Was ist das Kontrastprinzip? Einfach erklärt
Das Kontrastprinzip (auch: Kontrasteffekt) basiert auf einem Fehler in der menschlichen Wahrnehmung: Werden uns zwei gegensätzliche Reize kurz nacheinander präsentiert, beeinflusst das unsere Wahrnehmung und Bewertung.
Bestes Beispiel: Wenn Sie zuerst ein schweres Gewicht heben und danach eine Flasche Wasser, wird Ihnen diese unendlich leicht vorkommen. Oder: Wenn Sie Ihre Hand zuerst in kaltes und danach in heißes Wasser tauchen, wird Ihnen das Wasser zunächst nur noch lauwarm erscheinen. Und wenn Sie Ihrem Chef eine schlechte Nachricht zusammen mit einer guten präsentieren, wirkt die schlechte nur noch halb so schlimm.
Die gute allerdings auch nicht mehr ganz so gut. Das nennt man dann aber eher Kollateralschaden…
Lesetipp: Assimilationseffekt – wie das Umfeld die Bewertung beeinflusst
Beispiel für das Kontrastprinzip
In der Verkaufspsychologie machen sich pfiffige Verkäufer das Kontrastprinzip regelmäßig zunutze. Der Kulturforscher Leo Rosten nennt hierzu das historische Beispiel der beiden Brüder Sid und Harry Drubeck. Die betrieben in den 1930er-Jahren eine Herrenschneiderei in seiner Nachbarschaft. Jedes Mal wenn ein neuer Kunde einen Anzug anprobierte, der ihm gefiel, fragte Sid seinen Bruder, der am anderen Ende des Raumes saß: „Harry, was kostet der Anzug?“
Der wiederum fragte zurück: „Dieses wunderbare Stück aus reiner Wolle? 42 Dollar!“ Sid tat dann so, als hätte er nicht genau verstanden, legte die Hand ans Ohr und wiederholte die Frage. Diesmal gab Harry etwas lauter zurück: „42 Dollar!“ Daraufhin wandte sich Sid an den Kunden: „Harry sagt, er kostet 22 Dollar.“ Schon konnte mancher Kunde seine Geldbörse gar nicht schnell genug zücken, um sich mit dem vermeintlichen Schnäppchen aus dem Staub zu machen. Dabei war das ein reines Kontrastprogramm!
So werden Sie regelmäßig zum Opfer des Kontrastprinzips
Das Kontrastprinzip ist in der Verkaufs- und Sozialpsychologie schon länger bekannt. Es ist ein enorm mächtiger Trick, um zum Beispiel in einer Gehaltsverhandlung oder generell im Vertrieb zu überzeugen.
Aus diesem Grund zeigen zum Beispiel Immobilienhändler ihren Kunden in der Regel immer zuerst ein paar völlig überteuerte Häuser, bevor sie zum eigentlichen Verkaufsobjekt pilgern. Das ist zwar am oberen Ende des Kundenbudgets – sieht aber jetzt gar nicht mehr so teuer aus…
Überzeugen mit dem Kontrast-Prinzip
Jens Weidner, Autor der „Peperoni-Strategie„, erzählt dazu eine reizende Geschichte von seinem Ex-Chef: Weidner selbst war damals Abteilungsleiter in einem Jugendgefängnis und hasste Aktenarbeit. Immer wenn sein Chef etwas von ihm wollte, sagte der: „Ich habe zwei Aufgaben zu erledigen und eine davon müssten Sie übernehmen.“ Dabei tippelte er mit den Fingern auf einen Aktenstapel vor sich, um die eine Alternative zu verdeutlichen. Weidner entschied sich immer für die andere.
Erst später, als Weidner den Job wechselte, gestand ihm sein Chef, dass er sich die Akten jedes Mal nur für ihn vorher von seiner Sekretärin auf den Tisch hatte stapeln lassen. Er wusste, wie sehr Weidner Aktenarbeit hasste – und wir er ihn mit der Aussicht darauf von der Alternative überzeugen konnte.
