Definition: Was ist Selbstsabotage?
Selbstsabotage bedeutet, seine eigenen Ziele, Chancen oder Bedürfnisse – bewusst oder unbewusst – zu behindern oder gar zu bekämpfen. Wer sich selbst sabotiert, steht damit seinem Erfolg im Weg und wird im Extrem sein schlimmster Feind und innerer Kritiker. Häufig ist das ein Zeichen dafür, dass wir mit unserem Leben unzufrieden sind.
Wird Selbstsabotage zur Gewohnheit, können daraus Versagensängste entstehen. Betroffene haben panische Angst vor Misserfolgen und vermeiden jedes Risiko. Bestenfalls tritt man nur noch auf der Stelle. Nicht selten aber handeln Selbstsaboteure zerstörerisch: Sie bürden sich Aufgaben auf, von denen sie wissen, dass sie damit scheitern – was sie in ihrer gefühlten Minderwertigkeit und Chancenlosigkeit nur bestätigt.
Aus solchen neurotischen Verhaltensmustern finden Betroffene ohne fremde und professionelle Hilfe meist kaum heraus. Teils münden sie in einer Depression, die dann von Psychologen oder Therapeuten behandelt werden muss.
Ursachen: Wie entsteht Selbstsabotage?
Die Gründe, warum sich manche selbst sabotieren, boykottieren und blockieren, können unterschiedlich sein. Die häufigsten Selbstsabotage Ursachen sind:
- Starke Selbstzweifel
Geringes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl - Unsicherheit und Ängste
Bindungsangst, Verlustangst, Versagensangst, Angst vor Ablehnung - Negatives Selbstbild & Glaubenssätze
„Ich schaffe das sowieso nicht“, „Ich bin nicht gut genug“ - Überhöhte Ansprüche
Perfektionismus, unrealistische Erwartungen
Aus den genannten Faktoren entsteht oft ein sich selbst verstärkender Teufelskreis: Aus dem mangelnden Selbstwertgefühl wird ein negatives Selbstbild. Um das zu bestätigen, manipulieren sich Betroffene und provozieren so das eigene Versagen. Die Selbstbehinderung (auch: Selbstmanipulation) führt in das eigene Scheitern.
Bei der Selbstsabotage handelt es sich um ein erlerntes Verhalten. Was gut ist! Denn was man gelernt hat, kann man ebenso wieder verlernen und durch neue Gewohnheiten und mehr Selbstbewusstsein ersetzen.
Traumatische Erfahrungen und Erwartungen
Einige Forscher führen Selbstsabotage auf ungelöste Kindheitserfahrungen und -probleme zurück. Andere vermuten als Ursachen übersteigerte Erwartungen an sich selbst. Zwar wären wir alle gerne Helden der eigenen Lebensgeschichte. Doch werden sie dann mit den eigenen Schwächen und gelegentlichem Versagen konfrontiert, erkennen sie den imperfekten Normalo in sich…
Diese negativen Erfahrungen und Emotionen können schließlich erhebliche Selbstzweifel nähren. Je länger diese andauern, desto negativer wird das Selbstbild. Eine Abwärtsspirale aus Selbstkritik und selbsterfüllenden Prophezeiungen entsteht. Wie bei einem Fußballer, der zwei Mal einen Elfmeter vergeigt und nun gar kein Tor mehr trifft…
Selbstsabotage Symptome: Woran erkennen?
Wer unter Selbstsabotage leidet und seinem Gelingen ständig entgegen arbeitet, kann dies leicht an „selbstschädigendem Verhalten“ erkennen, wie es Psychologen nennen. Typische Symptome dafür sind:
- Fehlender Glaube an sich selbst
- Zweifel an den eigenen Fähigkeiten
- Übermäßige und unbegründete Selbstkritik
- Die Überzeugung, es nicht verdient zu haben
- Perfektionismus als Ausrede
- Häufiges Aufschieben von Entscheidungen oder Aufgaben
- Nicht Nein sagen können
- Eigene Bedürfnisse ignorieren
- Eigene Schwächen betonen
- Auf vergangene Misserfolge fokussieren
- Wohlwollenden Mentoren oder Ratgebern misstrauen
- Sabotage hilfreicher Beziehungen
Test: Sabotiere ich mich selbst?
