Bedeutung: Was ist Selbstkritik?
Selbstkritik ist die Fähigkeit, eigenes Denken, Handeln und Entscheiden kritisch zu hinterfragen, mögliche Fehler zu erkennen und so besser zu werden.
Selbstkritische Menschen beschäftigen sich mit den eigenen Kompetenzen, hinterfragen Ihr Verhalten und erkennen ehrlich Ihre Stärken und Schwächen. Der österreichische Filmschauspieler Peter Weck hat das so formuliert:
Selbstkritik ist die Kunst auf dem Teppich zu bleiben, obwohl das Parkett so schön glänzt.
Entscheidend für erfolgreiche Selbstkritik sind 5 Faktoren:
- Ziel
Sie definieren ein Ziel, das Sie durch Selbstkritik erreichen wollen. - Reflexion
Sie setzen sich mit offen mit sich selbst auseinander. - Ehrlichkeit
Sie bleiben ehrlich und bewerten sich fair. - Genauigkeit
Sie konzentrieren sich auf konkrete Handlungen ohne zu verallgemeinern. - Motivation
Sie haben die Motivation und den Willen, zu lernen und sich zu verändern.
Die Kunst der konstruktiven Selbstkritik
Die Konfrontation mit eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten ist schwierig. Sie müssen sich diese eingestehen und Verantwortung übernehmen. Das ist es ein Zeichen von persönlicher Reife und notwendige Bedingung für charakterliche Entwicklung.
Gleichzeitig müssen Sie konstruktiv bleiben. Wer sich selbst nur schlechtredet, wird nicht besser. Vielmehr führt es zu Selbstzweifeln, Prokrastination und Grübeleien. Am Ende fühlen Sie sich ineffektiv, wertlos und inkompetent.
Vermeiden Sie bei der Selbstkritik Fragen wie:
- Bin ich gut oder schlecht?
- Kann ich überhaupt etwas richtig machen?
- Was bin ich schon wert?
- Warum passiert immer mir das?
Die Antworten darauf sind nicht konstruktiv. Orientieren Sie sich besser an der 5-Finger-Methode zur Selbstkritik.
Übermäßige Selbstkritik führt hingegen entweder zu Selbstbetrug (wir geben anderen die Schuld, um uns besser zu fühlen) oder in eine destruktive Abwärtsspirale: Sie übertreiben maßlos, sprechen sich selbst jegliche Fähigkeiten ab, degradieren sich zum Nichtsnutz und Tunichtgut. In der Folge entstehen Schuldgefühle, Minderwertigkeitskomplexe, Angst oder gar Depressionen.
Test: Bin ich zu selbstkritisch?
Unser schärfster Kritiker sind wir oft selbst. Wir zerfleischen uns regelrecht für jeden Fehler, machen uns selbst schlecht und verfallen in destruktive Kritik. Statt durch Selbstkritik eine positive Entwicklung zu fördern, wird genau diese blockiert.
Zu selbstkritisch? Machen Sie den Test!
Unser kurzer Test zeigt Ihnen, ob Sie zu selbstkritisch sind und verbessert Ihre Selbstwahrnehmung. Beantworten Sie ehrlich die folgenden 10 Fragen (direkt im Browser abhaken). Ihre Auflösung finden Sie über den Buchstaben, den Sie am häufigsten gewählt haben:
1. Frage: Wie reagieren Sie auf Lob und Komplimente?
- Ich freue mich darüber, dass jemand meine Vorzüge und Fähigkeiten richtig erkannt hat und bedanke mich mit einem Lächeln. (A)
- Ich bin verunsichert und glaube nicht, dass der andere es ernst meint. Warum sollte ich ein Kompliment bekommen? (B)
- Ich finde es sehr nett, wenn das Lob meiner Meinung nach gerechtfertigt ist. (C)
2. Frage: Kennen Sie Ihre größten Stärken?
- Da fallen mir schon ein oder zwei ein, an einigem könnte ich aber sicherlich noch arbeiten. (C)
- Aber natürlich, das sollte doch jeder. Vor allem mein Selbstbewusstsein zeichnet mich aus, aber auch meine Spontaneität, meine Geduld und mein Durchsetzungsvermögen… (A)
- Stärken? So auf Anhieb eher nicht. Da müsste ich erstmal überlegen. (B)
3. Frage: Was essen Sie, wenn Sie mit Freunden gemeinsam zum Abendessen verabredet sind?
- Selbst wenn ich den ganzen Tag noch nichts gegessen habe, belasse ich es sicherheitshalber bei einer kleinen Beilage oder einem Salat. (B)
- Ich achte schon darauf, was die anderen bestellen. Wenn alle nur eine Kleinigkeit nehmen, passe ich mich an. (C)
- Immer das, worauf ich gerade Hunger habe. (A)
