Personalentwicklung: Ich doch nicht!
„Als wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“ Soll angeblich (auch) Mark Twain so schön gesagt haben.
Ein Zitat, das auch die Problematik der Personalentwicklung ganz gut beschreibt. Denn die Folgen einer unausgegorenen, planlosen und kurzsichtigen Personalpolitik werden immer erst dann sichtbar, wenn das Kind schon im Brunnen nach Hilfe schreit. Dann wird eifrig, geflickschustert, improvisiert, gemacht und getan.
Besser, man hätte das Ziel viel früher ins Visier genommen, agiert statt reagiert und vorausschauend geplant. Besser, man hätte sich vorher auf eine strategische – im Fachsprech: auf eine systemische – Personalentwicklung verständigt.
Mit dem Begriff Personalentwicklung ist im Grunde die Gesamtheit aller betrieblichen Bildungsmaßnahmen gemeint, die darauf abzeilen, die Mitarbeiter und ihre Kompetenzen zu erhalten und weiterzuentwicklen. Es ist ein kontinuierlicher und zielgerichteter Prozess, der – im besten Fall – im Unternehmen strategisch verankert ist.
Personalentwicklung: Warum ist sie wichtig?
Globalisierung, Strukturwandel, Digitalisierung – Buzzwords, die für Mega-Trends stehen. Trends, auf die man sich vorbereiten sollte. Auch der demographische Wandel und der vielbeschworene Fachkräftemangel gehören in diese Kategorie. Wie wirken sich diese Trends auf mein Unternehmen aus? Experten betonen beispielsweise: Zwar ist ein Ende des weltweiten Bevölkerungswachstums nicht in Sicht, aber die Zahl der gut ausgebildeten, kompetenten Fachkräfte steigt längst nicht so rapide. Der Talentepool wird also nicht zwingend größer, erst recht nicht in Deutschland – trotz offener Arbeitsmärkte und/oder steigender Einwanderung.
Logische Schlussfolgerung aus Unternehmenssicht: Die Experten, die man in den eigenen Reihen hat, gilt es möglichst gut zu entwickeln, zu fördern, zu sichern. Eine systematische Personalentwicklung hilft dabei. Sie sichert vor allem die Attraktivität des Arbeitgebers.
Denn, und dieser Aspekt ist entscheidend: Auch Mitarbeiter wollen die Gewissheit haben, in ihrem Unternehmen marktfähig zu bleiben. Wie wirkt sich ein Wechsel – oder ein Verbleib – auf meine künftigen Berufsperspektiven aus? Verbessere ich mein Standing, wenn ich zu Arbeitgeber XY wechsele? Oder falle ich mittelfristig eher zurück?
Mit anderen Worten: Um kompetente Mitarbeiter überhaupt für sich zu gewinnen, sollte man sicherstellen, dass sie für Konkurrenten attraktiv bleiben oder werden. Der Trick ist: Wer gut geführt, gefördert und qualifiziert wird, hat in der Regel gar keinen Grund – und kein Interesse – mehr zu wechseln. Eine kluge Personalpolitik und -entwicklung erhöht also die Chancen, dass die eigenen Leute nicht von der Fahne gehen.
Personalentwicklung: Wo ist das Problem?
Eine vorausschauende Personalplanung steht am Anfang der Überlegungen.
- Wer geht in den nächsten Jahren in Rente?
- Welche Kompetenzen benötigen wir in Zukunft?
- Wie kann ich eine Lücke kurzfristig stopfen – zum Beispiel bei einer Schwangerschaft?
- Wie mache ich Mitarbeiter AB fit für die nächsten zehn Jahre?
Diese und ähnliche Fragen gilt es systematisch zu erfassen, alle Eventualitäten einzukalkulieren. In größeren Unternehmen ist das Personalbüro dafür zuständig, in KMU ist es dagegen häufig ein Problem. Denn eine derartige Personalentwicklung ist aufwendig, zeitintensiv und teuer. In kleineren Unternehmen steht die Frage im Raum: Wer kümmert sich eigentlich darum?
Folge: Viele Unternehmen sourcen die Personalentwicklug an externe Dienstleister aus, um Kosten zu sparen und sich das leidige Thema vom Hals zu halten. In anderen – ohne eigene Personalabteilung – übernimmt der Chef das Thema, hat aber meist weder Zeit noch Lust, daraus eine Staatsangelegenheit zu machen. Beides ist nicht verwerflich, zeigt aber jeweils, dass die Prioritäen der Firma nicht unbedingt auf den eigenen Mitarbeitern liegen.