Wie lässt sich Selbstsabotage erkennen? Zu den häufigsten selbstsabotierenden Verhaltensmustern gehören zum Beispiel häufiges Grübeln und Aufschieben von Entscheidungen, Perfektionismus und Ausreden erfinden, die Unfähigkeit Prioritäten zu setzen, Zweifel oder Negativaussagen über sich selbst. Extremere Formen sind übermäßiger Alkohol- oder Drogenkonsum sowie Selbstverletzung (z.B. Ritzen).
Sie können hier einen Selbstsabotage Test absolvieren. Der erhebt zwar keinerlei medizinisch-wissenschaftlichen Anspruch, liefert aber erste Anhaltspunkte und dient zur Orientierung, ob Sie sich womöglich selbst sabotieren. Zum Test einfach zutreffende Aussagen online abhaken und die Anzahl der Häkchen zusammenzählen…
- Ich setze mir oft sehr hohe Ziele.
- Wenn ich etwas mache – dann gebe ich 120 Prozent.
- Ich bin noch nicht bereit und muss erst mehr lernen.
- Ich schiebe lästige Aufgaben gerne vor mir her.
- Meine eigenen Bedürfnisse sind nicht so wichtig.
- Ich kann schlecht Nein sagen.
- Ich verurteile mich hart, wenn ich mal wieder versage.
- Es fällt mir schwer, durch- und Disziplin zu halten.
- Geht etwas schief, suche ich die Schuld gerne bei anderen.
- Ich glaube nicht, dass aus mir noch was Großes wird.
- Wichtige Entscheidungen treffe ich nur schwer.
- Veränderungen gegenüber bin ich meist skeptisch.
- Ich habe Angst davor, Risiken einzugehen.
- In Beziehungen erlebe ich immer wieder dieselben Konflikte.
- Meinen Alltag kann ich nur schwer strukturieren.
Selbstsabotage Test – Auswertung
0-4 Zustimmungen
Kein Grund zur Sorge. Sie sind vielleicht selbstkritisch, aber von Selbstsabotage noch meilenweit entfernt. Ihre Lebenseinstellung ist in Balance und auch das Verhalten völlig normal. Weiter so!
5-9 Zustimmungen
In diesem Bereich reden wir von unbewusster Selbstsabotage. Selbstzweifel schmälern das Selbstvertrauen und entmutigen Sie oder halten Sie in der Komfortzone fest. Übernehmen Sie mehr Verantwortung und stellen Sie sich Ihren Ängsten – bewusst! Wagen Sie kleine Schritte und notieren Sie, was passiert. Indem Sie Ihre Teilerfolge aufschreiben, richten Sie Ihren Fokus neu aus – auf die positiven Seiten und Stärken.
10-15 Zustimmungen
Warum vertrauen Sie sich so wenig? Beenden Sie die Selbstsabotage, indem Sie gnädiger und geduldiger mit sich werden. Nehmen Sie Niederlagen gelassener hin und lernen Sie, die Vergangenheit loszulassen. Kurzfristige und kleine Erfolge stärken wieder Ihre Selbstwertgefühl und die Selbstliebe.
Selbstsabotage Beispiele: Beziehung, Job, Körper
Selbstsabotage beginnt oft damit, dass wir in einer Situation verharren, in der wir längst unglücklich sind. Die Unzufriedenheit spüren wir immer deutlicher – tun aber nichts dagegen. Beispiele:
- Der Job macht uns spürbar krank. Einen Jobwechsel planen wir aber nicht.
- Die Beziehung hat keine Basis mehr. Trotzdem führen wir sie weiter.
