Fehler machen: Besser als gedacht

Irrtum, Malheur, Patzer, Fehltritt, Missgeschick, Lapsus, Fauxpas – die Begriffe für Fehler sind Legion. Gleichzeitig will niemand einen Fehler machen. Fehler gelten als Zeichen von Schwäche und Versagen. Dabei ist genau das der größte Fehler, den wir machen können: der falsche Umgang mit Pleiten, Pech und Pannen. Tatsächlich sind Fehler Chancen, aus ihnen lernen wir am meisten. Darum der ausdrückliche Appell: Erlauben Sie sich die Freiheit, Fehler zu begehen…

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Angst prägt den Umgang mit Fehlern

Fehler gehören zum Leben dazu. Egal ob beruflich oder privat: Jeder greift im Laufe des Lebens viele Male daneben und ins Klo. „Shit happens“, heißt es dazu im Angelsächsischen. Oder: „Nobody is perfect“ – Fehler machen uns menschlich. Nur Götter können sich eine Nullfehlertoleranz leisten.

Was uns ebenfalls unterscheidet: Der Umgang mit Fehlern, Fehleinschätzungen und Fauxpas. Hieran offenbart sich nicht nur unsere Persönlichkeit, deren emotionale Reife und charakterliche Größe. Der Umgang ist zugleich Ausdruck unserer konstruktiven Fehlerkultur. Oder eben der Intoleranz (gegenüber Irrtümern).

Und hierbei gibt es eine Menge Luft nach oben. In Sachen Fehlerkultur bildet Deutschland (zusammen mit Singapur) das Schlusslicht. Das ist das Ergebnis einer internationalen Studie um Professor Michael Frese, Leuphana Universität Lüneburg, der die Fehlerkulturen verschiedener Ländern verglichen hat. Deutschland und seine Defizitkultur landete auf Platz 60 – von 61 untersuchten Ländern. Der oft angepriesene „offene Umgang“ mit Fehlern und die Wertschätzung des Nicht-Perfekten – sie bleiben in den meisten Fällen graue Theorie.

Sanktionierung statt Aufklärung

Ein positives „Trial an Error“ wie bei den Amerikanern gibt es hierzulande nicht. „Amerikaner freuen sich, über Fehler zu sprechen, Deutsche verleugnen sie“, sagt Frese. In der Praxis haben viele Angst vor Fehlern und den möglichen Konsequenzen. Zu viele Patzer gelten als Karrierebremse. Also wird jeder Fehltritt so gut wie möglich unter den Teppich gekehrt, schöngeredet, verschleiert. Hauptsache, er bleibt unentdeckt. Der Deutsche fragt nicht: „Was haben wir daraus gelernt?“ sondern „Wer hat Schuld?“. Schade.

Der deutsche Fingerzeig und falsche Umgang mit Fehlern trägt entscheidend dazu bei, dass sich Fehler wiederholen. Statt die Situation zu entschärfen, machen wir es nur noch schlimmer: Fehlervermeidung und Fehlerverschleierung bauen enormen Druck auf, erzeugen Stress und vernichten Glaubwürdigkeit. Denn: Früher oder später kommt es ja doch heraus.

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Die Reaktion auf einen Fehler ist entscheidend

Was denken Sie über sich, wenn Sie einen Fehler machen? Die meisten spüren Ärger, Wut, Enttäuschung – und beginnten sich zu rechtfertigen. Falsch! Genau diese Reaktion ist es, die weitere Fehler nach sich zieht. Rechtfertigungen, schlimmer noch: die Vorwärtsverteidigung verhindern Wachstum. Statt an und mit der Imperfektion zu wachsen, verteidigen wir den Status quo und unser Selbstbild. Was für ein Irrsinn! Wer versagt, ist deswegen noch kein Versager!

Fehler sind Chancen

In einer Studie konnte Kristi M. Lewis an der California School of Professional Psychology zeigen, dass sich negative Emotionen von Führungskräften negativ auf die Mitarbeiter auswirken. Bedeutet: Lässt sich der Chef nach einem Fehler zu Wut, Frust oder Ärger hinreißen, sinkt die Risikobereitschaft und Kreativität der Mitarbeiter. Sogar das Engagement lässt nach. Die Folge: Weniger Leistung – und noch mehr Fehler.

