Tiefstapler: Sympathisch, aber schlecht im Job?
Angeber mag niemand. Ständiges Ich-bin-der-Beste-Getue geht den meisten Menschen schnell auf die Nerven und wenn ein Kollege täglich von seinen Leistungen und Erfolgen erzählt, rollen die Büronachbarn mit den Augen. Schon in der Kindheit lernen wir: nicht prahlen, bescheiden auftreten! Tiefstapeln wird uns sozusagen in die Wiege gelegt…
Denn Tiefstapeln ist ungemein sympathisch, Bescheidenheit gilt als wünschenswerte Charaktereigenschaft und Tugend. Viele Eltern fördern ein solches Verhalten.
Achtung Impostor-Syndrom!
Extreme Tiefstapler können aber auch am sogenannten Impostor Syndrom leiden. Das ist ein psychologisches Phänomen, bei dem Betroffene nicht an ihre eigenen Leistungen und Erfolge glauben. Sie sind davon überzeugt, nur durch Glück, durch Charme oder Beziehungen etwas erreicht zu haben und empfinden sich selbst sogar als Hochstapler, obwohl sie das nicht sind.
Entsprechend haben viele Angst, andere könnten aufdecken, dass es ihnen an Qualifikationen und Fähigkeiten mangelt. Dabei sind es gerade die wirklich kompetenten und erfolgreichen Mitarbeiter, die am Impostor Syndrom leiden.
Die Folgen für notorische Tiefstapler
Das Problem: Im Job wird diese sympathische Eigenschaft vielen zum Verhängnis. Wer die eigenen Leistungen herunterspielt oder gar nicht erst erwähnt, sorgt dafür, dass diese übersehen werden und in Vergessenheit geraten. Kollegen, die dies nicht tun, fallen umso mehr auf, sammeln Punkte beim Chef oder beanspruchen sogar die Lorbeeren von Tiefstaplern für sich selbst. Die Folgen für Tiefstapler dürfen dabei nicht unterschätzt werden:
- Stillstand in der Karriere
Tiefstapler erleben immer wieder, dass Beförderungen und Gehaltserhöhungen an ihnen vorbei gehen. Stattdessen freuen sich nur die Kollegen. Dies liegt vor allem daran, dass der Chef die Leistungen und Erfolge aufgrund des Tiefstapelns nicht wahrnimmt. Während andere im Büro Werbung in eigener Sache betreiben und dem Führungspersonal im Gedächtnis bleiben, treten Tiefstapler beruflich auf der Stelle. - Frust und Unzufriedenheit
Zu wissen, dass die eigenen Fähigkeiten denen der Kollegen überlegen sind und trotzdem dabei zuzusehen, wie nur die anderen Karriere machen, ist ungemein frustrierend. Manch ein Tiefstapler sucht sich aufgrund der empfundenen Ungerechtigkeit sogar einen neuen Arbeitsplatz – wo dasselbe Problem allerdings in die gleiche Situation führen kann.
Wer neigt zum Tiefstapeln?
Tiefstapelei ist eine Frage der Persönlichkeit und des Umfelds. So kann jeder zum Tiefstapler werden. Allerdings gibt es Gruppen, die besonders häufig dazu neigen, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen und sich als Tiefstapler zu präsentieren:
- Frauen
Natürlich gibt es Männer, die ihre Erfolge bagatellisieren, doch zeigt sich dieses Verhalten häufiger bei Frauen. Während Männer ungeniert Eigenwerbung betreiben und im Licht eigener Erfolge baden, agieren Frauen zurückhaltender, gehen mit Leistungen nicht hausieren und spielen die eigenen Fähigkeiten herunter. - Schüchterne
Schüchterne und in sich gekehrte Menschen meiden die große Aufmerksamkeit. Selbst große Leistungen behalten sie lieber für sich. Sie lassen ihre Taten sprechen und verlieren kaum ein Wort darüber. - Neue
Wer neu in eine Gruppe oder ein Team kommt, möchte sich von seiner besten Seite präsentieren und Anschluss finden. Gerade neue Kollegen sind deshalb im Umgang mit frühen Erfolgen zurückhaltend und reden diese zunächst klein.