- Das Studium entspricht überhaupt nicht unseren Neigungen und Talenten. Aber wir ziehen es durch.
- Der Ort, an dem wir leben, beengt uns. Die Weite und Ferne suchen wir aber nicht.
- Wir hätten gerne eine Bikini-Figur. Mehr Sport und Diäten scheuen wir aber.
Selbstsaboteure verhalten sich so, als würden sie durch flüssigen Zement stapfen. Jede mögliche Lösung wird solange durchkreuzt oder vereitelt, bis die Saboteure wirklich scheitern. Das wirkt dann fast wie ein Erfolgserlebnis: „War doch klar, oder?! Mir gelingt nie was!“
Die Autorin Petra Bock hat darüber ein Buch geschrieben („Mindfuck: Warum wir uns selbst sabotieren“) und sagt: „Viele fragen sich, was alles Furchtbares passieren kann und gehen vorauseilend in eine Art Schutz- und Schonhaltung. Selbst gut ausgebildete Menschen trauen sich dann nicht, eine neue berufliche Herausforderung anzugehen, weil sie Angst haben, es könnte schief gehen.“
Achten Sie auf Ihre Gedanken und Worte!
Unsere Worte und Gedanken sind die stärksten Waffen der Selbstsabotage und wenn wir uns selbst im Weg stehen. Dabei sind zwei Faktoren entscheidend: WAS wir sagen – und WIE wir es sagen.
Je nachdem, wie wir solche Glaubenssätze und Affirmationen nutzen, können uns diese den Weg ebnen – oder Steine darauf verteilen. Insbesondere negative Glaubenssätze, wie: „Ich kann das nicht“, „Ich bin falsch“, „Niemand mag mich“ können zu Stolperfallen werden – ohne dass Sie es sofort merken.
Selbstsabotage Psychologie: Angst vor dem Erfolg
Es gibt tatsächlich so etwas wie die Angst vor dem eigenen Erfolg. Fachbegriff: Methatesiophobie. Der Mechanismus dahinter: Wer Erfolg hat, wird beklatscht und beachtet, steigt auf. Zugleich setzt es aber unter Druck: Mit jedem Triumph steigen die Ansprüche an sich und von außen. Wie lange wird man dem standhalten können? Kommen vielleicht die Schattenseiten ans Licht? Der Erfolg legt einen womöglich fest – auf ein Thema, eine Rolle…
Je höher einer aufsteigt, desto tiefer kann er oder sie fallen. Und desto einsamer wird es. Die Betroffenen spüren: Es ist härter an der Spitze zu bleiben, als dorthin zu kommen. Entsprechend vermeiden sie den Erfolg bereits im Ansatz. Typisch Selbstsabotage!
Wie kann ich meine Selbstsabotage überwinden?
Selbstsabotage betrifft häufig Menschen, die es besser wissen müssten: die Selbstreflektierten, die stetig an sich arbeiten, die sensiblen Kreativen, die Empathischen und emotional Intelligenten.
Weil sie sich und ihre Umwelt so bewusst wahrnehmen, gehen sie mit sich und ihren Defiziten besonders hart und ins Gericht – strenger als jeder andere. Das kleine Malheur wird zum Super-GAU, zum peinlichen Desaster, das ihnen selbst noch zwei schlaflose Nächte beschert, obwohl es längst keinen mehr schert. Wie Sie diese Selbstsabotage beenden? In drei einfachen Schritten…
1. Selbsterkenntnis gewinnen
Der erste Schritt ist mit Lektüre dieses Artikels schon gemacht: Selbsterkenntnis. Wer seinen inneren Schweinehund und negativen Einflüsterer kennt, geht diesem seltener auf den Leim. Gefahr erkannt – Gefahr gebannt! Es kann tatsächlich so einfach sein – ist aber auch nur der Anfang.
