Ursachen: Warum grübeln wir?
Grübeln und Fragen im Kopf durchzuspielen, ist etwas völlig Normales. Laut Definition bedeutet „Grübeln“, dass wir lange und intensiv über etwas nachdenken. Immer wieder. Solche Gedanken lassen sich nie vollkommen unterdrücken oder stoppen. Das kann das wiederholte Suchen nach einer Lösung sein. Oder das Brüten über und sich Beschäftigen mit künftigen Entwicklungen. Sind diese Gedanken eher bedrohlich, machen wir uns Sorgen.
Tatsächlich sind es oft intelligente Menschen, die zum Grübeln neigen. Sie reflektieren mehr und sind besonders selbstkritisch. Problematisch wird es dann, wenn das Grübeln chronisch und belastend wird. Wenn das Abwägen, Sinnieren, Drehen und Wenden irgendwann in ein abwertendes Gedankenkarussell mündet. Dann fokussieren sich die Betroffenen nur noch auf abstrakte Szenarien, auf Ängste, Defizite, Fehler und negative Gefühle. Das unterscheidet Grübeln schließlich von lösungs- und handlungsorientiertem Denken, das eher auf die Zukunft gerichtet und konkret ist. Typische Themen sind:
- Existenzängste
- Beziehungskonflikte
- Kindheit und Eltern
- Zukunftssorgen
- Selbstbild und Wirkung
- Selbstwertgefühle
- Sinnfragen
- Entscheidungen und Konsequenzen
Wer zum Grübeln neigt, sollte sich vor allem mit den Auslösern beschäftigen. Häufig stecken hinter den Grübeleien traumatische Erfahrungen oder unverarbeitete negative Erlebnisse. Sie gehen nicht selten einher mit Scham- und Schulgefühlen sowie überzogener Selbstkritik. Im beruflichen Kontext sind häufige Ursachen auch die Kritik an der eigenen Leistung, Arbeitsweise oder den Ergebnissen. Grübler nehmen sich das (zu sehr) zu Herzen. Es nagt an ihrem Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Nicht zuletzt, weil sie beides von äußerer Anerkennung abhängig gemacht haben.
Grübeln: Traurigkeit ist die längste Emotion
Von morgens bis abends durchlaufen wir ein Wellenbad der Gefühle. Die meisten Gefühle verschwinden genauso schnell, wie sie gekommen sind. Aber es gibt Ausnahmen, wie eine Studie der Universität Leuven zeigt. Einige Emotionen hallen enorm lange nach. Schuldgefühle haben beispielsweise eine längere Lebensdauer als Schamgefühle. Sorgen sind nachhaltiger als Angst. Ein Gefühl aber lässt uns besonders lange grübeln: Traurigkeit (siehe Grafik).
Fünf Tage – so lange brauchen wir, um den Trauerkloß im Hals loszuwerden. Dahinter kommt der Hass, den man 60 Stunden lang mit sich herumträgt. „Grübeln“, so die Forscher, „ist der Hauptfaktor, warum manche Emotionen länger dauern als andere. Emotionen, die mit Grübeln verbunden sind, dauern am längsten.“
Grübeln: Die Folgen negativer Gedanken
„Grübeln ist wie Schaukeln: Man ist zwar beschäftigt, aber es geht nicht voran.“ – Das Zitat bringt es auf den Punkt: Das hartnäckige Kopfzerbrechen führt regelmäßig in eine Art Endlosschleife. Und wer viel grübelt, entwickelt mit höherer Wahrscheinlichkeit unliebsame Zwangsvorstellungen. Folgen sind unter anderem:
- Verspannungen
- Schlafstörungen
- Albträume
- Ohnmachtsgefühle
- Panikattacken
- Frustration
- Selbstzweifel
Studien zeigen: Das Alltagsgrübeln verursacht genauso viel Stress, wie der Auslöser selbst. Wir verdoppeln unser Leid damit also nur. Oder durchleben den Ärger und die Ursachen immer und immer wieder. Oder wie es die Wissenschaftler ausdrücken: Ständiges Grübeln ist ein Zustand „exzessiver Selbstaufmerksamkeit“, der den Stresslevel auf konstantem Niveau hält – unabhängig vom eigentlichen Ereignis.
