Niederlagen bewältigen: Das schmerzhafte Gefühl zu scheitern
Eins vorneweg: Eine Niederlage schmerzt! Gerade hatten Sie noch Pläne, Träume und Visionen und mit einem Mal ist davon nichts mehr übrig – maximal ein Scherbenhaufen.
Es tut weh zu sehen, wie all das, wofür man hart gearbeitet hat, sich in Luft auflöst. Man wollte hoch hinaus – und stürzt nun abrupt auf den steinharten Boden.
Aber nicht nur das eigene Gefühl, gescheitert zu sein, macht eine Niederlage zu einer großen Belastung. Die Angst vor den Reaktionen der Umwelt, wie Mitleid, Missbilligung oder Spott, tut ihr Übriges dazu. Wer eine Niederlage erlebt, fürchtet dauerhaft den Stempel eines Versagers aufgedrückt zu bekommen. Diese Angst schürt Selbstzweifel und verleiht der Niederlage ein solches Gewicht, dass an ein Weitermachen kaum noch zu denken ist.
Ein Grund dafür ist die Leistungsgesellschaft, in der wir leben.
Menschen werden an ihren Erfolgen gemessen und für Misserfolge und Rückschläge verurteilt oder bemitleidet. Ein wichtiger Punkt bleibt dabei häufig unbeachtet: Niederlagen sind lehrreich und sie können die Basis für etwas Neues sein. Was allerdings dafür notwendig ist, ist ein konstruktiver Umgang mit Fehlschlägen.
Den Amerikanern fällt das bemerkenswerterweise leichter. Dort werden Niederlagen oftmals sportlich gesehen. Frei nach Malcom S. Forbes: „Der Sieg schmeckt am süßesten, wenn du die Niederlage kennst“.
Überhaupt sind Niederlagen gar nicht so schlimm, wie viele glauben.
Intensity-Bias: Niederlagen werden überschätzt
Geht es um die Einschätzung von künftigen Niederlagen und den damit verbundenen Gefühlen, werden viele Menschen zu ausgemachten Schwarzsehern. Zu diesem Ergebnis kam zum Beispiel ein holländisches Forscherteam. Die Wissenschaftler ließen die Teilnehmer in Paaren einen Test absolvieren und stellten bei guten Leistungen eine Belohnung in Aussicht.
Gleichzeitig fragten die Wissenschaftler eine Hälfte der Probanden, wie schlimm das Scheitern wäre und wie die Probanden sich dabei fühlen würden.
Anschließend wurde es besonders gemein: Egal, wie sie im Test abgeschnitten haben, wurde den Teilnehmern mitgeteilt, dass ihre Leistungen nicht gut genug waren und das sie und ihr Partner deshalb keine Belohnung erhalten können.
Mit diesem Scheitern und der damit verbundenen Schuld wurde die Frage erneut gestellt: Wie schlecht fühlten sich die Teilnehmer nun wirklich?
Resultat: Fast alle hatten ihre negativen Gefühle weit überschätzt. In Wahrheit fühlten sich alle weit weniger schlecht, als sie selbst anfangs noch vermutet hatten. Auch die Schuld, dass der Partner nicht in den Genuss der Belohnung kam, lastete nicht so schwer wie erwartet auf den Schultern.
Die Ursache für diese weit verbreitete falsche Einschätzung ist der sogenannte Intensity-Bias. Dieser beschreibt den Effekt, dass der Mensch sehr schlecht darin ist, zukünftige Emotionen korrekt einzuschätzen. Vielmehr überschätzen wir sowohl die Intensität als auch die Dauer des Gefühls.
Niederlagen bewältigen: Keine gute Führung ohne Niederlagen
Kennen Sie den Film „The Core“? Falls nicht: Kein Grund zur Sorge, er gehört nicht unbedingt zu den Sternstunden Hollywoods. Allerdings enthält der Streifen eine denkwürdige Szene, über die es sich nachzudenken lohnt.