2. Selbstvertrauen stärken
Machen Sie sich im zweiten Schritt bewusst: Ängste und Ungewissheiten gehören zum Leben dazu. Sie sind sogar ein gutes Zeichen – dafür, dass Sie sich weiterentwickeln, Neues wagen oder ausprobieren. Und das ist eine Stärke! Wer wagt, kann verlieren; wer nichts wagt, hat schon verloren… Glauben Sie an sich und stärken Sie Ihr Selbstvertrauen, indem Sie auf bisherige Erfolge fokussieren.
3. Erfolge aufschreiben
Fokussieren Sie sich mehr auf Ihre Erfolge – und weniger auf die Defizite. Unsere Empfehlung: Schreiben Sie täglich ein Erfolgstagebuch, in dem Sie alle Errungenschaften und Erfolgsgeschichten festhalten. Auch die ganz kleinen: Worin sind Sie gut? Was haben Sie bereits geschafft? Kommen dann wieder die Selbstzweifel stöbern und lesen Sie in dem Tagebuch.
4. Vergleiche stoppen
Hören Sie auf, sich mit anderen zu vergleichen. Vergleiche sind ein sicherer Weg zu Frustration und Demotivation. Es gibt immer Menschen, die besser sind oder mehr Erfolg haben. Das macht Sie aber nicht weniger wertvoll! Konzentrieren Sie sich vielmehr auf die eigenen Stärken und Ziele – und machen Sie Ihr Ding!
5. Selbstvergebung üben
Vertrauen und Vergebung sind Schwestern. Um das Selbstvertrauen zu stärken, müssen Sie sich zugleich eigene Fehler und Schwächen vergeben. Sie sind nicht perfekt – na und?! Wer ist das schon? Mit der Alles-Oder-Nichts-Attitüde hemmen Sie sich nur wieder selbst und können sich nicht mal mehr an Erreichtem freuen.
6. Erwartungen senken
Perfektionismus können sich allenfalls Götter leisten. Wer dagegen permanent zu hohe Erwartungen an sich stellt, sabotiert sein Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Erlauben Sie sich, auch mit 80 Prozent zufrieden zu sein, nicht nur mit dem Maximum oder Optimum. Je realistischer und sachlicher Sie die Dinge anpacken, desto mehr wird Ihnen auch gelingen.
7. Teilschritte machen
Kleine Schritte sind besser als keine Schritte. Wenn Sie also Ihre Selbstsabotage stoppen wollen, definieren Sie hierfür Meilensteine oder Teilschritte – und freuen Sie sich über jeden kleinen Fortschritt. Die Erfolgserlebnisse zeigen Ihnen, dass Sie auf dem richtigen Weg sind – und nur das zählt.
Auch wenn es manchmal ehrlich ist, sein schärfster Kritiker zu sein: Selbstsabotage ist es nicht! Sie sollten vielmehr Ihr bester Freund sein. Und der macht andere nicht fertig, sondern fordert uns manchmal heraus, überfordert uns aber nie und stellt auch keine unrealistischen Erwartungen. Ein guter Freund ist vor allem da, wenn man ihn braucht – ganz ohne Vorbehalt…
Häufige Fragen zur Selbstsabotage + Interview
Selbstsabotage ist ein zerstörerisches Verhalten, bei dem Menschen sich selbst zum Scheitern bringen und eigenen Zielen entgegenwirken – bewusst oder unbewusst. Ursache dafür sind häufig Minderwertigkeitsgefühle, negative Glaubenssätze sowie gelernte Verhaltensmuster aus denen wiederum Versagensangste resultieren.
Selbstsabotage hat ihre Ursachen und Auslöser oft in negativen (Kindheits-)Erfahrungen und der Überzeugung, nicht gut genug zu sein. So entsteht ein Teufelskreis aus erwartetem Versagen und dem tatsächlichen Scheitern. Selbstsaboteure durchkreuzen ihre eigenen Pläne, um sich in ihrem negativen Selbstbild zu bestätigen.
