Bedeutung: Was ist Ambidextrie?
Ambidextrie (englisch: Ambidexterity) bedeutet auf Deutsch übersetzt Beidhändigkeit. Gemeint ist damit die Fähigkeit von Organisationen oder Menschen, vorhandenes Wissen oder Kompetenzen zu nutzen und zu optimieren sowie neues Wissen, neue Technologien und Chancen zu erkunden, um die Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern.
Der Grundgedanke der Ambidextrie ist: Mit vorhandenem Know-how effizient umgehen und gleichzeitig innovativ agieren. Während das operative Geschäft – Prozesse und Abläufe – verbessert wird, werden Forschung, Innovation und die weitere Entwicklung gefördert.
Ambidextrie Intelligenz
Die sogenannte Ambidextrie Intelligenz bedeutet, dass eine Person bestimmte Aufgaben mit beiden Händen gleich gut zu erledigen (Beidhändigkeit im Wortsinn). Zugleich sind ambidextre Menschen in der Lage, unterschiedliche Denkweisen zu nutzen – also zum Beispiel neue Ideen zu entwickeln und dazu gleichzeitig ihre Erfahrungen zu nutzen.
Ambidextrie: Exploration und Exploitation
Bekannt wurde die „organisationale Ambidextrie“ durch Studien von Michael L. Tushman und Charles A. O’Reilly im Jahr 1976. Sie erkannten die Notwendigkeit für Unternehmen, gleichzeitig Exploration und Exploitation zu betreiben:
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Exploration
Exploration bedeutet, Neues zu erkunden. Um innovativ zu bleiben, müssen Unternehmen permanent, Risiken eingehen und Neues erkunden – Technologien oder Geschäftsmodelle.
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Exploitation
Exploitation bedeutet vorhandene Ressourcen besser zu nutzen und zu optimieren. Durch die höhere Effizienz lassen sich die Erfolge ebenfalls kurz- und mittelfristige steigern – was die Flexibilität zur Exploration fördert.
Exploration und Exploitation im Überblick
Exploration | Exploitation |
✚ Erforschen | ✚ Ausbeuten |
✚ Flexibilität schaffen | ✚ Geschäft optimieren |
✚ Innovation | ✚ Effizienz |
✚ Kooperativer, visionärer Führungsstil | ✚ Autoritärer Führungsstil |
✚ Kreativität | ✚ Routine |
✚ Risiko | ✚ Sicherheit |
Formen der organisationalen Ambidextrie
Organisationale Ambidextrie kann unterschiedlich umgesetzt werden. In der Praxis werden drei verschiedene Formen unterschieden:
1. Strukturelle Ambidextrie
Bei struktureller Ambidextrie werden die Unternehmensbereiche getrennt. Ein Teil kümmert sich kontinuierlich um die Verbesserung von vorhandenen Produkten und das operative Geschäft. Der zweite Teil widmet sich der Entwicklung neuer Produkte, erschließt neue Märkte und sucht nach Chancen und bisher ungenutzten Potenzialen.
2. Kontextuelle Ambidextrie
Kontextuelle Ambidextrie zieht alle Mitarbeiter in Exploration und Exploitation mit ein. Das Personal wird ermutigt und befähigt, neben den täglichen Aufgaben neue Dinge auszuprobieren, Entwicklungen anzustoßen und sowohl innovativ als auch kreativ zu denken.
Bekanntes Beispiel ist die 80/20-Regel bei Google. Beim Tech-Konzern sollen Mitarbeiter 80 Prozent der Arbeit täglichen Aufgaben verbringen und 20 Prozent der Arbeitszeit mit innovativen Konzepten beschäftigen.
3. Zeitliche Ambidextrie
Zeitliche Ambidextrie trennt Exploration und Exploitation in nacheinander ablaufende Phasen. Beispielsweise liegt der Fokus am Anfang auf Exploration, um neue Produkte zu entwickeln und Ideen umzusetzen. Sind diese etabliert, geht das Unternehmen in eine Phase der Exploitation über und nutzt die aufgebauten Ressourcen aus.