Personalentwicklung: Die Instrumente
Das ist – nicht selten jedenfalls – ein Fehler. Eine zukunftsgewandte Personalentwicklung stellt das Unternehmen gut auf und bietet diese wesentlichen Vorteile …
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Talentförderung
Eine oft bemühte Management-Vokabel ist die des Slack-Managements. Slack heißt, bei den Mitarbeitern Potentiale freizukitzeln und in abrufbare Befähigungen zu transferieren. Wer einen Mitarbeiter für ganz neue Tätigkeiten trainiert – auf Verdacht quasi – steigert dessen Wert. Die Job Rotation wäre eine konkrete Möglichkeit, dieses Ansinnen in die Tat umzusetzen. Möglicher Nebeneffekt der Talentförderung: ein Motivationsschub und die Option, den Mitarbeiter bei Bedarf auch in anderen Tätigkeitsfeldern einzusetzen. Weitere Vorteile: Die Mitarbeiter werden auf sich verändernde Rahmenbedingungen eingestellt, fit und zukunftsfest gemacht. Das wiederum steigert die Attraktivität des Arbeitgebers.
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Kommunikation
Was lief gut? Was weniger? Im klassischen Mitarbeitergespräch werden Ergebnisse geprüft und kontrolliert, Stärken und Schwächen analysiert, neue Zielvereinbarungen festgelegt. Auch eine Potenzial-Analyse kann helfen, versteckte Talente freizulegen und noch brachliegende Skills herauszukitzeln. Ein Einzel- oder Team-Coaching kann ein weiterer Baustein sein.
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Unternehmensleitbild
Leitbilder und Leitlinien geben Mitarbeitern Orientierung, schaffen im besten Fall auch ein Gefühl des Zusammenhalts und der Identifikation. Sie geben einen festen Rahmen in Bezug auf Wertschätzung, Kommunikation, Kundenorientierung und den Umgang mit Konflikten vor. Ein Gewinn für die Unternehmenskultur und für jeden Einzelnen.
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Wissensmanagement
Wissen speichern und für alle verfügbar machen. Das Prinzip von Wikipedia – oder des gesamten Internets – gewissermaßen auf das eigene Unternehmen übertragen, damit alle Mitarbeiter davon profitieren. So werden Szenarien vermieden wie jenes, über das Ex-Vorstandschef Heinrich von Pierer 1995 auf der Bilanzpressekonferenz von Siemens seinen legendären Seufzer in die Mikros sprach: „Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß.“
Personalentwicklung: Was wichtig ist
Die Erfahrung zeigt: Der konkrete Nutzen für das Unternehmen muss möglichst detailliert aufgezeigt werden, sonst kommt die Personalentwicklung nicht über das Planungsstadium hinaus – und nicht am Chefsessel vorbei. Kerngrößen sind zum Beispiel die Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeitertreue, Mitarbeiterproduktivität. Wer Ziele definiert und Ergebnisse dokumentiert, geht einen wichtigen Schritt. Was Unternehmen auch beachten sollten …
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Budget einfordern
Die Aufgabe der Personalabteilung ist es, ein Budget zu erkämpfen. Der Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens muss nachgewiesen werden können – systematische Planung ist also vonnöten. Getreu dem englischen Manager-Satz: „If you can’t measure it, you can’t manage it.“
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Keine Ausreden zulassen
Nicht jeder Mitarbeiter ist – oder wirkt – hochmotiviert, was bei manchem Personaler die Aussage provoziert: „Die haben doch gar keine Lust“ oder gar „Die sind einfach zu blöd“. Das ist zum einen despektierlich, zum anderen aber auch eine wunderbare Ausrede, um die Maßnahmen einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Ziel der Personalentwicklung muss es sein, nicht nur High Potentials zu fördern, sondern auch vermeintliche Mitläufer und Abgehängte, jeden im Rahmen seiner Möglichkeiten weiterzuentwickeln.
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Integration fördern
Auch dazu leistet gute Personalentwicklung einen Beitrag. Zielgruppe von Integration sind aber keineswegs (nur) – wie es der politische aufgeladene Terminus vermuten lässt – Flüchtlinge. Jedes Unternehmen muss laufend eine Vielzahl an Menschen und Gruppen integrieren und re-integrieren: Eltern nach der Babypause, rückwandernde Expatriates, Rückkehrer nach dem Sabbatjahr …
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Ältere nicht vergessen
Altersforscher weisen immer wieder darauf hin, wie wichtig lebenslanges Lernen ist. Entscheidend ist vor allem, dessen Wert möglichst früh im Leben zu verinnerlichen. Wer unmittelbar nach seinem Studium alle Bücher ins Meer wirft, baut – vermutlich – geistig sehr viel früher ab, altert schneller, kann sich später schwerlich an neue Situationen anpassen. Schon aus diesem Grunde ist es wichtig, kontinuierlich neue Impulse zu setzen. Für Unternehmen eine Investition in die Zukunft des Mitarbeiters – und damit in die eigene.