Emotionale Führung: Definition, Vorteile & Tipps für die Umsetzung

Lange Zeit war die gängige Auffassung, dass Mitarbeiterführung etwas mit Stärke zu tun hat. Hierarchie und Machtdemonstrationen inklusive – der Mitarbeiter galt als Kind, das unfähig war, eigene Verantwortung zu übernehmen und selbst Entscheidungen zu treffen. Diesem partriarchalischen Führungsstil, der Mitarbeiter unmündig behandelt, stehen zahlreiche neue Führungsstile gegenüber: Dazu gehört die emotionale Führung. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie einem gewandelten Wertesystem Rechnung tragen. Was genau unter emotionaler Führung zu verstehen ist und wie sie am besten gestaltet wird…

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Definition: Was ist emotionale Führung?

Emotionale Führung bedeutet, dass eine Führungskraft in der Lage ist, sich je nach Mitarbeiter und Situation angemessen zu verhalten und auf die emotionalen Bedürfnisse seiner Mitarbeiter eingehen kann. Das setzt voraus, dass sie ihre eigenen Gefühle sowohl verstehen und einordnen als auch kontrollieren kann. Diese Fähigkeiten fallen nicht vom Himmel, sondern setzen ein hohes Maß an Selbstreflexion, Empathie und emotionale Intelligenz voraus.

Ebenso wie die emotionale Intelligenz wurde der Begriff der emotionalen Führung vom amerikanischen Psychologen Daniel Goleman geprägt. Er arbeitete in seinem gleichnamigen Buch gemeinsam mit den Kollegen Richard Boyatzis und Annie McKee sechs verschiedene Führungsstile (dazu weiter unten) heraus, unter diesen eben auch die emotionale Führung.

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Emotionaler Führungsstil: Alles nur Humbug?

Sobald es um den Beruf geht, sind Emotionen für viele Menschen tabu. Nicht umsonst wird oftmals argwöhnisch auf Menschen geschaut, die nach Ihrer Intuition gehen. Viel zu schnell werden Gefühle als irrational und damit nicht berechenbar, riskant und falsch klassifiziert.

Wer Emotionen im Job als Gefühlsduselei abtut, unterschätzt deren Macht. Um das zu verstehen, muss erklärt werden, was emotionale Führung NICHT ist:

  • Der Chef ist nur nett.
  • Der Chef kritisiert nicht.
  • Der Chef lässt seinen Gefühlen freien Lauf.

Nein, all das ist kein emotionaler Führungsstil, sondern eher unprofessionelles Verhalten. Natürlich wird auch bei emotionaler Führung kritisiert, der Chef kann unzufrieden mit Leistungen sein und es kann Konflikte innerhalb des Teams oder mit dem Vorgesetzten geben. Wurden Fehler gemacht, muss auch emotionale Führung das Thema ansprechen.

Es gibt eben einen Unterschied zwischen konstruktiver Kritik, bei der nach Gründen und Lösungen gesucht wird und einem cholerischen Anfall. Leider achten zu wenige Vorgesetzte darauf, welche Rolle Gefühle im Umgang mit anderen Menschen spielen. Gerade im Arbeitsleben haben diese oftmals keine Berechtigung. Rationalität und Sachlichkeit werden als das Maß aller Dinge gesehen. Das erklärt auch, dass einigen Vorgesetzten ihr eigenes Verhalten und die daraus resultierenden Konsequenzen nicht klar sind.

Viele Mitarbeiter unzufrieden mit dem Führungsstil

Emotionale Führung ist vergleichsweise neu und viele Manager stehen vor der Frage: Lohnt es sich, den eigenen Führungsstil anzupassen? Dabei sollte zunächst verstanden werden, dass es einen Unterschied zwischen Chef oder Vorgesetztem einerseits und Führungskraft andererseits gibt. Nicht umsonst wird gerne auf Begriffe aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum zurückgegriffen und von Leadership gesprochen.

Emotionale Führung kann eine gute Alternative sein. Viele Chefs halten sich bereits selbst gut im Job: Gallup-Studien kommen auf bis zu 97 Prozent der Vorgesetzten, die sich selbst gut einschätzen. Unglücklicherweise sieht eine Mehrheit der Mitarbeiter das anders. Ganze 79 Prozent sprechen ihren Chefs gute Führungsqualitäten ab. Sie fühlen sich nicht genügend motiviert, um hervorragende Arbeit zu leisten und auch die Bindung an das Unternehmen ist gering.

Nun kann man spekulieren, inwieweit die Ansprüche einiger Mitarbeiter bisweilen unrealistisch sind oder sich in solchen Umfragen Frust auf den Job und den Chef zeigt. Unterm Strich bleibt jedoch die Aussage, dass eine große Lücke zwischen Selbstwahrnehmung und Außenwahrnehmung klafft. Emotionale Führung kann ein Weg sein, besser auf Mitarbeiter einzugehen, zu einer besseren Arbeitsatmosphäre und mehr Zufriedenheit beizutragen.