In der besagten Einstellung unterhalten sich der erfahrene NASA-Pilot Robert Iverson (gespielt von Bruce Greenwood) und seine junge, äußerst ehrgeizige Co-Pilotin Rebecca Childs (gespielt von Hilary Swank) über die neue Mission, die Childs unbedingt befehligen will. Doch Iverson ist anderer Meinung:
RI: „Sie können üben, solange Sie wollen. Das macht Sie noch lange nicht zum Commander…“
RC: „…woran Sie mich ständig erinnern.“
RI: „Wissen Sie, ich bezweifle ja, dass Sie darauf hören werden, aber ich versuch’s trotzdem: Bei der Führung geht es nicht um Fähigkeiten, sondern vielmehr um Verantwortung.“
RC: [ironisch] „Verstanden, Sir.“
RI: „Nein, haben Sie nicht, Major! Man ist nicht nur verantwortlich für die richtigen Entscheidungen, sondern auch für die schlechten. Das gehört nun mal zum Geschäft. Man muss bereit sein, beschissene Entscheidungen zu treffen.“
RC: „Wie kommen Sie darauf, dass es bei mir anders sein könnte?“
RI: „Weil Sie so gut sind. Ihnen ist noch nichts begegnet, womit Sie nicht fertig geworden sind. […] Es ist so, dass Sie ans Siegen gewöhnt sind. Und man kann erst dann wirklich führen, wenn man mal verloren hat.“
Ein interessanter Gedanke. Ist gute Führung tatsächlich abhängig von Niederlagen? Und wenn ja, was macht diese in dem Fall so wertvoll?
Unsere These: Niederlagen sorgen dafür, dass Führungskräfte demütig werden vor dem Scheitern. Und verständnisvoller gegenüber der Imperfektion der Menschen im Allgemeinen und ihren Mitarbeitern im Besonderen. Überdies wissen sie so, dass es auch nach einer Fehlentscheidung weitergeht, was sie wiederum risikofreudiger macht. Wer dagegen (aus Gewohnheit) immer nur perfekt sein will, trifft gnadenlose oder kaum noch riskante Entscheidungen.
Niederlagen bewältigen: Lassen Sie negative Emotionen zu
Niederlagen fühlen sich am Anfang an, als würde man in ein Loch fallen: Sie haben sich lange auf etwas vorbereitet, Ihre gesamte Energie dafür aufgebracht und am Ende klappt es doch nicht. Das darauf folgende Tief kommt da wenig überraschend.
Viele Ratschläge folgen dann dem Motto: Das Leben geht weiter. Das stimmt natürlich, doch zunächst wollen wir Sie zu einer anderen Herangehensweise einladen. Lassen Sie all die negativen Emotionen zu!
Richtig gelesen, lassen Sie sich auf Wut, Trauer, Enttäuschung, Frustration und all die anderen Emotionen, die durch die Niederlage in Ihnen entstehen, ein.
Sind die ersten Emotionen im Rahmen von Freunden und Familie, die Sie auffangen können, verraucht, sollten Sie aktiv werden und die richtigen Schlüsse aus der Niederlage ziehen.
Oder kurz formuliert: Stellen Sie sich erst Ihren Emotionen, bevor Sie aus einer Niederlage lernen. Aber auch hierbei kommt es auf Ihr Vorgehen an. Achten Sie daher bitte unbedingt darauf, dass Sie…
- nach Ursachen und Gründen, nicht nach Schuldigen, suchen.
- die Situation möglichst objektiv analysieren und betrachten.
- auch Selbstvorwürfe und Selbstzweifel meiden.
- im ersten Schritt wirklich nur analysieren und nicht schon nach Lösungsansätzen suchen.
- nicht bei der Analyse stehenbleiben, sondern danach weitergehen.
Niederlagen bewältigen: Reden Sie es sich von der Seele
Reden hilft. Was der Volksmund schon lange weiß, ist inzwischen auch wissenschaftlich belegt. Egal, ob über Probleme im Projekt, Ärger daheim oder generellen Frust im Büro – die Aussprache erleichtert die Seele nicht nur, sie verbessert auch nachhaltig die Stimmung, wie Untersuchungen des Psychologen Matthew Lieberman von der Universität von Kalifornien in Los Angeles ergaben.
Sobald wir Bedrückendes benennen und uns darüber mit anderen austauschen, wird das Gehirn wesentlich stärker aktiviert als wenn wir über den Kummer nur grübeln. Das wiederum hat zur Folge, dass die negativen Emotionen schneller nachlassen sowie zügiger und besser verarbeitet werden.
Niederlagen bewältigen: So nutzen Sie Misserfolge
Wie so oft erwähnt, geht es nicht darum, wie oft man fällt, sondern darum, einmal öfter wieder aufzustehen. Lassen Sie sich von einer Niederlage niemals daran hindern, weiterzumachen, es erneut zu versuchen oder einen anderen Weg auszuprobieren.
Auch wenn es nicht leicht ist, gehören Rückschläge und Misserfolge zum Leben dazu. Diese lassen sich allerdings auch nutzen, um daraus zu lernen und einen erfolgreichen Neuanfang zu starten. Diese Tipps können Ihnen dabei helfen:
-
Gestehen Sie sich die Niederlage ein.
Es ist einer der schmerzhaftesten Schritte, sich bewusst zu machen, dass man gescheitert ist. Am liebsten würde man die Augen schließen und vergessen, dass es passiert ist. Dahinter stecken Stolz und Eitelkeit – und der Wunsch, das makellose Selbstbild aufrecht zu erhalten. Doch das Geschehene zu verleugnen, führt dazu, in der Situation stecken zu bleiben.
