Versagensangst: Typische Symptome
Zittern, schwitzen, Panikattacken – nichts geht mehr. Wie stark die Versagensangst ausgeprägt ist, zeigt sich meist schon an den auftretenden Symptomen. Oft treten diese lange vor der eigentlichen Aufgabe oder Herausforderung auf. Allein der Gedanke an eine Prüfung, eine Präsentation, ein Rendezvous (und einen Korb), ein Gespräch mit dem Chef reicht schon, um eine veritable Panik auszulösen. Die Versagensangst – sie lässt uns zaudern, zögern, erstarren oder nach Ausreden suchen.
Körperliche Symptome der Versagensangst
Starke Versagensangst macht sich fast immer körperlich bemerkbar. Zu den physischen Symptome zählen zum Beispiel regelmäßig…
- Nervosität und Anspannung
- Brustdrücken und Atemnot
- Appetitlosigkeit
- Schweißausbrüche
- Herzrasen
- Magen-Darm-Beschwerden und Durchfall
- Schlafstörungen
- Fluchtgedanken (Eskapismus)
Psychische Symptome bei Versagensangst
Durch die Angst wird im Gehirn auch der sogenannte Mandelkern aktiviert. Effekt: Erreichen die Ängste ein Übermaß, schwindet die Selbstkontrolle. All diese körperlichen Symptomen können dann psychische und seelische nach sich ziehen. Dazu gehören Denkblockaden (bis hin zum Blackout), Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Die weit größere Folge aber ist die Selbstsabotage: Wir hindern uns selbst am Vorankommen und bleiben dauerhaft unter unseren Möglichkeiten. Chronisch und auf Dauer kann das sogar in einer Depression münden
Auch Aktionismus kann Versagensangst verraten
Es gibt aber auch eine komplett gegenteilige Reaktion auf Versagensängste, die sich in übersteigerten Ambitionen und Aktionismus ausdrückt: Die Betroffenen neigen in dem Fall zum Perfektionismus und versuchen über das hohe Kontrollbedürfnis ihre (unterschwelligen) Ängste zu besiegen. Die Folgen sind deswegen nicht weniger harmlos: Sie reichen von klassischen Stresssymptomen, über die Kompensation durch Alkohol und Drogen bis hin zu einem Burnout.
Atychiphobie: Die Angst davor, Fehler zu machen
Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff „Atychiophobie“ die „Angst vor Unfällen“. „Tychos“ steht für „Unfall“, „Phobos“ für die „Furcht“. In der psychologischen Praxis wird der Begriff allerdings auch synonym für die Angst, Fehler zu machen verwendet – eine Artverwandte der Versagensangst. Im Extrem führt die Atychiphobie dazu, dass Menschen sämtliche Vorhaben und Handlungen vermeiden, um keinerlei Risiken einzugehen und auch nicht scheitern zu können. Für die Betroffenen ist es wichtig, sich darüber klar zu werden, dass Fehler menschlich sind und immer vorkommen können. Die meisten wissen das zwar auf einer intellektuellen Ebene. Ihre Herausforderung besteht aber darin, dieses Wissen auch emotional und intuitiv zu verarbeiten – und sich so von unnötigen Schuldgefühlen und Ängsten zu lösen. In schweren Fällen kann dafür eine psychotherapeutische Behandlung notwendig sein.
Ursachen: Wie entsteht Versagensangst?
Angst ist zunächst nichts anderes als ein Schutzmechanismus. Ein Überbleibsel der Evolution: Zuerst schätzen wir eine Situation auf ihr Gefahrenpotenzial ein. Ist sie gefährlich, bekommen wir Angst. Das schnelle (Flucht-)Reaktionen ermöglichen und so das Überleben sichern. Entsprechend verändert Angst zahlreiche körperliche Abläufe wie Atmung, Stoffwechsel, Kreislauf und Hormonspiegel.