Was ist Ambidextrie Führung?
Die Idee einer Ambidextrie Führung ist, das Unternehmen „beidhändig“ zu steuern: Einerseits gibt es klare Vorgaben und effiziente Strukturen, die bestehendes Kapital und Mittel optimal ausnutzen. Auf der anderen Seite sorgen Agilität und Veränderungen für mehr Innovationskraft. Wird beides gleichzeitig gemeistert, wird das Unternehmen ambidexter.
Ambidextrie Beispiele in Unternehmen
Die Bedeutung und Notwendigkeit von Ambidextrie zeigt sich in vielen Branchen und Unternehmen. Es reicht nicht aus, sich nur auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren. Wer erfolgreich bleiben will, muss neue Bereiche erschließen und Entwicklungen vorantreiben. Zwei Beispiele für die Bedeutung:
Automobilindustrie
Lange konnte die Automobilindustrie sich auf die Exploitation konzentrieren. In den jüngsten Jahren wird Ambidextrie aber immer wichtiger: Weniger Schadstoffe und mehr Elektromobilität gewinnen an Bedeutung. Bis diese Bereiche aber entwickelt und ausgebaut sind, muss das bestehende Kerngeschäft verbessert werden.
Printmedien
Ähnliche Herausforderungen haben Printmedien schon seit einiger Zeit: Die Leserzahlen für gedruckte Zeitungen, Zeitschriften und Magazine sind rückläufig. Dafür steigt die Nachfrage nach digitalen Inhalten. Unternehmen in diesem Bereich müssen weiterhin ihr klassisches Modell betreiben und optimieren, gleichzeitig digitale Angebote schaffen, um bisherige Kunden zu halten und neue zu gewinnen.
Wie können Unternehmen Ambidextrie umsetzen?
Ambidextrie betrifft das Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter gleichermaßen. Disruptive Geschäftsmodelle verändern den Markt, Effizienz alleine reicht zum langfristigen Erfolg nicht mehr aus. Der einst ausgebaute Wettbewerbsvorsprung schmilzt binnen kürzester Zeit.
Wie können Unternehmen diesen Herausforderungen begegnen? 3 Tipps für erfolgreiche Ambidextrie in Organisationen:
Mitarbeiter
Für Ambidextrie braucht es die richtige Belegschaft. Mitarbeiter dürfen sich nicht am Gedanken „Das haben wir aber schon immer so gemacht…“ festklammern. Es erfordert von allen Beteiligten die Bereitschaft, Neues auszuprobieren, innovativ zu denken und mit der Zeit zu gehen. Die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse können beispielsweise durch Fort- oder Weiterbildungen in den Bereichen vermittelt werden.
Entscheidungswege
Im Rahmen von Ambidextrie muss einerseits die Stabilität eines Unternehmens gewährleistet sein, heißt: Bestimmte Entscheidungswege und Hierarchien bleiben unangetastet. Gleichzeitig gibt es Bereiche, in denen den Mitarbeitern mehr Freiheit gelassen wird oder deren Hauptaufgabe die Innovation ist.
Diese sollten nicht komplett ausgelagert werden. Besser ist eine enge Zusammenarbeit der Bereiche. Oft entstehen wirklich innovative Ideen aus vorhandenen Problemen und Optimierungsversuchen. Je besser die Kommunikation, desto besser können Informationen genutzt und zielführende Konzepte entwickelt werden.
Führungsstil
Ambidextrie ist eine Herausforderung für Führungskräfte: Auf der einen Seite braucht es klare Vorgaben und Strukturen zum Tagesgeschäft. Gleichzeitig sollen gemeinsam mit Mitarbeitern neue Ansätze entwickelt und kreative Prozesse vorangetrieben werden (siehe: Digital Leadership). Vorgesetzte stehen vor der Herausforderung, diese beiden Aspekte umzusetzen.
Eine Lösung können mehrere Führungskräfte sein, die für die unterschiedlichen Themen zuständig sind. Hilfreich ist auch ein situativer Führungsstil. So soll für jede Situation das bestmögliche Verhalten vom Chef gefunden werden.
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