-
Sehen Sie die Niederlage als temporär.
Wer gescheitert ist, tendiert dazu, die Niederlage als Endstation wahrzunehmen. So wird aus der Niederlage das Hindernis, das einen davon abhält, weiterzumachen. Auch wenn es schwer fällt den Blick zu lösen, versuchen Sie den Fehlschlag in den Gesamtkontext einzuordnen. Denn dann wird daraus eine Station in Ihrem Leben. Es hilft den Blick in die Zukunft zu richten.
-
Seien Sie stolz auf Ihren Mut.
Das mag im ersten Moment komisch klingen. Doch fälschlicherweise schämen sich viele Menschen für Ihre Niederlagen. Oftmals völlig zu unrecht. Wer ein Risiko eingeht, läuft auch Gefahr zu scheitern. Viele Menschen lassen sich von ihrer Angst zu Versagen davon abhalten, überhaupt erst zu versuchen Ihre Ideen und Pläne in die Tat umzusetzen. „Ich würde gerne ein Buch schreiben“, „Ich würde gerne ein Unternehmen gründen“ und letztlich ist das Ende vom Lied „Doch was ist, wenn es nicht klappt?“ Sie sind dieses Risiko eingegangen und dazu gehört eine Menge Mut.
-
Halten Sie sich Ihre Stärken vor Augen.
Niederlagen bringen quälende Selbstzweifel mit sich. Um diese zu überwinden, sollten Sie sich auf Ihre Stärken besinnen. Nehmen Sie sich die Zeit und fangen Sie noch einmal ganz von vorne an. Was können Sie gut? Was begeistert Sie? Holen Sie sich dafür ruhig auch Feedback von den Menschen, die Sie gut kennen. In Ihren Stärken liegt die Basis für Ihre weitere Entwicklung.
-
Suchen Sie Inspirationsquellen.
Viele Menschen waren bereits an dem Punkt, an dem Sie jetzt stehen. Schöpfen Sie aus den Erfahrungen und Lebensläufen erfolgreicher Menschen Inspiration. Wie sind diese mit Rückschlägen umgegangen? Was waren ihre nächsten Schritte?
-
Setzen Sie sich neue Ziele.
Nach einer Niederlage geht es nicht nur darum, wieder aufzustehen, sondern auch kurz inne zu halten und sich zu fragen: Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Eine Niederlage kann auch ein Hinweis dafür sein, dass Sie einen Kurswechsel brauchen, dass Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn etwas ändern möchten. Suchen Sie sich ein neues Ziel, das Ihnen den Weg vorgibt. Ein neues Ziel weckt neuen Mut und neue Motivation.
-
Gehen Sie selbstbewusst ans Werk.
Lassen Sie die negativen Erfahrungen hinter sich und arbeiten Sie erneut an der Erreichung Ihrer Ziele. Versuchen Sie eine „Jetzt erst Recht“-Mentalität und Attitüde zu entwickeln. Machen Sie sich bewusst, dass Sie die Niederlage überstanden haben, gestärkt daraus hervorgegangen und bereit sind für neue Herausforderungen.
Niederlagen bewältigen: Möglichkeit eines Kurswechsels
Über eine ebenfalls mögliche Konsequenz von Niederlagen wird leider nur selten gesprochen, obwohl diese in vielen Fällen angebracht wäre: Niederlagen können Ihnen nicht nur als Lernanlass dienen, sie können auch ein Zeichen für einen notwendigen Kurswechsel darstellen.
Vielleicht ist der Karriereweg, den Sie sich so detailliert ausgemalt haben, eben doch nicht der richtige Ansatz für Sie?
Oft ist diese Erkenntnis nach einer Niederlage unbewusst vorhanden, dringt jedoch nie ins Bewusstsein vor, weil sich alles in Ihnen dagegen wehrt und Sie nicht bereit sind, sich mit dieser Option zu befassen.
Unsere Bitte: Ziehen Sie diese Möglichkeit zumindest in Betracht und prüfen Sie sie ernsthaft. Klar, Sie können auch auf dem Holzweg weitergehen und sich in eine Sackgasse verrennen – es wird Sie nur nicht weiterbringen.
Wenn Sie Niederlagen akzeptieren, die Gründe erfassen, Konsequenzen ziehen und dabei bereit sind, sich auch von Vorstellungen und Wünsche zu trennen, kann aus einem scheinbaren Desaster immer noch etwas Positives werden. Die Niederlage wird trotzdem schmerzen, doch Sie können sie dann für sich nutzen.
Diese Artikel finden andere Leser interessant: