Risikobereitschaft: Was steckt dahinter?
Überspitzt könnte die Definition von Risikobereitschaft lauten: Der Wille, sich selbst einer Gefahr auszusetzen. Das klingt allerdings dramatischer, als es in den meisten Fällen ist. Ein Risiko einzugehen bedeutet schließlich nicht, dass Sie immer Leib und Leben aufs Spiel setzen. Vielmehr geht es darum, ein kalkuliertes Risiko als solches zu erkennen und trotz Unsicherheit über den eigenen Schatten springen zu können. Die genutzten Synonyme Waghalsigkeit oder Wagemut passen somit eher bedingt, treffender ist der klassische Mut.
Risikobereitschaft ist eben nicht, sich kopfüber in jedes Abenteuer zu stürzen, sondern sich einer Sache mit Sinn und Verstand zu nähern, mögliche Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen und trotz möglicher negativer Auswirkungen den Schritt zu wagen, um eine Chance zu nutzen.
Wie hoch die Risikobereitschaft eines Menschen ist, hängt dabei zu großen Teilen von seiner eigenen Wahrnehmung ab. Außerhalb der Wahrscheinlichkeitsrechnung lässt sich in der realen Welt ein Risiko nie genau bestimmen. Hinzu kommt, dass jeder Mensch, abhängig von seiner Persönlichkeit, ein Risiko unterschiedlich groß einschätzt. Ein Pessimist braucht beispielsweise eine viel größere Risikobereitschaft, das er grundsätzlich eher davon ausgeht, dass Dinge schief gehen und sich in die falsche Richtung entwickeln.
Wann ist die Risikobereitschaft am größten?
Ihre Risikobereitschaft ist keinesfalls in Stein gemeißelt und für immer festgelegt. In den unterschiedlichen Phasen Ihres Lebens durchlaufen Sie Höhen und Tiefen, fühlen sich mal zu Risiken hingezogen und halten dann doch lieber wieder Abstand von jeglicher Gefahr. In jungen Jahren sind die meisten gerne dazu bereit, Risiken einzugehen und auch die damit verbundenen Rückschläge zu akzeptieren. Gerade Teenager wollen die eigenen Grenzen testen, etwas ausprobieren und das ein oder andere Abenteuer erleben.
Hilfreich ist in diesem Alter, dass es nur wenige Verpflichtungen gibt. Das ändert sich spätestens, wenn eine Familie gegründet wurde. Wer ein Kind versorgt, jeden Monat Fixkosten hat und zusätzlich noch ein wenig Geld zurücklegen möchte, setzt lieber auf Sicherheit, um kein unnötiges Risiko einzugehen.
Insgesamt lässt sich deshalb beobachten, dass mit steigendem Alter die Risikobereitschaft geringer wird – wobei es natürlich auch hier Ausnahmen gibt und mancher erst später im Leben merkt, was er durch zu viel Vorsicht verpasst hat.
Warum zeigen wir so wenig Risikobereitschaft?
Sobald ein Risiko besteht, nehmen die meisten instinktiv erst einmal Abstand von einer Möglichkeit und wenden sich den anderen Optionen zu. Dahinter steht ein tief verankerter und stark ausgeprägter Schutzmechanismus. Dabei muss es gar nicht um die Gesundheit gehen, auch ein Risiko für den eigenen Besitz oder auch den Ruf wird von den meisten vermieden.
Die Schuld daran tragen gleich mehrere Faktoren, die leider nur schwer zu kontrollieren sind:
- Negative Konsequenzen werden überschätzt. Stehen wir von einem Risiko, wird das Urteilsvermögen getrübt und der klare Blick für die Dinge geht verloren. Stattdessen konzentrieren wir uns verstärkt auf die negativen Folgen, malen uns ein Worst Case Szenario aus und überzeugen uns selbst immer weiter davon, dass dieses auch eintreten wird.
- Die Ungewissheit sorgt für Angst. Es liegt in der Natur des Risikos, dass der Ausgang der Situation ungewiss ist – was vielen Menschen Angst bereitet, die Veränderungen am liebsten nur dann angehen, wenn sie diese komplett selbst in der Hand haben und das Ergebnis bestimmen können.
- Fehler und Versagen sind ein Tabuthema. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der Versagen und Niederlagen verpönt sind. Es zählen nur Erfolge, Leistungen und Errungenschaften. Wer ein Risiko eingeht, setzt sich damit der Gefahr aus, seinen Status zu verlieren und als Verlierer abgestempelt zu werden.
Die Doppelmoral der Risikobereitschaft
Risikobereitschaft wird sehr zweideutig betrachtet. Zum einen lieben wir Menschen, die ein Risiko eingegangen sind und dadurch etwas Großes erreicht haben. Es sind diese scheinbar unmöglichen Geschichten, die uns immer wieder in Stauen versetzen. Gründer, die ihr gesamtes Erspartes in eine Idee investiert haben und nun erfolgreich ein globales Unternehmen führen oder auch Privatpersonen, die sich vom letzten Geld ein One-Way-Ticket in ihr Traumdland gekauft haben und dort so glücklich sind wie noch nie.
Dies gilt aber nur, solange die Risikobereitschaft gut ausgeht. In allen anderen Fällen wird diese verteufelt. Wie kann man nur so blöd sein? War doch klar, dass es schiefgeht. Wer kommt nur auf solch eine Idee…
Risikobereitschaft wird dann gerne mit Leichtsinnigkeit oder Überheblichkeit gleichgesetzt. Ein weiterer Grund, weshalb die meisten Menschen sich sehr genau überlegen, ob es sich auf lange Sicht wirklich lohnt, Risiken einzugehen. Das ein oder andere Mal mag es vielleicht gut gehen und einen positiven Eindruck machen.
Doch sobald das Risiko einmal eintritt ist jede vorherige Entscheidung vergessen. Was bleibt, ist der bittere Beigeschmack des Übermuts.
Gute Gründe für mehr Risikobereitschaft
Es ist traurig, dass Risikobereitschaft fast schon eine vorausgestellte Entschuldigung erfordert. Noch bevor irgendetwas passiert, fühlen sich viele zu einer Rechtfertigung genötigt. Ich weiß, es ist mit einem gewissen Risiko verbunden, aber… Stattdessen sollte es Ermutigung und Zuspruch geben, denn es gibt einige gute Gründe für mehr Risikobereitschaft.
Zuerst ist nahezu jede Chance auch mit einem gewissen Risiko verbunden. Die perfekte Gelegenheit, die nur Vorteile mitbringt und gleichzeitig keinen einzigen möglichen Nachteil bereithält, gibt es schlichtweg nicht. Alles hat immer auch eine Schattenseite und wenn Sie nicht bereit sind, ein Risiko einzugehen, können Sie auch nie etwas erreichen und treten über Jahre hinweg auf der Stelle.
Risikobereitschaft ermöglicht dazu auch persönliches Wachstum. Wenn Sie immer nur die sicherste Variante wählen, müssen Sie nie lernen, mit Rückschlägen umzugehen oder sich gegen Widerstände durchzusetzen. Risiken formen und stärken den Charakter. Und bekanntlich steht vor dem großen Erfolg oft der ein oder andere Fehler. Scheitern ist nichts endgültiges, sondern ein Prozess, aus dem sich eine ganze Menge lernen lässt.
Zu guter Letzt erfordert Selbstverwirklichung und Authentizität eine entsprechende Risikobereitschaft. Wie wollen Sie Ihre Träume verwirklichen und Ihre Ziele verfolgen, wenn Sie nicht bereit sind, die damit verbundenen Risiken einzugehen? Risikoscheu mag in einigen Situationen eine gute Wahl sein, doch wenn es drauf ankommt, braucht es den nötigen Mut.