Mangelndes Selbstwertgefühl, Unsicherheit und zu wenige Erfahrungen sorgen dafür, dass Menschen ihre Beziehung sabotieren. Vor allem junge Menschen verhalten sich so – auch weil sie Angst vor einem 100-prozentigen Engagement haben.
Gelerntes Verhalten lässt sich ebenso wieder verlernen und gegen bessere Gewohnheiten ersetzen. Beginnen Sie damit, sich zu hinterfragen: Warum glauben Sie nicht an den eigenen Erfolg? Was hält Sie wirklich davon ab? Anschließend sollten Sie sich auf positive Ziele und vorhandene Stärken konzentrieren. Schreiben Sie Ihre Erfolge in einem Tagebuch auf. Nebeneffekt: So können Sie immer wieder nachlesen, wie gut Sie tatsächlich sind!
Wir haben mit der Tübinger Fachärztin für Psychosomatik, Michaela Muthig, ein Hintergrundgespräch über die Ursachen der Selbstsabotage geführt. Hier die ausführliche Fassung:
Frau Muthig, warum ist Selbstsabotage so gefährlich?
Weil sie eine der Hauptursachen dafür ist, warum wir unsere Ziele nicht erreichen. Als Konsequenz sinkt unser Selbstvertrauen. Nun fürchten wir erst recht Misserfolge – und gerade diese Versagensängste führen dazu, dass wir uns noch mehr blockieren. Aus dieser Falle kommen wir nur schwer wieder heraus. Ein geringes Selbstwertgefühl ist oft ein wesentlicher Auslöser für Selbstsabotage.
Ein klassischer Teufelskreis und Selbstverstärker.
Genau. So denkt unser innerer Saboteur. Wenn wir einen geringen Selbstwert haben, trauen wir uns nicht zu, eine Aufgabe zu bewältigen. Wir suchen daher schon im Vorfeld nach Erklärungen, damit wir über ein Scheitern besser hinweg kommen. Es gibt sogar Menschen, die lieber einen Burnout in Kauf nehmen, als zu kündigen. Dahinter stecken oft Versagensängste.
Das ist aber nicht die einzige Ursache?
Nein. Nicht wenige sabotieren sich auch, weil sie in einem Interessenskonflikt stecken.
Weil sie sich nicht entscheiden können?
Ja. So eine Entscheidung zwischen zwei Alternativen kennt jeder. Meist schaffen wir das gut. Aber manchmal steht dabei viel auf dem Spiel. Etwa, wenn es um existentielle Entscheidungen geht. Dann stecken wir fest und können partout keine Entscheidung treffen.
Und dann?
Dann versuchen wir unbewusst diesen Konflikt zu lösen, indem wir dafür sorgen, dass eine der beiden Alternativen nicht mehr möglich ist. Zum Beispiel indem wir eine Frist verpassen oder plötzlich krank werden und dadurch eine Option wegfällt.
Selbstsabotage als indirekte Lösung?
Es ist zwar leichter, eine Entscheidung zu treffen, wenn man nur eine Option zur Auswahl hat. Aber eigentlich würde ich mich lieber zwischen mehreren Möglichkeiten entscheiden können, als nur noch eine einzige zur Verfügung zu haben. Zumal diese eine verbleibende nicht zwingend die beste Wahl sein muss. Manchmal führt diese Option auch in eine Sackgasse.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Angenommen, Sie sind in Ihrem aktuellen Beruf nicht zufrieden und haben nun die Möglichkeit, zu wechseln. Für den neuen Job spricht viel. Gleichzeitig haben Sie im alten Job die Sicherheit und Vertrautheit. Um diesen Konflikt zu lösen, werden Sie krank und entwickeln chronische Schmerzen. Die Option eines Jobwechsels besteht nun nicht mehr. Aber wenn sich nun die Arbeitsbedingungen verschlechtern, müssen Sie bleiben. Unter Stress nehmen die chronischen Schmerzen zu. Einen Jobwechsel können Sie sich noch weniger vorstellen. Bleibt nur noch der Weg in die Frührente – bei deutlichen finanziellen Einbußen.