Auch Versagensangst greift auf diesen Mechanismus zurück. Laut Definition ist Versagensangst die Angst, in einer bestimmten Situation nicht die erwünschte oder erwartete Leistung bringen zu können. Man könnte auch sagen: Dahinter steckt die Sorge vor der Ungewissheit und die Gewissheit der eigenen Fehlbarkeit. Natürlich wirkt das heute in den wenigsten Fällen lebensbedrohlich – es fühlt sich aber für die meisten so an.
Nicht wenige Psychologen vermuten die Ursachen der Versagensangst in der Kindheit. Oft wird sie auf mangelnde Anerkennung durch die Eltern und Missachtung in der Erziehung zurückgeführt. Die Kinder lernen, dass sie verstoßen werden, wenn sie Erwartungen nicht entsprechen. Oder sie fühlen sich minderwertig, dumm, hässlich – kurz: nicht liebenswert.
Unser irrationales Verhältnis zu Fehlern und Niederlagen
Weitere Ursachen für Versagensangst liegen in der späteren Sozialisation, dem kulturellen, gesellschaftlichen und persönlichen Umfeld. Sie sind eng mit dem individuellen Wertesystem verknüpft. In Deutschland – wie in anderen Ländern auch – werden zum Beispiel Fehler und Misserfolg nach wie vor extrem negativ assoziiert. Wer hierzulande beispielsweise mit einem Unternehmen Insolvenz anmeldet oder beruflich scheitert, gilt nicht selten als Versager. In den USA ist die Wahrnehmung eine völlig andere: Hier gehört anfängliches Versagen zum Erfahrungsschatz (im Wortsinn) eines Unternehmers oder Profis. Er hat daraus viel gelernt und ist einen guten Schritt weiter auf dem Weg zum Erfolg.
Denken Sie nur an die Basketball-Legende Michael Jordan. Der sagte einmal über sich selbst: „Ich habe in meiner Karriere mehr als 9000 Würfe verfehlt und fast 300 Spiele verloren. 26 Mal wurde mir der spielentscheidende Wurf anvertraut, und ich habe nicht getroffen. Ich habe immer und immer wieder versagt in meinem Leben. Deshalb bin ich so erfolgreich.“
Das führt gleich zu einer weiteren Ursache: der eigenen, persönlichen Definition von Erfolg. Nicht wenige Menschen sind ihre schärfsten Kritiker und erlauben sich keine Fehler. Sie haben überhöhte Erwartungen an sich selbst – oder durch das persönliche Umfeld und blenden aus, dass ein Misserfolg, ein Fehlschlag oder Reinfall meist nicht mehr ist als das: reine Ansichtssache.
Versagensangst ist ein erlerntes Verhalten
Die Versagensangst speist sich aus all den genannten Quellen, die oft – aber nicht immer – durch ein instabiles Selbstbewusstsein und mangelndes Selbstwertgefühl verstärkt werden. Versagensangst ist daher gar nicht primär die Angst vor Fehlern oder dem Scheitern, sondern davor…
- die Erwartungen wichtiger Menschen zu enttäuschen.
- den Ansprüchen anderer nicht zu genügen.
- die eigenen (viel zu hohen) Erwartungen nicht zu erfüllen.
- gesellschaftlich nicht anerkannt zu werden.
- Beziehungen zu wichtigen Menschen zu verlieren.
- dem eigenen Selbstbild nicht zu entsprechen.
Hierbei können verschiedene Ängste eine Rolle spielen. Gemeinsam haben sie aber, dass sie den von Versagensangst betroffenen Menschen meist überhaupt nicht bewusst sind. Es ist ein erlerntes Verhalten oder Reaktionsschema.