Gerade Vorgesetzte sollten sich diese Erkenntnis zu Herzen nehmen und lernen, die Fehler der Mitarbeiter als das zu erkennen, was sie sind: Chancen, um etwas Neues zu lernen, sich weiterzuentwickeln und daran zu wachsen. Tatsächlich lernen wir aus unseren Fehlern oft mehr als aus unseren Erfolgen (siehe Grafik).

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4 Gute Gründe, mehr Fehler zu machen

Es lohnt sich, unsere innere Fehlerkultur zu überdenken und Fehler in einem anderen Licht zu betrachten. Gleich vier gute Gründe sprechen dafür, sich zu erlauben, in Zukunft mehr Fehler machen zu dürfen und sich dafür weder zu schämen, noch Angst davor zu haben:

  • Sie lernen dazu

    Fehlerfreiheit wird gerne als Optimum deklariert. Was wir dabei vergessen, ist die Chance der Entwicklung. Wer alles (scheinbar) richtig macht, muss sich nie hinterfragen, kann nie dazu lernen oder seine Potenziale entdecken. So jemand vergibt sich die Chance, seine Stärken zu stärken und an bisher unerkannten Schwächen zu arbeiten.

  • Sie stärken Ihre Persönlichkeit

    Persönlichkeit reift und festigt sich in der Krise. Schönwetterkapitän kann jeder. Rückschläge überwinden, Fehler zugeben, Verantwortung übernehmen – hieran zeigt sich ein starker Charakter. Mehr noch: Fehler selbst können dafür sorgen, in Zukunft weniger Angst vor Fehlern zu haben. Je häufiger Sie diese Erfahrung machen und lernen damit konstruktiv umzugehen, desto weniger müssen Sie Missgeschicke fürchten.

  • Sie arbeiten effizienter

    Klingt paradox, ist es aber nicht. Wer Fehler begeht, erkennt Wege, wie es nicht geht. Zugleich profitieren wir von Versuch und Irrtum, weil wir mehr ausprobieren, wagen – und dabei mehr entdecken. Zahlreiche große Entdeckungen gehen auf Fehler zurück. Thomas Edison (Glühbirne), Christoph Kolumbus (Amerika) oder Alexander Fleming (Penicillin) sind beste Beispiele dafür. Perfektionismus dagegen bremst: Alles bis ins kleinste Detail ausarbeiten und kontrollieren zu wollen, ist zwar gründlich (und manchmal auch erforderlich), aber es verhindert oft den ersten Schritt.

  • Sie steigern Erfolgschancen

    Fehler machen erfolgreicher? Ja! Mit jedem Fehler nähern Sie sich dem Erfolg weiter an und schließen Alternativen, die nicht funktionieren, aus. Fehler tragen nicht nur zur Selbstreflexion bei – sie schärfen auch den Blick für das Machbare und bringen uns zugleich auf neue Ideen. Allerdings ist es auch eine Frage des Selbstvertrauens und des Durchhaltevermögens, es immer wieder zu versuchen.

Mit diesen Fragen machen Sie aus Fehlern Chancen

Wenn die Einstellung stimmt, bieten Fehler zahlreiche Potenziale. Diese Fragen helfen, diese zu entfalten:

  • Was genau war der Fehler?
  • Wie konnte der Fehler passieren?
  • Kann ein ähnlicher Fehler erneut vorkommen?
  • Was lerne ich daraus?
  • Wie lässt sich der Fehler künftig vermeiden?

Stellen Sie sich diese Fragen nach einem Fehler, bleiben Sie nicht stehen, sondern entwickeln daraus weitere Schritte, die nötig sind, um es in Zukunft besser zu machen.

Fehler Helfer Buchstaben Spruch Grafik


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7 Fehler, die Kluge kein zweites Mal begehen

Fehler sind besser als ihr Ruf. Es gibt aber auch Fehler, die einmalig bleiben sollten. Denselben Fehler zweimal zu begehen, ist schon kein Fehler mehr, sondern eine Entscheidung. Wir haben sieben Fehler identifiziert, die Sie kein zweites Mal begehen sollten, um die eigene Reputation nicht zu ruinieren und sich selbst nicht zu schaden.

