Was ist die Fehlerkultur in einem Unternehmen?
Ursprünglich stammt die Thematik der Fehlerkultur aus den Sozialwissenschaften, wurde jedoch schnell in den wirtschaftswissenschaftlichen Bereich übernommen und spielt seitdem eine wichtige Rolle in der Unternehmenskultur. Als Fehlerkultur wird dabei der Umgang mit und die Reaktion auf Fehler in einer Gesellschaft, Gruppe oder eben einem Unternehmen bezeichnet.
In Deutschland wird gerne von einer Leistungs- oder Erfolgsgesellschaft gesprochen, was bereits deutlich macht, wie es um die Fehlerkultur gestellt ist. Von einer Nulltoleranz-Denkweise zu sprechen, würde möglicherweise ein Stück zu weit gehen, sicher ist aber, dass Fehler und Scheitern ungern gesehen sind. Wenn etwas nicht gut läuft, wird es in den Mantel des Schweigens gehüllt. Man schämt sich für Fehler und fürchtet, mit sozialer Ausgrenzung gestraft zu werden.
Leider wird dies in vielen Unternehmen nicht nur übernommen, sondern regelrecht auf die Spitze getrieben. Die Devise lautet: Für Fehler ist im Job kein Platz. Mitarbeiter, die sich daran nicht halten, werden kritisiert, bekommen eine ordentliche Standpauke vom Chef oder werden irgendwann rigoros aussortiert.
All das geschieht unter der Zielsetzung, Fehler in Zukunft zu reduzieren, das Ergebnis und die Leistung zu verbessern und somit erfolgreicher zu werden. In Wahrheit bringt eine solche Fehlerkultur in Unternehmen jedoch rein gar nichts.
Fehlerkultur: Wann es falsch ist, Fehler zu bestrafen
Eine Fehlerkultur, die auf Bestrafung basiert, soll Mitarbeiter dazu anhalten, weniger Fehler zu machen. Durch Abschreckung und negative Impulse soll ein Lerneffekt erreicht werden. Mit der Angst vor der Bestrafung kommt größeres Engagement, mehr Aufmerksamkeit und Sorgfalt – das Ende der Fehler dank einer harten Fehlerkultur. Leider sieht die Realität anders aus.
Ob es sich dabei nun um eine deftige Ansprache vom Chef oder gleich um eine arbeitsrechtliche Abmahnung handelt: Einen Fehler zu bestrafen, hilft nicht dabei, diese zukünftig zu verhindern und die Leistung zu steigern. Es bewirkt zum Teil sogar das genaue Gegenteil.
Dahinter steckt eine simple Erklärung. Wer Angst hat, einen Fehler zu machen, dem misslingt noch eher etwas. Vielleicht kennen Sie das Phänomen, wenn Sie beispielsweise ein sehr volles Glas tragen und sich mit aller Macht darauf konzentrieren, dass bloß nichts überschwappt. Je stärker Sie es vermeiden wollen, desto sicherer landet etwas auf dem Boden.
Sollte eine solche Fehlerkultur doch dazu führen, dass Angestellte ihr Verhalten anpassen, dann ganz sicher nicht so, wie es Arbeitgeber sich vorgestellt haben. Mit einer möglichen Bestrafung im Hinterkopf sollen zwar tatsächlich Fehler vermieden werden, allerdings wirkt sich das nicht positiv auf die Leistung aus. Vielmehr wird nur noch sehr vorsichtig und zurückhaltend gearbeitet. Eigene Ideen werden nicht umgesetzt, jedes Risiko gemieden, Produktivität und Engagement lassen nach.
Es wird nicht mehr gearbeitet, um Projekte abzuschließen und Erfolge zu erzielen, das Hauptziel besteht nur noch in der Fehlervermeidung, wodurch Ergebnisse komplett ausbleiben. Erschwerend hinzu kommt, dass die daraus resultierende Fehlerreduktion von einigen Führungskräften fälschlicherweise als positiver Effekt der vorherrschenden Fehlerkultur gewertet wird, wodurch diese sich in ihrem Verhalten bestätigt fühlen. Der harte Umgangston hat doch gewirkt…
Fehlerkultur darf nicht falsch verstanden werden
Unternehmen wird immer wieder geraten, eine positive Fehlerkultur aufzubauen und langfristig zu etablieren. Ein gut gemeinter und richtiger Ratschlag, bei dem es jedoch zu einem Missverständnis kommen kann.
Eine positive Fehlerkultur bedeutet nicht, dass Fehler einfach ignoriert werden. Vorgesetzte sollen nicht so tun, als wäre nichts passiert und hinter einer solchen Fehlerkultur verbirgt sich nicht die Freikarte, die Sorgfältigkeit bei der Arbeit schleifen zu lassen und so viele Fehler zu machen, wie man will. Um eine erfolgreiche Fehlerkultur im Unternehmen zu erreichen, braucht es den richtigen Umgang mit Fehlern – kein Wegschauen und die Mitarbeiter sich selbst überlassen.
Das kann im schlimmsten Fall wirklich das im Team ein Fehler nach dem anderen gemacht wird. Lebt der Chef das Desinteresse vor, schwindet auch der Ansporn bei den Mitarbeitern. Will ein Unternehmen wirklich an der eigenen Fehlerkultur arbeiten, sollte dabei auf einige Punkte geachtet werden:
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Fehlerkultur: Keinen Schuldigen suchen
In einer positiven und konstruktiven Fehlerkultur geht es nicht darum, mit dem Finger auf jemanden zeigen zu können, um zu sagen Du hast etwas falsch gemacht! Das führt zu nichts, außer Frustabbau und Erleichterung des eigenen Gewissens.
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Fehlerkultur: Keine Drohungen und Konsequenzen
Wenn so etwas noch einmal passiert… oder Das ist wirklich die schlechteste Arbeit, die ich je gesehen habe… Erwartet wirklich jemand, dass ein solcher Umgang mit Fehlern hilfreich ist? Engagierte Mitarbeiter wissen bereits selbst, dass Sie einen Fehler gemacht haben und fühlen sich schlecht genug. Ein Patzer ist zwar ärgerlich, doch mit Schreien, Drohungen oder Konsequenzen ist die Situation auch nicht mehr zu ändern. Wer das versucht, schaut nur in die Vergangenheit und zeigt einen schlechten Umgang mit seinem Team.
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Fehlerkultur: Analyse der Situation
Eine gute Fehlerkultur konzentriert sich nicht darauf, wer einen Fehler gemacht hat oder wie dieser bestraft werden kann, sondern stellt die wirklich wichtigen Fragen: Wie konnte es dazu kommen? Wodurch ist der Fehler aufgetreten? Wie wahrscheinlich ist es, dass es wieder passiert? Was kann daraus gelernt werden? Wie können Mitarbeiter und Führungskräfte ähnliche Fehler verhindern?
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Fehlerkultur: Erkennen von Optionen
Zuletzt sollten Unternehmen in Ihrer Fehlerkultur die Möglichkeiten sehen und den Blick nach vorne richten. Ja, ein Fehler kann schmerzlich sein und möglicherweise Geld kosten – gänzlich vermeiden lässt es sich jedoch nicht. Warum also nicht das Potenzial dahinter nutzen? Gemachte Fehler zeigen Potenziale und Verbesserungsmöglichkeiten auf, die bisher ungenutzt bleiben.
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