Definition: Was ist kognitive Dissonanz?
Kognitive Dissonanz ist jener negative Gefühlszustand, der durch nicht vereinbare oder sich gegenseitig sogar ausschließende Wahrnehmungen (Kognitionen) ausgelöst wird. Dies können widersprüchliche Gefühle, Vorstellungen, Wünsche, Ziele, Einstellungen, Meinungen, Absichten oder Gedanken sein.
Wie kognitive Dissonanz aussehen kann, zeigt als Beispiel die Fabel vom Fuchs und den Trauben, die das Thema einfach und anschaulich auf den Punkt bringt:
Auf seiner Suche nach einer Köstlichkeit entdeckt der Fuchs einen Weinstock, an dessen Trauben er sich gerne gütlich tun würde. Doch was er auch tut, er kann die leckeren Früchte einfach nicht erreichen, weil diese zu hoch für ihn hängen. Als Reaktion rümpft er die Nase, verkündet lauthals, dass die Trauben ohnehin sauer seien und deshalb nicht schmecken würden und macht sich auf seinen Weg zurück in den Wald.
Die kognitive Dissonanz entsteht hier durch die klaffende Lücke zwischen dem Wunsch, die Trauben zu essen, und der Realität, diese einfach nicht erreichen zu können. Ein häufiger Auslöser für kognitive Dissonanzen ist auch ein Widerspruch zum eigenen Selbstbild.
Der Mensch sieht sich gerne als rationales und logisch handelndes Wesen. Stellen die eigenen Handlungen oder Entscheidungen dieses Bild in Frage oder scheinen im Widerspruch dazuzustehen, weil sie eben nicht logisch begründet werden können, wird geradewegs auf den negativen Gefühlszustand zugesteuert, der kaum erträglich ist.
Zusätzlich gibt es weitere Möglichkeiten, wann kognitive Dissonanz auftreten kann:
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Entscheidungen stellen sich als Fehler heraus
Je größer die Entscheidung, desto schwieriger fällt es den meisten, diese zu treffen. Da gehen dann gut und gerne Wochen oder gar Monate vorbei, bevor letzten Endes wirklich eine Wahl feststeht. Stellt sich dann heraus, dass diese falsch war oder andere Alternativen ein viel besseres Ergebnis geboten hätten, entsteht kognitive Dissonanz.
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Eingeschlagene Wege entpuppen sich schwerer als erwartet
Ein Studium oder eine Ausbildung, die Jobsuche, der Weg in die Selbstständigkeit oder private Vorhaben wie beispielsweise mehr Sport und ein gesünderer Lebensstil – zu Beginn haben wir eine sehr genaue Vorstellung davon, was auf uns zukommt. Nur mit der Realität hat diese oft nichts zu tun. Kognitive Dissonanz kann das Ergebnis sein, wenn Vorstellung und tatsächlich benötigter Aufwand weit auseinander liegen.
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Erwartungen werden nicht erfüllt
Auch einen Schritt weiter kann es zu kognitiver Dissonanz kommen: Wer sein Bestes gibt, sich voll ins Zeug legt und mit Motivation bei der Sache ist, verspricht sich entsprechend viel und hat hohe Erwartungen. Den ganzen Monat diszipliniert zum Sport gehen, die Ernährung umstellen, auf Ungesundes verzichten… Zeigt die Waage dann nach einem Monat nur 100 Gramm weniger an, fällt es schwer, diese gegensätzlichen Wahrnehmungen zusammen zu bringen.
Aus einer solchen kognitiven Dissonanz entsteht ein Störgefühl und der dringende Wunsch, dieses zu beheben. Die Folgen: Es beginnt ein inneres Ringen und ein Rechtfertigungskampf mit uns selbst. Wir wollen die negative Spannung, die durch die kognitive Dissonanz entsteht, auflösen und unser das eigene Verhalten rechtfertigen. Vor anderen, vor allem aber auch vor uns selbst.
Um das zu erreichen, sind wir bereit, zu lügen, dass sich die Balken – und die Wahrheit – biegen.
