Shared Leadership Definition: Was ist geteilte Führung?
Shared Leadership ist vereinfachte gesagt erst einmal genau das, was der Name verspricht: Die Teilung der Führungsrolle nicht auf einen Vorgesetzten, sondern auf verschiedene Personen. Führungsaufgaben werden aufgeteilt, anstatt diese nur auf einem Paar Schultern zu tragen. Die übliche Position des einen einzelnen Vorgesetzten oder Chefs fällt dabei weg, stattdessen wird die Führung von mehreren Führungspersönlichkeiten übernommen, die dabei nicht unbedingt höher in der Unternehmenshierarchie einzuordnen sind.
Gleichzeitig ist Shared Leadership ein Überbegriff für verschiedene Modelle der Führungsarbeit, die sich in der Gestaltung ähneln. Dazu erklärt Johannes Moskaliuk, Diplompsychologe, Wissenschaftler an der Universität Tübingen und Coach für Führungskräfte:
Unter dem Begriff geteilte Führung lassen sich viele unterschiedliche Führungskonzepte zusammenfassen. Beim Management by Exception haben Mitarbeitende zum Beispiel eine hohe Eigenverantwortung, die Führungskraft entscheidet nur bei Ausnahmefällen. Bei der Transformationalen Führung stehen die gemeinsamen Ziele und Werte im Mittelpunkt, die Führungskraft möchte die Mitarbeitende für eine gemeinsame Mission begeistern.
Transaktionale Führung, partizipative Führung oder charismatische Führung sind weitere Begriffe, die ein ähnliches Führungskonzeptbeschreiben.
Zusätzlich nennt Moskaliuk wichtige Merkmale von Shared Leadership und geteilter Führung:
- Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der einzelnen Teammitglieder wird als Chance für innovative Lösungen und Ideen verstanden.
- Die Führungskraft inspiriert und motiviert die einzelnen Teammitglieder und koordiniert die Vielfalt des Teams.
- Die Führungsverantwortung ist auf mehrere Personen im Team aufgeteilt.
- Die Teammitglieder geben je nach Anforderungen der Situation und der Aufgabe Führung ab – oder übernehmen sie.
- Entscheidungen werden im Team gemeinsam getroffen, alle Teammitglieder übernehmen Verantwortung für das Ergebnis.
- Das Team hat geteilte Ziele und eine gemeinsame Vision.
Shared Leadership in der Praxis
Ein Beispiel für Shared Leadership könnte in etwa so aussehen: Das Team wird über ein großes anstehendes Projekt informiert, Ziele und Erwartungen des Kunden werden besprochen und dokumentiert – und im Anschluss übernehmen die Mitarbeiter selbst und eigenständig die weitere Führungsarbeit. Sie teilen Verantwortungen zu, arbeiten selbstständig, treffen Entscheidungen und sprechen sich ab. Dabei kann die Führungsrolle immer wieder wechseln oder gleichzeitig von mehreren übernommen werden – angepasst an die gerade anstehende Aufgabe, das Know How und die Erfahrung der jeweiligen Mitarbeiter.
Warum eigentlich Shared Leadership?
Braucht es wirklich einen weiteren Ansatz, wie Führungsarbeit verändert oder verbessert werden kann? Und muss das Konzept der Führungskraft so komplett überdacht und neu erfunden werden, wie es im Shared Leadership der Fall ist? Schließlich hat es seit vielen Jahren gut funktioniert, einen Chef in der Vorgesetztenrolle zu haben. Natürlich gibt es keinen Zwang, dass Unternehmen sofort ihr Konzept der Personalführung umgestalten müssen, doch entstehen neue Konzepte wie das Shared Leadership nicht ohne Grund, sondern werden durch die Umstände begünstigt, gefördert und zum Teil auch notwendig.
Die Arbeitswelt hat sich gerade in den letzten Jahren immer weiter und zum Teil sehr stark verändert. Altbekannten Führungsstilen werden ihre Grenzen aufgezeigt. Was es braucht, sind innovative Führungsmodelle, die den neuen Erwartungen und Anforderungen entsprechen und gewachsen sind.
Aufgaben und Projekte werden immer komplexer, erfordern ständige Anpassungen und schnelle Reaktionen. Gleichzeitig hat sich auch das Verständnis vieler Mitarbeiter zu ihrer Arbeitsstelle geändert. Den wenigsten reicht es, immer nur Befehle zu befolgen und zu tun, was sie gesagt bekommen. Moderne Arbeitnehmer wollen Verantwortung übernehmen, mitgestalten und -entscheiden, um motiviert und engagiert zu sein.