Schon diese Erkenntnis ist aber ein erster wichtiger Schritt zur Bewältigung der Versagensangst: Wir erkennen, dass Fehlschläge ein wichtiger Bestandteil des Lebens und Lernens sind. Und dass unsere Ängste zudem häufig unrealistisch oder unbegründet sind – erst recht im Hinblick auf die möglichen Konsequenzen. Oder wie ein Zitat und Aphorismus von Coco Chanel es ausdrückt: „Am häufigsten sind die Menschen erfolgreich, die wissen, dass Versagen unvermeidlich ist.“
Ängste hinterfragen: Das Gefängnis in unserem Kopf
Nachdem die Versagensangst als persönliches Problem erkannt und akzeptiert sowie mögliche Ursachen identifiziert wurden, ist der nächste Schritt, um die Versagensangst zu überwinden, das Hinterfragen der Ursachen und Ängste:
- Werden mich meine Freunde und Familie wirklich für einen Versager halten, wenn ich bestimmte Ziele nicht erreiche?
- Spielen meine Rückschläge für andere Menschen tatsächlich eine so große Rolle?
- Warum ist mir die Anerkennung dieser Menschen überhaupt so wichtig?
Die Antworten auf diese Fragen zeigen Ihnen im besten Fall, dass die Befürchtungen unrealistisch sind und aus einer verzerrten Wahrnehmung resultieren. Die Wahrheit ist: Wir sind zu weit mehr und Größerem fähig, als wir uns selbst zutrauen. Die größte Schaffensgrenze ist die Beschränkung in unserem Kopf. Stellen Sie sich nur einmal vor, was Sie machen würden, wenn Sie keine Angst hätten, wenn das Scheitern praktisch ausgeschlossen wäre und es immer eine 100-prozentige Rückversicherung gäbe. Die gibt es zwar praktisch nie – für keinen von uns. Der Unterschied ist aber: Die einen wagen es trotzdem, die anderen scheitern schon vorher. Henry Ford formulierte das einmal so: „Es gibt mehr Menschen, die kapitulieren, als solche, die scheitern.“
Versagensangst bekämpfen: Lernen durch Fehler
Es gibt einen wunderschönen Buchtitel von Martin Limbeck, der die überwundene Versagensangst mancher Top-Verkäufer einfach auf den Punkt bringt: „Nicht gekauft hat er schon“ Wenn Sie den potenziellen Kunden gar nicht erst anrufen, kennen Sie die Antwort zu 100 Prozent, rufen Sie aber an, stehen die Chancen für einen Abschluss schon bei mindestens Fifty-Fifty. So ist es auch mit vielen anderen Dingen: Wer etwas versucht, kann kein Versager sein. Tatsächlich ist Trial-and-Error (Versuch und Irrtum) eine der größten Erfolgsstrategien.
Was ließe sich nicht alles erreichen und vollbringen, wie viel Begeisterung und Befriedigung würden wir gewinnen, wenn wir uns nur trauen würden und keine Angst vor Fehlschlägen hätten? Tatsächlich ist Versagensangst kein angeborenes Schicksal, sondern zu einem Großteil ein erlerntes Verhalten. Das ist aber eine gute Nachricht. Denn es bedeutet, dass Sie diese Angst genauso gut wieder verlernen können. Allein, dass Sie sich das bewusst machen, kann etwaige Versagensängste abbauen und überwinden helfen und so zu einem angstfreien Leben führen.
Versagensangst überwinden: 6 genial einfache Tipps
Im folgenden finden Sie sechs Tipps und Strategien, wie sich akute Versagensangst überwinden und die Lähmung im jeweiligen Moment eindämmen lässt. Sollten solche Angstschübe – trotz der Arbeit an deren Bewältigung – häufiger auftreten, kann allerdings die Inanspruchnahme professioneller und psychologischer Unterstützung sinnvoll sein.