4. Frage: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie ein Foto von sich selbst sehen?
- Wenn es sich um schöne Fotos handelt, gucke ich mir diese gerne an. Auf den meisten Bildern gefalle ich mir gut. (C)
- Ich liebe Fotos von mir und mache eigentlich ständig Selfies, die ich dann gleich poste. (A)
- Falls möglich schaue ich mir erst gar keine Bilder von mir an. Darauf sehe ich eigentlich immer ganz grausam aus. (B)
5. Frage: Sie haben eine Idee für bessere Prozesse im Job. Schlagen Sie es Ihrem Chef vor?
- Ich schaue mir mein Konzept noch einmal an oder halte Rücksprache mit einem Kollegen, aber dann stelle ich dem Chef vor, was ich mir überlegt habe. (C)
- Erst einmal natürlich nicht. Wer weiß, ob die Idee wirklich etwas taugt. Ich warte lieber erst ab. (B)
- Aber sofort! Wieso Zeit verschwenden, wenn die optimierten Abläufe schon in ein paar Tagen umgesetzt werden könnten? (A)
6. Frage: Was denken Sie, wenn Sie sich für einen neuen Job bewerben?
- Ich weiß genau, was ich kann und wieso ich genau richtig für den Job bin. Wenn ein Personaler das nicht erkennt, dann halt der nächste. (A)
- Natürlich gibt es viele Bewerber, aber wenn ich meine Qualifikationen und Erfahrungen gut einsetze, stehen meine Chancen ganz gut. (C)
- Leider ist die Konkurrenz in der Bewerbung immer sehr groß und hoch qualifiziert. Das wird nicht leicht. (B)
7. Frage: Versetzen Sie sich in die Lage Ihrer Kollegen: Worum beneiden diese Sie?
- Meine Büronachbarin hat einmal gesagt, dass sie es toll findet, dass ich ihr immer bei Aufgaben helfe und Projekt übernehme. (B)
- Ich hoffe, dass sie meine Motivation und fachliche Kompetenz schätzen – und meine freundliche Art. Das sind die Dinge, die mir selbst besonders gut gefallen. (C)
- Das dürfte vor allem mein beruflicher Erfolg und mein sicherer Umgang mit wichtigen Kunden und der Führungsetage sein. (A)
8. Frage: Sie beobachten ein Gespräch unter 4 Augen. Was geht Ihnen zuerst durch den Kopf?
- Darüber mache ich mir wirklich keine Gedanken. Wenn es um mich geht, werden sie es mir schon sagen. (A)
- Vermutlich reden die beiden über mich. Ich hatte schon den ganzen Tag das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. (B)
- Man kommt schon ins Grübeln, ob vielleicht gelästert wird. Aber selbst wenn: Man kann es nicht jedem recht machen. (C)
9. Frage: Ihnen ist ein dummes Missgeschick unterlaufen. Wie gehen Sie damit um?
- Ich ärgere mich ein wenig über mich selbst. Eigentlich bin ich besseres von mir gewohnt. (C)
- Ach, das ist jedem schon einmal passiert. Keine große Sache. (A)
- Das ist einfach so typisch für mich. Ich kann einfach nichts richtig machen. Hoffentlich nehmen die anderen meine Entschuldigung an. (B)
10. Frage: Wie reagieren Sie auf Kritik von anderen?
- Ich nehme mir die Aussagen sehr zu Herzen und fühle mich in meinen eigenen Zweifeln bestätigt. (B)
- Ich schaue mir die Kritik an, analysiere das Gesagte und überlege, ob ich davon etwas für mich persönlich nutzen kann. (C)
- Das lässt mich in der Regel kalt. Oft ist es nur Neid oder schlechte Laune, die aus anderen spricht. (A)
Sie sind nicht zu selbstkritisch, eher gilt das Gegenteil: Sie scheinen vor Selbstsicherheit nur so zu strotzen und sind fest von sich und Ihren Fähigkeiten überzeugt. Hin und wieder könnte sogar ein wenig mehr Selbstkritik nicht schaden.
Die Antworten sprechen dafür, dass Sie zu selbstkritisch sind. Sie machen sich grundlos schlecht, haben destruktive Gedanken und verkennen Ihre Vorteile, Vorzüge und Kompetenzen. Bleiben Sie fair sich selbst gegenüber und machen Sie sich bewusst, dass Sie mehr können, als Sie sich eingestehen.