Autoritäre Führung nicht mehr zeitgemäß

Der autoritäre Führungsstil setzt unbedingten Gehorsam und die sofortige Umsetzung sämtlicher Befehle voraus. Eigenständiges Denken oder gar Verantwortung sind nicht gefragt. Ideen und Kreativität werden so gehemmt, Fortschritt ebenfalls. Kaum ein Arbeitnehmer kann unter solch einem Herrschen arbeiten. Auf Dauer entstehen Frust und Demotivation – viele Mitarbeiter gehen in die innere Kündigung und sitzen nur noch Arbeitszeit ab. Andere reichen direkt die Kündigung ein.

Genau das kann sich aber kein Unternehmen leisten. Mag der Weggang eines einzelnen Mitarbeiters noch zu verschmerzen sein, führt eine dauerhafte Fluktuation zu einem schlechten Betriebsklima. Darüber hinaus ist der Fachkräftemangel ein Problem, mit dem bereits einige Branchen zu kämpfen haben. Und nicht zuletzt bedeutet der Weggang qualifizierter Fachkräfte, das eine neue Person erst wieder eingearbeitet werden muss. Damit werden erneut wertvolle Ressourcen gebunden, Gelder verschwendet. All das wäre zu verhindern, wenn die Vorzüge emotionaler Führung angewendet würden.

Führungsstile nach Weber und Lewin

Die Konsequenzen eines falschen Führungsstils sind kein neues Thema. Namhafte Wissenschaftler wie Kurt Lewin oder Max Weber haben bereits die Merkmale sowie Vor- und Nachteile von Führungsstilen untersucht. Die Beobachtungen überschneiden sich, weshalb wir die Beurteilung der Führungsstile teilweise zusammengefasst haben:

  • Autokratisch

    Weber spricht vom autokratischen Führungsstil, Lewin vom autoritären oder hierarchischen. Beiden Definitionen gemeinsam ist, dass es einen Befehlshaber und einen Befehlsempfänger gibt. Der Chef ist über jede Kritik erhaben, Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeiter sind uninteressant. Weber kennt außerdem noch einen patriarchalen Führungsstil, der sich allerdings nicht groß vom autokratischen unterscheidet, außer im Selbstverständnis des Chefs als Vaterfigur. Die klaren Vorgaben diese Art der Mitarbeiterführung bedeuten Sicherheit für die Angestellten. Gleichzeitig wird jede Kreativität erstickt. Nur in bestimmten Situationen beziehungsweise Organisationsformen ist beispielsweise der autoritäre Führungsstil geeignet.

  • Charismatisch

    Führungskräfte mit Charisma besitzen eine äußerst seltene Gabe. Ihnen gelingt es mühelos, ihre Mitarbeiter zu motivieren. Das führt dazu, dass die Angestellten oft aus sich heraus zu großem Engagement bereit sind. Gefährlich wird es für sie, wenn sie an einen manipulativen Chef geraten, der mit seiner Redegewandtheit sein Team einlullt. Hier gibt es einige Überschneidungen zum visionären Führungsstil nach Goleman.

  • Bürokratisch

    Die bürokratische Führung zeichnet sich durch wechselnde Führungspersonen aus, die für begrenzte Zeit ihre Machtbefugnis ausüben. Klare Richtlinien und Dienstanweisungen regeln den Arbeitsablauf. Diese Strukturen ermöglichen eine geringere Gefahr des Machtmissbrauchs im Vergleich zu anderen Unternehmen. Nachteilig wirkt sich die mangelnde Flexibilität durch die starren Vorschriften und Regelungen aus, da so in Krisensituationen nicht zeitnah reagiert werden kann. Auch ermöglichen die Vorgaben wenig Selbständigkeit, so dass die Eigeninitiative der Mitarbeiter gering ausgeprägt ist.

  • Laissez-faire

    Dieser Führungsstil verdient kaum die Bezeichnung, da die Mitarbeiter im Wesentlichen sich selbst überlassen sind. Das kann kreative Prozesse anstoßen. In Krisensituationen rächt sich Laissez-faire jedoch, da klare Vorgaben fehlen. Außerdem laufen in Teams gruppendynamische Prozesse ab, die sich nachteilig auswirken: Oftmals gibt es eine Persönlichkeit, die Machtbefugnisse an sich reißen möchte und/oder einzelne Mitarbeiter werden ausgegrenzt.


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Emotionale Führung: Zusammenfassung der Führungsstile nach Goleman

Vorgesetzte, die mit emotionaler Führung arbeiten, sind erfolgreicher – So argumentieren die Forscher Goleman, Boyatzis und McKee. Solche Führungskräfte etablieren ein Arbeitsklima, in dem sich Mitarbeiter ernst genommen fühlen. Sie fühlen sich verstanden, da sie als Menschen behandelt und wertgeschätzt werden werden und nicht nur reine, austauschbare Befehlsempfänger sind.

