzieren.
Gefangenendilemma Lösung
Angesichts der Optionen – schweigen oder gestehen – ist jeweils für beide „gestehen“ die beste und dominante Strategie, weil sich keiner auf das Schweigen des jeweils anderen verlassen kann und damit die Höchststrafe riskiert.
In der Spieltheorie läuft das Gleichgewicht bei einem einmaligen Spiel auf „Gestehen-Gestehen“ hinaus. Allerdings ist dieses Gleichgewicht nicht pareto-effizient: Beide Gangster würden besser fahren, wenn beide schweigen – und das konsequent.
Die kollektive und individuelle Rationalität führen daher zu unterschiedlich optimalen Ergebnissen.
Was passiert bei wiederholten Spielen?
In der Spieltheorie ist es möglich, zahlreiche Varianten am Computer immer und immer wieder durchzuspielen. In unserem Beispiel würden die Räuber im Gefangenendilemma also gefasst, verurteilt und nach verbüßen der Strafe gleich wieder einen Raub begehen. Danach wieder und wieder…
Mit der Zeit würden sie lernen, dass Schweigen die beste Lösung ist, mit der sie ihre Beute und Raubzüge optimieren. Was umgangssprachlich zur „Ganovenehre“ führt, bei der keiner den anderen verpfeift, führt in der realen Praxis zu anderen Strategien.
Hier wird das Gefangenendilemma durch Vertrauen, Loyalität, Reputation und Verträge überwunden. Indem beide Parteien sich glaubhaft versichern, nicht aus einer Absprache auszusteigen, können Sie ihren eigenen Nutzen maximieren.
Unendliche Spiele sind die Regel
In der Praxis sind einmalige Spiele (sog. Spot-Märkte) die Ausnahme. Eher trifft zu, was das Sprichwort schon lange weiß: „Man begegnet sich immer zweimal im Leben!“ Wiederholte bzw. unendliche Spiele (z.B. in einer Freundschaft oder Partnerschaft) sind die Regel.
In diesen Fällen ist das kurzfristige Maximieren des Eigennutzens keine gute Idee oder Strategie. Das führt zum Ende der Beziehung. So lehrt und zeigt das Gefangenendilemma auch noch, warum Ehrlichkeit am längsten währt und Kooperation jedes Konkurrenzdenken und Egoismus schlägt.
Welche Strategien helfen gegen das Gefangenendilemma?
Um das Gefangenendilemma zu überwinden, gibt es inzwischen einige Ansätze und verschiedene Strategien ebenfalls aus der Spieltheorie. Zu diesen Prinzipien gehören:
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Tit-for-Tat
Diese Strategie beginnt mit Kooperation und spiegelt dann das Verhalten des Gegenübers: Kooperiert der andere, kooperiert man selbst weiter; verrät der andere, folgt als Antwort ebenfalls Verrat. Tit-for-Tat gilt als besonders erfolgreich, weil sie freundlich, einfach, schnell reagierend und nicht nachtragend ist.
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Grim-Trigger
Bei dieser Strategie kooperieren beide, bis einer verrät. Danach wird dauerhaft nicht mehr kooperiert und miteinander gespielt. Diese harte Strategie kann Kooperation erzwingen, ist ein guter Selbstschutz, bleibt aber wenig fehlertolerant.
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Rahmenveränderung
Durch Gesetze, Verträge oder externe Kontrolle (z.B. Kartellaufsicht oder Strafen bei Vertragsbruch) wird die dauerhafte Kooperation attraktiver. Verträge oder gemeinsame Werte erhöhen zudem das gegenseitige Vertrauen.
Erfolgsfaktoren für Strategien (nach Axelrod und aktueller Forschung):
Strategie |
Beschreibung |
Freundlichkeit | Niemals zuerst verraten |
Reaktion | Sofort Verhalten (Verrat) reagieren |
Verzeihen | Nach dem Verrat zur Kooperation bereit sein |
Das Muster entspricht im Wesentlichen der Tit-for-Tat-Strategie und ist durch seine schnelle Anpassungsfähigkeit oft besonders erfolgreich, um das Gefangenendilemma zu überwinden.
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