Kein schönes Szenario.
Sie sagen es. Daher ist es so wichtig, selbst und aktiv eine Entscheidung zu treffen und diese nicht dem inneren Saboteur zu überlassen.
Was macht es so schwer, sich zu entscheiden?
Das liegt vor allem daran, dass uns diese inneren Konflikte oft nicht bewusst sind.
Inwiefern?
Nehmen wir zum Beispiel den Sohn eines Anwalts, der Gitarrenbauer werden will. Der Vater wünscht sich insgeheim, dass der Junge die Nachfolge der Kanzlei antritt. Schon befindet sich der Sohn in einem Interessenkonflikt, den er nicht einmal genau benennen kann. Er hat nur ein vages Gefühl, wenn er an seine Zukunft denkt. Da der Vater seinen Wunsch nicht offen ausspricht, kann der Sohn nicht einschätzen, warum er sich bezüglich seiner beruflichen Zukunft so unwohl fühlt. Das macht es aber schwer, eine Entscheidung zu treffen, wenn nicht alle Karten klar auf dem Tisch liegen.
Spielt die Familie häufig eine so große Rolle – oder machen wir es uns da nicht zu einfach, die Schuld bei anderen zu suchen?
Es geht mir gar nicht darum, jemandem den schwarzen Peter zuzuspielen. Vielmehr geht es um mehr Verständnis: Es ist tatsächlich so, dass manche familiäre Verstrickungen dazu führen, dass wir unseren eigenen Erfolg behindern. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Klassenneurose.
Die müssen Sie erklären.
Die Klassenneurose bedeutet, dass sich bestimmte, meist angepasste Kinder damit schwer tun, die Eltern in Bezug auf Status, beruflichen Erfolg oder Vermögen zu übertreffen. Sie haben als Kind vermittelt bekommen, dass es besser ist, in der sozialen Klasse zu bleiben, in die sie hineingeboren wurden. Zum Beispiel durch Sprüche wie „Schuster, bleib bei deinem Leisten.“ Manchmal gibt es auch die implizit vermittelte Botschaft: „Ich als Mutter/Vater kann das sowieso besser.“ Das macht es dem Kind schwer, aus diesen Grenzen auszubrechen und beruflich erfolgreich zu sein. Menschen mit Klassenneurose bleiben daher meist unter ihren Möglichkeiten. Sie scheitern wiederholt in Prüfungen oder treffen falsche Karriereentscheidungen.
Und was lässt sich dagegen tun?
Der wichtigste Schritt ist, sich bewusst darüber zu werden, welche Faktoren uns beeinflussen – seien es eigene Bedürfnisse und Ängste oder Erwartungen von außen. Je mehr Klarheit wir darüber haben, in welchem Spannungsfeld wir uns befinden und welche Kräfte auf uns wirken, desto besser können wir eine bewusste Entscheidung treffen. Manchmal brauchen wir dafür allerdings Hilfe von außen. Menschen, die uns darin bestärken und ermutigen, die Erwartungen anderer einmal nicht zu erfüllen. Bei sehr starken familiären Bindungen ist manchmal auch eine Psychotherapie nötig.
Was würden Sie jenen raten, die nicht gleich eine Therapie benötigen?
Schauen Sie bei einem Misserfolg genau hin, welche Faktoren dazu beigetragen haben und welche Rolle Sie dabei gespielt haben! Versuchen Sie die Vorteile an Ihrem Scheitern zu finden. Gäbe es diese nicht, so wäre es unnötig gewesen, sich selbst zu sabotieren. Fragen Sie sich auch, welche inneren Konflikte es geben könnte, die zur Selbstsabotage geführt haben und erstellen Sie eine Pro-Kontra-Liste mit allen möglichen Vor- und Nachteilen. Das kann helfen, eine Entscheidung zu treffen, ohne dass der innere Saboteur dies übernehmen muss.
Frau Muthig, Danke für das Gespräch.