Mit dem Kontrastprinzip die Wahrnehmung lenken
Das Kontrastprinzip lässt auf zahlreiche Situationen anwenden – im Vertrieb, im Job, in der Beziehung. Jede Wette, dass auch Sie schon einige Male darauf hereingefallen sind. Insbesondere, wenn es darum geht, eine bittere Pille zu schlucken.
Was das für Sie bedeutet? Immer, wenn Sie zwei völlig konträren Reizen oder Angeboten ausgeliefert werden, seien Sie auf der Hut! Womöglich ist dies nichts weiter als der Versuch, ihre Wahrnehmung zu lenken und sie zu manipulieren.
Eines der schönsten Beispiele für das Kontrastprinzip ist das folgende – ein herrlich raffinierter Brief einer Studentin an ihre Eltern:
Liebe Mutti, lieber Papa!
Ich bin etwas schreibfaul geworden, seit ich zum Studium von zu Hause weggezogen bin, und es tut mir Leid, dass ich nicht schon früher geschrieben habe. Ich werde euch jetzt auf den neusten Stand bringen, aber ehe ihr weiterlest, setzt euch bitte erst einmal hin. Lest erst weiter, wenn ihr euch gesetzt habt, okay?
Also dann: Mittlerweile geht es mir eigentlich schon wieder ganz gut. Die Gehirnerschütterung, die ich mir zugezogen hatte, als ich aus dem Fenster gesprungen war, nachdem im Wohnheim kurz nach meiner Ankunft ein Feuer ausgebrochen war, sind schon ganz gut verheilt. Ich war nur zwei Wochen im Krankenhaus und jetzt kann ich schon fast wieder normal sehen und bekomme nur noch einmal am Tag diese elenden Kopfschmerzen. Zum Glück waren das Feuer im Wohnheim und mein Sprung von einem Tankwart von der Tankstelle gegenüber beobachtet worden, und er war es auch, der sofort die Feuerwehr und den Notarzt rief. Er besuchte mich sogar im Krankenhaus und weil ich ja wegen des Wohnheimbrands nicht wusste, wo ich hin sollte, war er so lieb, mir anzubieten, erst mal in seiner Wohnung unterzukommen. Das ist eigentlich nur ein Kellerraum, aber der hat was. Er ist ein echt toller Typ und wir sind wahnsinnig verliebt und wollen heiraten. Das genaue Datum steht noch nicht fest, aber das Ganze soll noch über die Bühne gehen, bevor man mir meine Schwangerschaft ansieht.
Ja, Mama und Papa, ich bin schwanger! Ich weiß, dass ihr euch darauf freut, Oma und Opa zu werden, und ich weiß, dass ihr das Baby von ganzem Herzen lieben werdet. Der Grund dafür, dass wir jetzt noch nicht heiraten, ist, dass mein Freund eine kleine Infektion hat, weswegen es Schwierigkeiten mit den Bluttests gibt, die wir für die Schwangerschaft machen müssen und ich mich dummerweise angesteckt habe. Ich weiß, dass ihr trotzdem ihn mit offenen Armen in unsere Familie aufnehmen werdet. Er ist wirklich sehr nett. Es hat zwar keine abgeschlossene Ausbildung, aber große Pläne.
Jetzt, wo ich euch auf den neusten Stand gebracht habe, möchte ich euch sagen, dass es keinen Brand im Wohnheim gab, ich keine Gehirnerschütterung hatte, nicht im Krankenhaus war, nicht schwanger bin, nicht verlobt, nicht infiziert und dass es keinen Freund gibt. Allerdings habe ich eine Vier in BWL und eine Fünf in Finanzwissenschaft und ich will, dass ihr diese Zensuren im richtigen Verhältnis seht.
Liebe Grüße von eurer Tochter
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