Alltägliche Beispiele für kognitive Dissonanz
Kognitive Dissonanzen kommen viel häufiger vor, als Sie vermutlich glauben. In zahlreichen alltäglichen Situationen treffen gegensätzliche Wahrnehmungen aufeinander, machen es schwer, ein einheitliches Bild zu finden und sorgen für Unmut. Da dies meist vollkommen unbewusst passiert, bekommen Sie gar nicht mit, wie sich häufig sich kognitive Dissonanzen auftun. Bisher ist es Ihnen noch nicht klar geworden, doch erkennen Sie sich sicher in einigen klassischen Beispielen für kognitive Dissonanz aus dem Alltag wieder.
Kaufentscheidungen sind häufige Auslöser für kognitive Dissonanzen. Sie sind auf der Suche nach einem neuen Fernsehen, schauen sich Modelle an und entscheiden sich irgendwann. Die alte Flimmerkiste fliegt raus, die neue wird angeschlossen – und dann erfahren Sie, dass genau dieser neue Fernseher als völlig überteuer und weit unterdurchschnittlich gilt. Statt einen Fehlkauf einzugestehen, werden Sie Ihre Entscheidung vor sich und anderen rechtfertigen.
Ein weiteres Beispiel ist die Einschätzung von anderen Menschen. Sie erfahren etwas sehr negatives oder gar schockierendes über einen Kollegen, das vollkommen im Widerspruch zu dem sehr positiven Bild steht, das Sie bisher von ihm hatten.
Besonders unangenehm ist die kognitive Dissonanz, die am eigenen Selbstbild kratzt. Etwa wenn Sie sich vornehmen, mehr auf Ihre Gesundheit zu achten, gesünder zu essen und mehr Sport zu treiben. Wenn das – was aufgrund fehlender Disziplin leider häufig vorkommt – nicht klappt, entsteht eine Kluft zwischen dem positiven Selbstbild und der Realität.
Kognitive Dissonanz überwinden: Die typischen Vorgehensweisen
Es ist schwer bis unmöglich, eine kognitive Dissonanz zu ertragen. Das damit verbundene negative Gefühl ist nicht nur störend, sondern regelrecht zerreißend. Also muss eine Lösung her, um die unterschiedlichen Wahrnehmungen irgendwie zusammenzubringen.
Die gute Nachricht: Kognitive Dissonanz lässt sich durchaus reduzieren und überwinden. Der Wermutstropfen: Die häufigsten Wege sind leider nicht wirklich sinnvoll und zählen eher zur Kategorie Selbstbetrug und Pippi Langstrumpf à la Ich mach mir die Welt…
Wer sich jedoch darauf einlässt und die Reduktion der kognitiven Dissonanz möglichst bewusst steuert, kann aber auch einen sinnvollen Weg aus dem Störgefühl finden. Wir stellen die verschiedenen Möglichkeiten vor, die helfen können, kognitive Dissonanzen zu überwinden:
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Selektive Wahrnehmung
Was nicht passt, wird passend gemacht. Das gilt auch für jene Informationen, die einfach nicht zur eigenen Wahrnehmung passen wollen. Fakten und Daten, die der eigenen Ansicht und Wahrnehmung widersprechen, werden kurzerhand geleugnet, ausgeblendet oder ignoriert.
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Selektive Beschaffung
Noch einen Schritt über die selektive Wahrnehmung hinaus geht die selektive Beschaffung von Informationen. Hier wird eine Art Filterblase geschaffen, so dass erst gar keine ungewollten und widersprüchlichen Informationen mitbekommen werden.
Dies kann zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass bestimmte Medien konsumiert oder andere Quellen gezielt gemieden werden. So wird beispielsweise ein starker Raucher keine Arztmagazine lesen, die auf die Gefahren für Lunge und Gesundheit hinweisen.