Dabei unterscheiden die Wissenschaftler eine Reihe von modernen Führungsstilen, zu denen auch die emotionale Führung zählt:

  • Visionäre Führung

    Visionäre Führungskräfte können sich dank ihrer Empathie gut in ihre Mitarbeiter hineinversetzen und schaffen es, ihr Team auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. Die gemeinsame Vision schweißt das Team zusammen. Diese Art der Mitarbeiterführung ist zu empfehlen, wenn größere Veränderungen geplant sind und die Mitarbeiter eine klare Richtung brauchen.

  • Coachende Führung

    Der coachende Führungsstil eignet sich nicht nur für den Leistungssport. Hier wird auf die individuellen Stärken und Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters geachtet. Diese Art der Mitarbeiterführung ist sehr zeitintensiv. Allerdings können der Chef und seine Mitarbeiter durch häufige Feedbackgespräche viel Vertrauen aufbauen.

  • Emotionale Führung

    Vorgesetzte, die den emotionalen Führungsstil praktizieren, legen Wert auf Harmonie und sind für ihre Mitarbeiter Ansprechpartner bei persönlichen Problemen. Das ist gerade gut geeignet, wenn einzelne Mitarbeiter beispielsweise Probleme mit Kollegen haben. Das positive Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeitern stärkt die Loyalität und das Wir-Gefühl. Die emotionale Führung wird idealerweise nie als alleiniger Führungsstil verstanden, sondern immer in Kombination mit anderen.

  • Demokratische Führung

    Die Teilhabe der Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen ist bei diesem Führungsstil am höchsten. Auf der einen Seite signalisiert das eine hohe Wertschätzung der Mitarbeiter, da sie nun ebenfalls Verantwortung übernehmen. Das führt zu selbständig denkenden Individuen und zahlt sich beispielsweise aus, wenn der Chef zur Abwechslung um Rat fragt. Die gemeinsam getroffenen Entscheidungen stoßen meist auf viel größere Akzeptanz als wenn ein Vorgesetzter seinen Mitarbeitern einfach etwas befiehlt. Andererseits können Gruppendiskussionen ins Endlose laufen, wenn der Chef nicht von Zeit zu Zeit Entscheidungen trifft.

  • Fordernde Führung

    Bei diesem Führungsstil steht vor allem der Leistungsgedanke im Vordergrund. Die Leistung soll gesteigert werden, um noch höhere Ziele zu erreichen. Das kann mit ehrgeizigen, sehr leistungswilligen und kompetenten Mitarbeitern für eine gewisse Zeit funktionieren. Passend ist diese Art der Führung beispielsweise, wenn es gilt, auf den letzten Metern bis zum Abschluss eines Projekts noch durchzuhalten und die Mitarbeiter zu motivieren. Wird allerdings dauerhaft Druck ausgeübt, kann das in Überforderung oder Burnout enden. Dieser Führungsstil sollte daher immer mit der visionären oder emotionalen Führung kombiniert werden.

  • Befehlende Führung

    Der Vorgesetzte erteilt Befehle und die werden ohne Wenn und Aber befolgt. Dieser Führungsstil verlangt nahezu absolute Kontrolle bis zum Mikromanagement. Da so ein Verhalten üblicherweise kein Vertrauen aufbaut, empfiehlt er sich nur in Not- und Krisensituationen. Bestimmte Organisationen wie etwa Feuerwehr oder Polizei haben Aufgaben, die oftmals schnell erledigt werden müssen. Würden Anordnungen hier infrage gestellt, hätte das dramatische Konsequenzen. In Unternehmen kann die befehlende Führung notwendig sein, um Fehler schnell auszubügeln. Damit die Befehle problemlos akzeptiert werden, braucht es meistens jemanden mit viel Know-how und Menschenkenntnis, der dennoch den richtigen Ton trifft.

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Emotionale Führung in Kombination mit Führungsstilen

Goleman will einen guten Führungsstil gar nicht mal so verstanden wissen, dass ausschließlich die emotionale Führung angewandt wird. Wichtig ist vielmehr zu wissen, wann welcher Führungsstil sich für eine Situation eignet. Führungskräfte müssen daher die Charakteristika der verschiedenen Führungsstile und ihre Auswirkungen kennen.

Ursächlich dafür, dass Chefs mit emotionalem Führungsstil so erfolgreich sind, ist Goleman zufolge nämlich die Tatsache, dass dieser zu den resonanten Führungsstilen gehört. Die beiden letztgenannten Führungsarten, die fordernde und die befehlende, gehören zu den dissonanten.

Dissonante Führungsstile erzeugen – wenn dauerhaft und ausschließlich angewandt – eher negative Stimmung in der Belegschaft und sind oftmals Zeichen einer toxischen Führung. Resonante Führungsstile erzeugen eine positive, konstruktive Stimme im Unternehmen. Diese Stimmung ist es, die Arbeitnehmer mit Freude und Spaß zur Arbeit gehen lässt, die die Mitarbeitermotivation aufrecht erhält.

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