1. Erfolge sammeln
Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit, um sich Ihre bisherigen Erfolge vor Augen zu führen. Erinnern Sie sich möglichst plastisch an Erfolgserlebnisse und Projekte, die Sie schon erfolgreich abgeschlossen haben. So stellen Sie den vagen Prognosen über Ihr Versagen ein bewährtes Gelingen gegenüber und beweisen sich selbst: „Ich kann das eben doch! Ich habe das schon mal geschafft.“
2. Erfolg visualisieren
Stellen Sie sich möglichst genau vor, wie der erfolgreiche Abschluss der vor Ihnen liegenden Aufgabe aussehen wird. Wie wird es sich anfühlen? Fokussieren Sie dabei nicht auf die Risiken, sondern auf den potenziellen Gewinn und die sich daraus ergebenden Chancen. Versetzen Sie sich in die Situation hinein und nehmen Sie den Erfolg – emotional – vorweg. Das kann die Versagensangst deutlich reduzieren.
3. Konsequenzen einschätzen
Die Versagensangst lähmt. Aber nur, weil die mögliche Katastrophe in der Phantasie so groß wirkt. Arbeiten Sie dieser Wahrnehmungsverzerrung entgegen und stellen Sie den verschwommenen Fokus wieder scharf: Wie sehen die Konsequenzen tatsächlich aus? Sind diese überhaupt realistisch? Wie wahrscheinlich sind die Pannen, Patzer und Rückschläge? Und wären die wirklich so schlimm? Im Zweifel sollten Sie sich hierbei zusätzlich eine externe Einschätzung (durch Freunde) einholen.
4. Körperlich entspannen
Die Versagensangst erzeugt Stress und Panik, klares Denken ist so unmöglich. In diesem Fall kann es helfen, sich auf die körperlichen Auswirkungen der Versagensangst zu konzentrieren und diesen mit klassischen Entspannungsübungen, wie autogenem Training, Meditation oder Bewegung entgegenzuwirken. Wenn sich der Körper entspannt, lässt oft auch die Angst nach.
5. Rituale etablieren
Akuter Versagensangst können Sie auch mit Ritualen begegnen. Egal, ob es sich um eine bewusst genossene Tasse Kaffee, einen Spaziergang um den Block, eine kurze Atemübung oder etwas ganz anderes handelt: Solche Rituale können als Anker dienen, die Sie erden und auf den Boden der (wahren) Tatsachen zurückführen.
6. Erfolgstagebuch schreiben
Im Grunde gehört dieser Tipp zu Punkt 2: „Erfolge visualisieren“. Aber er hilft enorm – vor allem gegen künftige Versagensängste: Schreiben Sie ein sogenanntes Erfolgstagebuch. Zugegeben, das macht zunächst einmal Arbeit: Regelmäßig und jeden Tag einen Eintrag im Tagebuch zu formulieren, schreckt viele ab. Aber Sie müssen dabei auch keine Romane schreiben. Entscheidend ist, dass Sie sämtliche positiven Erlebnisse und Erfolge eines Tages schriftlich festhalten, um sich später daran zu erinnern oder gar Muster zu erkennen.
Wissenschaftlerinnen wie Joyce E. Bono von der Warrington Universität in Florida zum Beispiel konnten zahlreiche positive Nebeneffekte nachweisen: Allein die Probanden ihrer Studie, die jeden Abend nur drei Erfolge und positive Geschehnisse des Tages schriftlich festgehalten hatten, waren schon nach kurzer Zeit glücklicher und zufriedener mit sich und der eigenen Arbeit. Und hatten weniger Versagensangst – schließlich können sie so Schwarz auf Weiß nachlesen, was ihnen alles gelingt und schon gelungen ist.
Seine Ängste zu kennen zu akzeptieren und sich die Auslöser bewusst zu machen, ist bereits ein wirksamer Weg Blockaden zu überwinden und den „inneren Kritiker“ zum Schweigen zu bringen. Winston Churchill hat das einmal so ausgedrückt:
Erfolg ist die Fähigkeit, von einem Misserfolg zum nächsten zu gehen, ohne seine Begeisterung zu verlieren.
Recht hat er.
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