Ein gutes Mittelmaß an Selbstkritik! Sie sind reflektiert und selbstkritisch, übertreiben es aber nicht. Sie wissen, was Sie gut können und dass es keinen Grund gibt, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen. Klasse!
Ursachen für übersteigerte Selbstkritik
Neigen Sie zu destruktiver Selbstkritik und Selbstverachtung, liegen die Wurzeln häufig in der Kindheit und dem Gefühl, „nicht in Ordnung“ zu sein. Vermittelt wird es von Eltern („Immer machst du nur Ärger!“), Freunden und anderen Bezugspersonen („Nichts kannst du richtig!“).
Als Erwachsene übernehmen wir diese Haltung und glauben Selbsthass und Selbstverurteilung seien probate Mittel, besser zu werden und die (vermeintliche) Unvollkommenheit zu überwinden. Fatal! Das Gegenteil ist richtig. Oft hilft nur eine Therapie, aus der Abwärtsspirale auszusteigen und sich mit sich selbst zu versöhnen. Die Auslöser in der Kindheit führen zu weiteren Ursachen:
- Hohe (unrealistische) Erwartungen an sich selbst
- Mangelndes Selbstwertgefühl
- Große Unsicherheit
- Häufige Selbstzweifel
Konstruktive versus destruktive Selbstkritik
Eine leider verbreitete, aber falsche Meinung: „Ist doch egal, wie wir uns kritisieren, solange wir genug aus Fehlern lernen und diese nicht wiederholen!“ Studien belegen: Motivation und (verbesserte) Leistungen hängen vor allem davon ab, wie realistisch wir uns einschätzen und wie konstruktiv wir mit unserer Selbstkritik umgehen.
Besonders betroffen sind Frauen im Berufsleben: Sie bewerten die eigenen Stärken häufig niedriger als ihr direktes Umfeld. Das ist zum Beispiel das Ergebnis einer Studie der Internationalen Hochschule Bad Honnef (IUBH).
Unterschied zwischen Frauen und Männern
Vor allem bei Kompetenzen wie strategisches Verhalten, Verhandlungsgeschick, Verkauf/Abschlusstechnik und Gesprächsführung waren die Frauen selbstkritischer als ihre männlichen Kollegen. Umgekehrt neigten die männlichen Teilnehmer in kommunikativen Bereichen, wie Einfühlungsvermögen oder Kunden- und Dienstleistungsorientierung zur leichten Selbstüberschätzung.
Anleitung zur Selbstkritik in 4 Schritten
Ebenso können Sie Selbstkritik lernen – zum Beispiel mit dieser Anleitung in 4 Schritten:
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Kritisieren Sie spezifische Verhaltensweisen
Kritisieren Sie sich nicht generell und machen Sie keine Verallgemeinerungen. „Ich bin einfach zu dumm…“ ist keine Selbstkritik, sondern eine toxische Einstellung. Damit ist Ihnen nicht geholfen und Sie lernen auch nichts. Selbstkritische Gedanken sollten konkret und kausal sein: „Weil ich abends zu lange aufbleibe, bin ich morgens unausgeschlafen und mache Flüchtigkeitsfehler…“ Diese Erkenntnis ist ehrlich, erkennt das Problem und bietet einen Lösungsweg.
-
Konzentrieren Sie sich auf sich
Vergleiche haben in der Selbstkritik keinen Platz. Andere können etwas besser, ein Freund hat ein teureres Auto… Richten Sie Ihren Blick nicht nach außen, sondern auf sich selbst. Durch konstruktives und selbstkritisches Denken wollen Sie sich persönlich entwickeln – unabhängig von anderen.
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Arbeiten Sie an den Umständen
Manchmal können Sie nicht wirklich etwas dafür, dass die Dinge schieflaufen. Scheinbar! Sie haben es mindestens zugelassen, dass es so weit kommen konnte. Genau das gilt es für die Zukunft abzustellen. Belassen Sie es also nicht bei der Entschuldigung für sich (was herrlich bequem wäre), sondern arbeiten Sie konstruktiv an den offensichtlich mangelhaften Umständen. Zum Beispiel: „Das nächste Mal setze ich mir engere Deadlines, um vorzeitig fertig zu sein und Zeitreserven zu haben.“
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Seien Sie sich selbst gegenüber milde
Perfektion ist Sache der Götter, Fehler zu machen dagegen menschlich. Sie passieren jedem – deshalb sind Sie nicht schlechter oder weniger wert. Üben Sie Nachsicht mit sich: Shit happens. Man kann sich selbst annehmen und trotzdem noch selbstkritisch sein.
Ein Gedicht über Selbstkritik
„Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
So hab‘ ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp‘ ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;
Und viertens hoff‘ ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.“ – Wilhelm Busch
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