Tipps für Tiefstapler: Machen Sie auf sich aufmerksam
Die gute Nachricht: Tiefstapler können lernen, das eigene Verhalten zu ändern und im Job sichtbarer zu werden. Das erfordert jedoch eine ganze Menge Übung und Ausdauer. Eine solche Gewohnheit, die sich über Jahre oder vielleicht sogar Jahrzehnte etabliert hat, lässt sich nicht in ein paar Tagen ablegen. Kein Grund, sich der Herausforderung nicht zu stellen. Die folgenden Tipps helfen bisherigen Tiefstaplern dabei:
Erkennen Sie Ihre Stärken, Leistungen und Erfolge
Machen Sie sich bewusst, worin Sie gut sind, wo Ihre Stärken und Talente liegen – vor allem, wenn Sie besser sind als andere. Auf diese Bereiche sollten Sie besonders stolz sein, anstatt sie klein zu reden oder als unbedeutend darzustellen. Gleiches gilt für Ihre Leistungen und Erfolge. Wenn Sie etwas geschafft, ein Ziel erreicht haben, dann ist Stolzein normales und angebrachtes Gefühl. Gestehen Sie sich selbst zu, einige herausragende Qualitäten zu haben.
Gehen Sie richtig mit Lob um
Tiefstapler neigen dazu, ihnen entgegengebrachtes Lob selbst zu schmälern. Meist mit Formulierungen wie „Ja, aber das war gar nicht so schwierig…“ oder „Das hätte jeder meiner Kollegen auch geschafft…“ Lernen Sie, ein Lob in seiner Gesamtheit zu akzeptieren. Noch besser ist es, wenn Sie die positiven Worte noch einmal spiegeln und verstärken. Etwa mit einem „Ja, mit den Inhalten konnte ich den Kunden wirklich überzeugen…“
Sprechen Sie Ihre Erfolge an
Sie müssen nicht warten, bis andere Ihre Erfolge ansprechen und Sie dafür loben. Im Job ist es völlig legitim, eigene Leistungen zur Sprache zu bringen. Gerade dem Vorgesetzten gegenüber. Sitzen Sie beim Projektmeeting nicht nur schweigend am Tisch, sondern nutzen Sie die Gelegenheit. Erzählen Sie, was Sie geschafft haben. Berichten Sie von den Fortschritten, die Sie in kurzer Zeit machen konnten. Manchmal müssen Sie dem Chef Ihre Erfolge unter die Nase reiben, damit dieser mitbekommt, wie wichtig Sie für das Unternehmen sind.
Trauen Sie sich aufzufallen
Tiefstapler verschwinden oftmals in der Menge, weil es lautere, auffälligere Kollegen gibt. Um das Verhalten zu ändern, müssen Sie sich trauen, herauszustechen und aufzufallen. Das ist nicht leicht, denn wer auffällt, macht sich angreifbar. Indem Sie über Leistungen und Erfolge sprechen, können Sie ebenso Ziel von Kritik und negativem Feedback werden. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Ab und an kritisiert zu werden und daraus zu lernen, ist wichtig, um zu wachsen – und ein kleiner Preis dafür, dass Sie von Ihren Erfolgen profitieren.
Übertreiben Sie es nicht
Zu guter Letzt gilt: Auch ehemalige Tiefstapler sollten es mit der Selbstbeweihräucherung nicht übertreiben. Sonst endet zwar die Tiefstapelei, wird jedoch durch unangenehmes Angebertum ersetzt. Frei nach Paracelsus gilt auch für Tiefstapler: „Die Dosis macht das Gift.“ Understatement kann gezielte Wirkung entfalten, zudem kann es ein Vorteil sein, wenn die Konkurrenz Sie unterschätzt. So haben Sie das Überraschungsmoment auf Ihrer Seite. Tiefstapelei sollte jedoch kein Dauerzustand sein, sondern durch regelmäßige Werbung in eigener Sache ergänzt werden.
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