Sich selbst belügen: Warum machen wir das?
Tischen wir anderen Menschen eine Lüge auf, sind die Motive oft klar: Wir wollen eine unangenehme Wahrheit verheimlichen, einen eigenen Vorteil aus der Situation ziehen oder auch Streit vermeiden. Aber warum sollte man sich selbst belügen – und das auch noch regelmäßig? Tatsächlich geschieht diese Selbstmanipulation meist unbewusst, aber aus durchaus guten Gründen:
- Wir belügen uns, um uns selbst zu schützen.
- Wir belügen uns, um das Selbstbild zu bewahren.
- Wir belügen uns, um die eigene Angst zu mindern.
- Wir belügen uns, um schwierige Situationen leichter zu ertragen.
- Wir belügen uns, um anderen zu gefallen.
- Wir belügen uns, um ein schlechtes Gewissen zu verhindern.
Meist machen wir uns etwas vor, wenn wir mit einer schwierigen oder unangenehmen Erkenntnis konfrontiert werden. Die Psychologie spricht von einer kognitiven Dissonanz.
Psychologie: Kognitive Dissonanz führt zu Selbstbetrug
Kognitive Dissonanz ist das unangenehme Gefühl, wenn wir unterschiedlichen Wahrnehmungen ausgesetzt sind. Solche Widersprüche bedrohen das eigene Selbstbild und führen dazu, dass Sie sich selbst belügen. Ein klassisches Beispiel: Sie halten sich selbst für intelligent und gebildet. Aus Spaß machen Sie einen IQ-Test. Das Ergebnis: Sie schaffen es kaum über den Durchschnitt.
Nun könnten Sie sich selbst reflektieren und anerkennen, dass Sie nicht so schlau sind, wie Sie geglaubt haben. Selbstbetrug ist aber der einfachere Weg. Der Test war falsch, das Ergebnis ist nicht repräsentativ, die Fragen kamen überwiegend aus einem Bereich, der Ihnen nicht liegt… Sie müssen sich selbst belügen, um den Spalt zwischen Wunsch und Realität zu überbrücken
Selbstlüge: Die Fabel vom Fuchs und den Trauben
Kennen Sie die Fabel vom Fuchs und den Trauben? Auch diese Geschichte zeigt eindrücklich, wie eine kognitive Dissonanz wirkt und warum Menschen sich selbst belügen.
Auf seiner Suche nach einer Köstlichkeit entdeckt der Fuchs einen Weinstock, an dessen Trauben er sich gerne gütlich tun würde. Doch was er auch tut, er kann die leckeren Früchte einfach nicht erreichen. Sie hängen einfach zu hoch für ihn. Als Reaktion rümpft er die Nase und verkündet lauthals, dass die Trauben ohnehin sauer seien und deshalb nicht schmecken würden. Dann macht er sich auf seinen Weg zurück in den Wald.
Weil Wunsch und Realität einfach nicht vereinbar sind, ändert der Fuchs kurzerhand seine gesamte Einstellung und redet sich selbst (und allen anderen) ein, dass er die Trauben ohnehin nicht mag. Gleiches tun Menschen in zahlreichen Situationen. Wir finden Ausreden, Erklärungen, Rechtfertigungen – doch am Selbstbild oder am eigenen Verhalten ändern wir nichts.
6 Anzeichen, dass Sie sich selbst belügen
Ein Problem: Oft erkennen Sie gar nicht, dass Sie sich selbst belügen. Die Wahrnehmung wird so verzerrt, dass es sich wie die Wahrheit anfühlt. Sie sind vollkommen überzeugt, dass Ihre Ansicht stimmt und lassen keinen kritischen Gedanken aufkommen. Umso wichtiger ist ehrliche Selbstreflexion, um solchen Selbstlügen auf die Spur zu kommen.
Zusätzlich gibt es einige klare Anzeichen, dass Sie sich selbst belügen. Auf diese sechs sollten Sie unbedingt achten:
1. Sie lassen Worten keine Taten folgen
Wir alle belügen uns einmal im Jahr – am Silvesterabend. „Ab morgen mache ich…“ Solche Neujahrsvorsätze sind bereits ein paar Stunden später wieder vergessen. Sport, gesunde Ernährung, mit dem Rauchen aufhören? Alles nette Vorhaben, mit denen wir uns selbst etwas vormachen.
Kommt es häufiger vor, dass Sie Ihren Worten keine Taten folgen lassen, belügen Sie sich regelmäßig selbst. Sie beruhigen Ihr Gewissen mit tollen Plänen, haben aber eigentlich nie vor, diese umzusetzen.
2. Sie neigen zu Übertreibungen
„Nie läuft etwas richtig“ oder auch „Ich muss immer mehr arbeiten“. Wenn Sie in extremen Kategorien denken und reden, werden Sie sich zwangsläufig selbst belügen. Eine solche Denkweise führt zu Übertreibungen und Verallgemeinerungen, die schlicht nicht wahr sind. Völlig, immer, nie, alles, absolut, jedes Mal… Das Leben besteht nur sehr selten aus solchen Extremzuständen. Viel häufiger sind es Abstufungen und Grautöne, statt Schwarz oder Weiß.