Die Vorteile von Shared Leadership
Durch Shared Leadership soll – wie bei anderen Führungsstilen und -modellen – eine erfolgreiche Zusammenarbeit erreicht werden. Der Erfolg kann dabei in verschiedenen Dimensionen erfasst werden. Dazu zählt in jedem Fall die Motivation der Mitarbeiter, deren Leistungsbereitschaft, Engagement und der Wille, sich einzubringen und im Job sein Bestes zu geben.
Erfolgreiche Führung misst sich aber auch an der Leistung des Teams – die auch ohne klare Ansagen von oben stimmen muss, um als Unternehmen wirtschaftlich zu arbeiten und mit der Konkurrenz mithalten zu können. Kann Shared Leadership beides? Ja, sagt Johannes Moskaliuk und bezieht sich dabei auf eine Meta-Studie aus dem „Journal of Applied Psychology“, in der die Auswirkungen von geteilter Führung untersucht werden.
Das Ergebnis: Ein positiver Zusammenhang zwischen Shared Leadership und der Leistungsfähigkeit des Teams. So lassen sich die Vorteile des Shared Leadership zusammenfassen:
- Die Einstellung gegenüber dem Team ändert sich. Die Mitarbeitenden sind zufriedener, identifizieren sich mehr mit dem Team und es kommt zu weniger emotionalen Konflikten.
- Das Verhalten im Team wird kooperativer. Geteilte Führung hängt positiv zusammen mit dem Zusammenhalt und der Zusammenarbeit im Team, sowie mit der Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen.
- Die messbare Leistung des Teams steigt. Das zeigt sich in subjektiven Maßen wie der Selbsteinschätzung des Teams, der Führungskraft oder übergeordneter Führungskräfte. Aber auch objektiven Maße, wie eine gesteigerte Produktivität oder höhere Verkaufszahlen, belegen den Vorteil von geteilter Führung.
Besonders deutlich konnte der positive Effekt auf die Einstellung gegenüber dem Team nachgewiesen werden. Mitarbeiter fühlen sich im Shared Leadership wohler, sind zufriedener mit dem Job und langfristig möglicherweise sogar loyaler dem Arbeitgeber gegenüber. Und zufriedene Mitarbeiter sind in der Regel auch produktive und erfolgreiche Mitarbeiter, die ihre Motivation in Leistung umsetzen.
Wann ist Shared Leadership besonders sinnvoll?
Unternehmen müssen sich zunehmend mit dem Thema der Führungsarbeit beschäftigen und oftmals auch neue Ansätze finden, um mit der Zeit zu gehen. Der Wandel der Arbeitswelt ist längst nicht abgeschlossen, sondern wird gerade in den Bereichen der Digitalisierung, neuer Arbeitsformen, verschiedener Arbeitszeitmodelle und der Dezentralisierung der Arbeit weiter fortschreiten.
Dabei kann es auch um das Thema Shared Leadership gehen, das genau in den Bereichen punktet und Vorteile bringt, die eine immer größere Rolle spielen: Komplexe Aufgaben, vielschichtige Prozesse, heterogene Teams und die Notwendigkeit von Innovation, um erfolgreich zu bleiben. Johannes Moskaliuk sieht den großen Nutzen von Shared Leadership vor allen durch die steigende Komplexität von Projekten und Aufgaben gegeben:
Bei komplexen Aufgaben hängen die Teammitglieder in hohem Maße voneinander ab, es ist vielfältige Expertise notwendig, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Gleichzeitig muss ständig Wissen ausgetauscht werden, und alle Teammitglieder müssen Verantwortung für das gemeinsame Ziel übernehmen. Das gelingt besser, wenn mehrere Mitglieder Führungsaufgaben übernehmen. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Aufgabe nicht sofort gelöst werden kann oder es zu Rückschlägen kommt. Dann ist der Zusammenhalt im Team und die Kooperation im Team wichtig, um motiviert weiterarbeiten zu können.
Allerdings muss Shared Leadership ein hierarchisches Modell nicht automatisch ablösen und ersetzen. Vielmehr kann es eine Ergänzung zum Führungsstil sein, die geteilte Führung im Team zu ermöglichen und dieses Konzept einzusetzen, wenn die Aufgaben es erfordern und das Team davon profitieren kann. „Es wird auch bei geteilter Führung Situationen geben, in den Entscheidungen hierarchisch getroffen werden müssen, oder einem Team Vorgaben gemacht werden“, sagt Moskaliuk.
Shared Leadership ist kein Gegensatz und schließt andere Führungsansätze nicht aus, sondern kann diese erweitern, verbessern und die nötige Flexibilität bringen, die in der heutigen Berufswelt auch in Führungsetagen immer wichtiger wird.
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