Forscher der Michigan State Universität fanden heraus, dass chronische Grübler ein höheres Risiko für PTSD haben. Die Abkürzung steht für „posttraumatische Belastungsstörung“. Sie ist unter anderem als Kriegs- und Soldatenleiden bekannt. Mehr noch: Grübeln kann ein Anzeichen und Warnsignal für einen beginnenden Burnout oder eine Depression sein.
Grübeln ist ein Saboteur
Was passiert im Kopf von Menschen, die besonders oft grübeln? – Der Frage ist Simone Kühn, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, in einigen Studien nachgegangen. Ergebnis: Wer grübelt, spricht zu sich – und aktiviert die Konfliktzentren im Gehirn. Vor allem Hirnregionen wie der linke inferiore frontale Gyrus und der cinguläre Cortex seien bei Grüblern besonders aktiv. Sie werden mit stiller innerer Rede („Selbstgesprächen„) und mit Konflikten in Verbindung gebracht.
Zwar offenbare sich so oft eine posttraumatischen Belastungsstörung bei Betroffenen. Aber auch gesunde Menschen können stark von Grübeleien betroffen sein. Typisch: Selbst in Denkpausen reden sie innerlich auf sich ein und stimulieren dabei ihre Konfliktzentren im Gehirn. Damit sabotieren sie sich und mögliche Lösungen aber nur – und werden obendrein unglücklicher.
Grübeln wirke wie ein „Brandbeschleuniger“ auf negative Gefühle, ist auch Tobias Teismann, Leiter des Zentrums für Psychotherapie Bochum, überzeugt. Wer einmal in der Grübelfalle steckt, der schaukele die Gedanken immer weiter auf und verstärke negative Erinnerungen.
Grübeln stoppen: 8 Tipps
Dauernde Grübelei kann ein enormer Hemmklotz sein. Wer permanent grübelt, zweifelt, zaudert und kommt nicht weiter. Die eigenen Gedanken können manchmal so laut und dominant sein, dass sie den Raum füllen. Im Kopf ist dann nur noch Platz für Ängste und Sorgen, die alles andere überschatten. Selbst einfache Lösungen. Es ist schwierig, diesen Kreislauf abzustellen und das Gedankenkarussell zu stoppen. Natürlich kann man einem Grübler genauso wenig sagen: „Hör doch mal auf zu grübeln!“ wie einem Depressiven: „Sei doch mal wieder froh!“ Es gibt aber ein paar Tipps und Wege, mit denen Sie das Grübeln stoppen oder zumindest eindämmen können:
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Für Ablenkung sorgen
Viele Menschen grübeln, wenn sie nichts Besseres zu tun haben. Sorgen Sie also für Alternativen und geben Sie Ihren Gedanken eine andere Richtung. Lesen Sie ein gutes Buch, telefonieren Sie mit Freunden oder planen Sie einen Urlaub. Sie hören so automatisch auf zu grübeln, weil Sie sich auf anderes konzentrieren.
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Muster erkennen
Grübeln wird schnell zur Routine. Daraus entwickeln sich leicht Denk- und Verhaltensmuster. Auch ein Grund, warum es so schwer ist, Grübeln zu stoppen. Indem Sie Auslöser und Denkmuster entlarven, können Sie diese durchbrechen. Hinterfragen Sie, wann Sie ins Grübeln kommen und welche Themen Sie ständig beschäftigen. So erkennen Sie frühzeitig, wann das Grübeln beginnt – und können solche Situationen vermeiden.
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Stoppsignale nutzen
Eine bewährte Technik, um das Grübeln zu stoppen, ist der sogenannte Gedankenstopp mithilfe von Stoppsignalen. Sobald die Grübelei beginnt, sagen Sie sich: „Stopp!“ oder „Schluss!“ oder „Jetzt reicht es!“ Klingt im ersten Moment albern, funktioniert in der Praxis aber. Sie unterbrechen so Ihren Gedankengang führen ihn danach in eine neue – konstruktive – Richtung. Alles andere bringt ohnehin nicht weiter.
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Gedanken aufschreiben
Beim Aufschreiben und Notieren ordnen Sie Ihre Gedanken zugleich und gewinnen mehr Klarheit über das Kopfkino. So mancher Horrorstreifen schrumpft dabei zur albernen Komödie. Verstärken lässt sich der Effekt, wenn Sie den negativen Gedanken, realistische Fakten und tatsächliche Erfahrungen gegenüberstellen.