  1. Rat ignorieren

    Hätte Kronprinz Albert damals nicht auf den Rat seiner Frau Elisabeth gehört, wäre er wohl nie über die Türschwelle von Lionel Logue getreten. Hätten Stolz und Eitelkeit gesiegt, wäre er der unsichere Stotterer geblieben, der sich regelmäßig vor der ganzen Nation zum Gespött machte. So aber ließ sich Albert vom unkonventionellen Sprachtherapeuten Logue das Stottern austreiben, wurde Widerstandskönig George VI und posthum Filmheld in „The King’s Speech“. Die Moral der Geschichte ist natürlich nicht, jeden erstbesten Ratschlag bedenkenlos anzunehmen. Aber das Feedback intelligenter Menschen sollte man nicht in den Wind schießen, vor allem dann nicht, wenn sie sich auskennen.

  2. Strahlemännern auf den Leim gehen

    Sie haben sich den Staubsauger von diesem Verkaufsgenie an der Haustür andrehen lassen und das blöde Ding gibt nach zwei Monaten seinen Geist auf? Konsequenz: Sie kaufen keinen zweiten. Oder etwa doch? Manchmal wollen wir uns geradezu für dumm verkaufen lassen. Wer am lautesten schreit, wer am kräftigsten trommelt, hat die größten Erfolgsaussichten. Deshalb Obacht: Fallen Sie kein zweites Mal auf einen Charmeur oder Scharlatan herein. Eine gesunde Portion Skepsis bewahrt Sie vor bösen Überraschungen – und ist cleverer als blindes Vertrauen.

  3. Das Gleiche tun und ein anderes Ergebnis erwarten

    „Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“, hat Albert Einstein gesagt. Das ist klug, stimmt aber nicht immer. Beispiel Jobsuche: Die gleiche Bewerbung kann bei Unternehmen A floppen und bei Unternehmen B zünden. Der Kerngedanke aber ist richtig: Wenn Sie einen Weg gefunden haben, wie es nicht geht, machen Sie nicht einfach so weiter – mit dem Kopf durch die Wand. Das macht nur Kopfschmerzen. Klüger ist, wer Wege und Alternativen sucht. Es wäre ein Fehler, sich für unverbesserlich zu halten.

  4. Den Bestimmer spielen

    Macht macht sexy. Der Drang nach Einfluss und Anerkennung steckt in uns allen. Geben Sie sich aber nicht der Illusion hin, dass man Macht erzwingen könnte. Eigene Prinzipien verfolgen, andere von sich überzeugen wollen – ja. Künstlich den Macher und Macker spielen – nein. Wer andere führen und beeinflussen will, muss zunächst ihr Vertrauen und ihre Herzen gewinnen. Einfluss und Macht sind Folgen, nicht Ursache für Überzeugungskraft.

  5. Sofortige Belohnung erwarten

    Memo an alle Glücksritter da draußen: Erfolg kommt nicht über Nacht, Reichtum erst recht nicht. Jeder Euro, jedes Lob will dem Tag in Kleinarbeit abgerungen werden. Und auch mit harter Plackerei kommen längst nicht alle zu Ansehen und Wohlstand. Dennoch: Nur Idioten erwarten eine sofortige Belohnung für gute Leistungen. Für Menschen ohne Weitblick, die auf der Stelle reich werden wollen, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: im Lotto gewinnen oder den Weg in die Kriminalität. Unser Rat: Haben Sie Geduld. Qualität kommt von quälen – aber sie setzt sich durch. Langfristig.

  6. Anderen die Schuld geben

    Es gibt Momente, in denen Sie für Ihre missliche Lage gar nichts können, weil ihnen ein anderer in die Suppe gespuckt hat. Aber: In den meisten Fällen ist das nicht der Fall. Schuldzuweisungen bringen Sie selten weiter, Eigenverantwortung schon. Darüber hinaus gewinnen wir nur so die Handlungskontrolle zurück. Wem wir die Schuld geben, dem geben wir die Macht. Wer dagegen Verantwortung übernimmt, kann auch Fehler besser vermeiden – nicht nur die eigenen.

  7. Everybody’s darling sein wollen

    Es allen recht machen zu wollen, ist ein Zeichen von Schwäche, das von den anderen registriert wird. Die Sucht nach Anerkennung und Beliebtheit führt in die (geistige) Unabhängigkeit. Wer frei werden will, muss auch mal Aufgaben ablehnen, Gefälligkeiten nicht gewähren – oder schlicht: Nein sagen. Die anderen werden Sie trotzdem mögen. Falls nicht: deren Fehler!


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