Risikobereitschaft: So lernen Sie mehr zu wagen
Mit einem Risiko sind aber oft auch viele Chancen verbunden, auch wenn diese neben den möglichen negativen Konsequenzen seltener beachtet werden. Wie heißt es so schön: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Das ist jedoch viel leichter gesagt, als getan, denn mit dem Risiko im Nacken verlässt die meisten sehr schnell der Mut. Wir haben einige Tipps gesammelt, die Ihnen zu mehr Risikobereitschaft verhelfen können:
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Üben Sie sich in Realismus
Risiken lassen sich nur schwer einschätzen, doch das ist auch gar nicht immer nötig. Es kann bereits ausreichen, realistisch an die Sache heranzugehen und nicht immer vom schlimmsten Szenario auszugehen. Selbst wenn es nicht so läuft wie geplant, sind die Folgen fast nie so gravierend, wie anfangs vermutet.
Es kann auch helfen, mögliche Abläufe detailliert durchzugehen. Meist erkennt man bereits hier, dass es gar keinen Grund zur Panik gibt und dass der mögliche Nutzen das Risiko mehr als rechtfertigt. -
Legen Sie die Angst vor Fehlern ab
Fehler sind immer unangenehm, besonders wenn diese auch von anderen bemerkt werden. Um zu lernen, Risiken einzugehen, muss die Angst vor Fehlern und Rückschlägen abgelegt werden. Diese sind kein Zeichen von Schwäche, sondern zeigen, dass Sie den Mut hatten, etwas zu riskieren.
Am besten lässt sich diese Angst überwinden, wenn man dabei Unterstützung hat, ein Freund oder die Familie, die einem den Rücken stärkt und versichert, dass sie auch im Falle eines Rückschlags zu uns hält. -
Machen Sie sich einen Plan
Viele fürchten, nicht zu wissen, wie es weitergeht, wenn das Risiko tatsächlich eintritt. Plötzlich steht man da, die Pläne sind gescheitert und vielleicht hat man sogar Geld verloren. Dieser Gedanke kann lähmen und sorgt dafür, dass die sichere Option noch verlockender wird.
Mehr Risikobereitschaft kann man zeigen, wenn man sich bereits im Vorfeld einen Plan machen, an dem man sich entlang arbeiten kann, auch wenn alles schief gegangen ist. Auf diese Weise lässt sich auch im Risiko eine gewisse Sicherheit finden und es fällt leichter, diesen Weg zu gehen.
Die Risikobereitschaft kommt erst, wenn Verluste unvermeidbar scheinen
Es gibt jedoch eine Möglichkeit, um die Risikobereitschaft im Menschen zu wecken: Bereits 1982 veröffentlichten die Psychologen Daniel Kahneman, Paul Slovic und Amos Tversky in ihrem Wertk Judgement under Uncertainty die These, dass die Menschen keine Angst vor dem Risiko an sich, sondern vor den möglichen Verlusten haben.
Ein wichtiger Unterschied, der an einem Beispiel deutlicher wird: Stellen Sie sich einen Pokerspieler vor, der sehr zurückhaltend spielt, kein Risiko eingeht, aber durch schlechte Karten einen großen Teil seines Geldes verloren hat. Ab einem gewissen Punkt, wird er eine große Risikobereitschaft entwickeln und bereit sein, sein restliches Geld auch bei weniger guten Karten zu setzen, um den Verlust doch noch abzuwenden.
Die Erklärung der Psychologen: People tend to avoid risks when seeking gains but choose risks to avoid sure losses. Die Risikobereitschaft steigt also, wenn wir mit einem drohenden Verlust konfrontiert werden.
Ganz konkret kann dieses Verhalten jeder bei sich selbst beobachten. Je schwieriger und scheinbar aussichtsloser die Situation ist, in der wir uns befinden, desto leichter fällt es, alles auf eine Karte zu setzen, um das Ruder doch noch herumzureißen. Droht ein wichtiges Projekt beispielsweise komplett den Bach runter zu gehen und zum Fiasko zu werden, kommen plötzlich neue Strategien und Vorschläge auf den Tisch, die Anfangs noch als viel zu riskant und unüberlegt abgeschmettert wurden.