3. Sie stehen nicht zu Ihren Fehlern
Jeder Mensch macht Fehler. Eine falsche Entscheidung, fehlerhafte Meinungen, eine inkorrekte Einschätzung der Situation oder auch ein Patzer bei der Umsetzung eines Projekts. Alles ganz normal – doch kann sich das nicht jeder eingestehen. Viele verschweigen eigene Fehler, weisen jede Verantwortung von sich oder sehen schlicht nicht ein, dass sie falsch lagen. Ein klares Anzeichen, dass Sie sich selbst belügen. Beliebt ist dabei auch die Vorwärtsverteidigung. Statt Fehler einzugestehen, werden andere verbal attackiert.
4. Sie wollen es allen recht machen
Wer es immer allen recht machen will, belügt sich selbst. Sie müssen sich verstellen, Ihre Meinungen verschweigen oder ändern, Ihre Ziele anpassen oder Bedürfnisse ignorieren. Durch Ihr großes Harmoniebedürfnis sagen Sie immer Ja, obwohl Sie schon längst Nein sagen und Grenzen setzen sollten. Dabei reden Sie sich sogar noch ein, dass die Ansichten der anderen Ihren eigenen entsprechen. Alles, um dazuzugehören und akzeptiert zu werden.
5. Sie überschätzen sich
Ein starker Glaube an die eigenen Fähigkeiten ist gut, doch wenn Sie sich regelmäßig überschätzen, belügen Sie sich damit jedes Mal selbst. Sie bescheinigen sich selbst Stärken und Kompetenzen, die Sie schlicht nicht haben. Das führt zu Problemen, wenn Sie keine Ergebnisse liefern können, Deadlines überschreiten oder völlig überfordert sind. Doch auch dann finden Sie noch eine Ausrede, um sich weiter zu belügen.
6. Sie fühlen sich selbst unecht
Manchmal ist das eigene Bauchgefühl der beste Indikator für Wahrhaftigkeit. Wenn Sie selbst das Gefühl haben, sich häufig zu verstellen oder unecht zu verhalten, sollten Sie die Notbremse ziehen und etwas an Ihrem Verhalten ändern. Je länger Sie sich selbst belügen und dabei sowohl sich als auch anderen etwas vormachen, desto mehr schaden Sie sich und Ihrem Selbstwertgefühl.
Sich selbst belügen: Das können Sie dagegen tun
Einsicht ist der erste Weg zur Besserung und Veränderung. Wenn Sie erkennen, dass Sie sich selbst belügen, ist der erste Schritt bereits getan. Allerdings ist es nur ein Anfang – um das Verhalten zu ändern, müssen Sie aktiv werden und etwas dagegen tun.
Sich selbst zu belügen ist letztlich eine schlechte Gewohnheit, die nur schwer zu überwinden ist. Schließlich vermitteln die Selbstlügen ein gutes Gefühl, schmeicheln dem Selbstbild und verhindern Konflikte. Es ist leichter, die erfundene Erklärung zu glauben, statt der unangenehmen Wahrheit ins Gesicht zu blicken.
Wollen Sie wirklich aufhören, sich selbst zu belügen, hilft langfristig nur brutale Ehrlichkeit. Das ist schwierig, anstrengend und oft mit Enttäuschungen verbunden. Am Ende gehen Sie aber mit gestärkter Persönlichkeit und einer realistischeren Selbsteinschätzung daraus hervor. Diese Tipps helfen, damit Sie sich in Zukunft weniger belügen:
- Akzeptieren Sie Ihre Schwächen
Wenn Sie Ihre Schwächen akzeptieren, brauchen Sie sich selbst nicht mehr zu belügen. Sie wissen bereits, dass Sie nicht perfekt sind und müssen diesen Schein nicht vor sich selbst aufrechterhalten. Gleichzeitig macht es Sie sympathischer, wenn Sie offen zu Ihren Fehlern stehen und diese nicht verheimlichen. - Vermeiden Sie Ausreden
Ausreden sind ein häufiger Reflex, wenn Sie sich selbst belügen. Sie finden eine Begründung, warum letztlich doch alles so ist, wie es für Sie passt. Ertappen Sie sich bei solchen Ausflüchten, müssen Sie diese konsequent unterbinden. Das erfordert Selbstreflexion und Durchhaltevermögen. Gelingt es, sehen Sie die Selbstlüge auf frischer Tat und können Sie direkt stoppen. - Bleiben Sie sich selbst treu
Verbiegen und verdrehen Sie sich nicht, um anderen zu gefallen. Früher oder später werden Sie anecken und nicht jeder wird Sie mögen. Das ist völlig in Ordnung. Bleiben Sie sich lieber treu und verhalten Sie sich authentisch. So müssen Sie sich nicht selbst belügen und werden für die Person gemocht, die Sie wirklich sind.
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