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Schuldzuweisungen
Eine beliebte Strategie gegen kognitive Dissonanz ist es auch, die Schuld für den eigenen Zustand bei jemand anderem zu suchen. Dies geschieht meist in der Form, dass eigene Handlungen oder Entscheidungen als unverschuldet hingestellt werden. Motto: Ich hatte keine Wahl…
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Fadenscheinige Rechtfertigung
Diese Strategie zur Reduktion lässt sich in der obigen Fabel vom Fuchs und den Trauben in Reinform betrachten: Es werden irgendwelche Rechtfertigungen gefunden, um sich selbst besser zu fühlen. Es wird groß getönt, bis es alle mitbekommen und auch man schließlich auch selbst überzeugt ist.
Mit der Wahrheit wird es bei diesen Rechtfertigungen allerdings überhaupt nicht genau genommen. Es werden Fakten und auch die eigene Einstellung verdreht, bis die kognitive Dissonanz überwunden wird und die Wahrnehmungen wieder zusammen passen.
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Verhaltensänderungen
Die beste Reaktion ist ein reflektiertes Verhalten. Allerdings ist dieses auch mit Abstand das schwierigste Handeln, da es auch Kritik an den eigenen Entscheidungen und Handlungen beinhaltet und es nötig ist, sich selbst und auch anderen die eigenen Fehler einzugestehen.
Gelingt dies, kann die kognitive Dissonanz sinnvoll reduziert werden, ohne sich selbst zu belügen. Stattdessen wird für die Zukunft wirklich etwas gelernt – wovon dann langfristig profitiert werden kann. Um noch ein letztes Mal den Fuchs zu bemühen: Dieser könnte sein eigenes Verhalten anpassen, eine Lösung für das Problem finden oder so lange trainieren, bis er die Trauben erreichen kann.
Leider muss jedoch festgestellt werden, dass der letzte Weg – wenn auch die beste Alternative – die große Ausnahme bleibt. Stattdessen wird gelogen, gerechtfertigt und der eigene Standpunkt verdreht, bis sich die kognitive Dissonanz auflöst.
Das Ganze zeigt sich regelmäßig in Beruf oder Privatleben. Wer sich selbst für einen effektiven und professionellen Mitarbeiter hält, erfährt kognitive Dissonanz, wenn ein Kunde nicht zufrieden ist. Dies könnte genutzt werden, um die eigene Arbeit zu hinterfragen – stattdessen wird aber von einem schwierigen Kunden gesprochen, um eine Rechtfertigung zu finden und sich selbst aus der Affäre zu ziehen.
Die Gefahren, wenn Sie kognitiven Dissonanzen vorbeugen wollen
In einigen Situationen ahnen wir voraus, dass das eigene Selbstbild erschüttert werden könnte. Um kognitive Dissonanzen in einem solchen Fall zu verhindern, werden präventiv bereits Rechtfertigungen oder Ausreden zurechtgelegt, auf die man sich später stützen kann. Dies lässt sich beispielsweise vor wichtigen Prüfungen, Vorträgen oder auch Vorstellungsgesprächen beobachten.
Hier heißt es dann bereits im Vorfeld Ich bin nicht so gut vorbereitet… oder Irgendwie habe ich kein gutes Gefühl, um widersprüchlichen Wahrnehmungen vorzubeugen und gleich eine vorgefertigte Erklärung zu haben, bei der das eigene Selbstbild erhalten bleiben kann. Teilweise entstehen sogar körperliche Symptome, wie Übelkeit, starke Nervosität
Besonders gefährlich wird es, wenn der mögliche Erfolg selbst sabotiert wird, um kognitiver Dissonanz vorzubeugen. Die Selbstsabotage geht soweit, dass unbewusst die eigene Vorbereitung verändert wird, um sich das eigene Scheitern nicht eingestehen zu müssen. Betroffene gehen viel zu spät ins Bett und sind am nächsten Tag übermüdet und unkonzentriert – überwinden die kognitive Dissonanz jedoch, weil Sie das Versagen in der Prüfung oder die Absage im Vorstellungsgespräch mit der vorbereiteten Ausrede rechtfertigen.