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Wozu fragen
Grübler fragen oft „Warum?“ – „Warum ich? Warum passiert das immer mir?“ Doch die Frage zielt ausschließlich nach hinten, forscht in der Vergangenheit nach Ursachen, hadert mit dem Schicksal oder suhlt sich im Selbstmitleid. Fragen Sie sich lieber: „Wozu?“ – Die Frage nach dem WOZU blickt nach vorn und verwandelt selbst Schicksalsschläge in eine Station auf einem Weg, der ein Ziel verfolgt. Und das gibt Hoffnung und macht Mut.
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2-Minuten-Test machen
Wenn Sie merken, dass Sie grübeln, machen Sie den sogenannten 2-Minuten-Test: Erlauben Sie sich kurz das Gedankenkarussell – und fragen Sie sich nach zwei Minuten: „Haben mich die Gedanken einer Lösung näher gebracht? Habe ich dadurch etwas verstanden, was mir vorher unklar war? Fühle ich mich jetzt besser?“ Lautet die Antwort „Nein“, stoppen Sie Ihre Gedanken bewusst. Ab jetzt wirkt Grübeln zerstörerisch. Indem Sie sich den Prozess bewusst machen, können Sie quälende Gedanken beenden.
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Anders bewerten
Ob wir Gedanken positiv oder negativ erleben, liegt nicht zuletzt an unserer Einstellung dazu und deren Bewertung. Wenn Sie sowieso bedenken, durchdenken und überlegen – warum dann nicht gleich positiv? Seien Sie dankbar für Erreichtes und machen Sie aus Rückschlägen das Beste. Fehler sind „Helfer“ – allein schon durch Umstellen der Buchstaben!
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Achtsam distanzieren
Machen Sie sich klar, dass es nur Gedanken sind – keine Tatsachen! Beim Grübeln malen sich viele Menschen Bilder aus, die nur das sind: Worst-Case-Szenarien. Eingetroffen ist davon aber noch keine. Um die Grübelgedanken zu stoppen, überlegen Sie sich eine alternative Haltung. „Was wäre wenn?“ – lässt sich auch positiv durchspielen. Mit ein paar Achtsamkeitsübungen konzentrieren Sie sich mehr auf den Moment und die Sorgen schrumpfen wieder auf Normalmaß.
Grübeln stoppen: 3 gute Gründe
Grübler sind permanent gestresst, frustriert und unglücklich. Die Gedanken beherrschen sie – nicht umgekehrt. Sie steigern sich immer weiter hinein und drohen, krank zu werden. Schon aus drei guten Gründen sollten Sie das Grübeln stoppen:
- Sie hören wieder zu
Trommeln die eigenen Gedanken so laut, dass man sich auf nichts anderes konzentrieren kann, wird die Chance verpasst, anderen zuzuhören. Dabei ließe sich der Gedankenstrom durch aktives Lauschen sofort beruhigen. Hören Sie auf gute Freunde, spielen Sie Ihre Lieblingsmusik. Oder horchen Sie aufmerksam in die Natur hinein! - Sie beobachten mehr
Wie das Zuhören bleibt beim Grübeln auch das Beobachten auf der Strecke. Dadurch werden viele schöne und positive Dinge übersehen und nicht wahrgenommen. Oft sind sie viel wichtiger und auch zahlenmäßig viel relevanter als das, was uns Sorgen macht. - Sie lernen Ihre Gefühle kennen
Negative Gedanken sorgen für eine pessimistische Einstellung, schlechte Laune und einen getrübten Blick in die Zukunft. Stellen Sie das Grübeln ab, erhalten Sie die Kontrolle über sich zurück und verstehen Ihre Emotionen und Trigger besser.
Falls sich das Grübeln allerdings partout nicht stoppen lässt, sollten Sie einen Fachmann und Arzt aufsuchen. Dahinter kann sich eine veritable Angststörung verbergen. Auch eine Therapie ist keine Schande, wenn Sie aus der Abwärtsspirale der Grübeleien ausbrechen wollen. Eine Psychotherapie kann helfen, die Ursachen zu bekämpfen statt nur an den Symptomen zu laborieren.
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