Silodenken Definition: Systemimmanent, aber unnütz
Silodenken meint in erster Linie die starre Fixierung auf die eigene Abteilung: Meine Abteilung – mein Team. Alle anderen sind Feinde.
Die Folge: Jede Abteilung wurschtelt für sich, denkt für sich, entwickelt Lösungen für sich – egal, ob es die vielleicht nicht schon woanders im Unternehmen längst gibt. Ein (gedanklicher) Austausch und eine Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg finden dabei praktisch kaum noch oder nur pro forma statt.
Im Extrem arbeiten die einzelnen Unternehmenseinheiten sogar gegeneinander und sabotieren sich heimlich – wie etwa beim Not-invented-here-Syndrom.
Umso erstaunlicher aber ist: Obwohl Silodenken ein Unwort ist und Sie den Begriff allein im Internet an nicht einer einzigen Stelle in einem positiven Kontext finden werden, herrscht es in zahlreichen Unternehmen und verbreitet sich mancherorts sogar.
Eine mögliche Erklärung für das Entstehen von Silodenken wäre, dass die Ziele einer Abteilung meist wenig bis gar nicht deckungsgleich mit den Zielen des gesamten Unternehmens sein können.
Befindet sich das Unternehmen beispielsweise in Schwierigkeiten und steht vor schmerzhaften Veränderungen und Sparprogrammen, wird die Marketing-Abteilung alles daran setzen, ihr Budget zu verteidigen – und mit ihm die eigenen Arbeitsplätze. Zur Not eben auf Kosten der Unternehmenskommunikation. Und vice versa.
Silodenken kann also existenziell und strategisch sein.
Der Organisationssoziologe Stefan Kühl glaubt sogar, dass Silodenken etwas ganz Normales, geradezu Natürliches sei:
Das Silodenken – das Denken in lokalen Rationalitäten, wie wir das nennen – ist der Mechanismus, der sich in jeder Organisation mit Arbeitsteilung automatisch ausbildet. Daran wird die Digitalisierung überhaupt nichts ändern
Das sagte er in einem Interview mit dem Human Resources Manager.
Für Silodenken gibt es insgesamt so einig Ursachen:
- Abweichende Abteilungs- und Firmenziele (wie schon angesprochen)
- Spezialisierung von Tätigkeiten und Wissen
- Konkurrenz um Ressourcen und Budgets
- Fehlendes Bewusstsein für Silodenken
Silodenken: Die Nachteile
Trotzdem sind sich alle einig, dass Silodenken etwas Schlechtes ist und präventiv bekämpft werden sollte. Zu Recht…
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Es verhindert Engagement
Silodenken kann gleichbedeutend sein mit Ignoranz und Respektlosigkeit.
Bestes Beispiel: Das Not-invented-here-Syndrom. Der Gedanke dahinter: Eine Idee ist nutzlos, wenn sie nicht von mir (bzw. unserem Team) kommt. Wer also seine Mitstreiter im Unternehmen nicht kennt, wertschätzt und respektiert, lässt ihre Ideen an sich abperlen. Das schadet wiederum dem ganzen Unternehmen.
In die gleiche Kategorie fällt dieser Leitspruch: „Dafür bin ich nicht zuständig“. -
Es bremst Innovationen
Silodenken ist ein Hindernis auf dem Weg zur Digitalisierung. Das zeigte zuletzt eine Befragung der Managementberatung Oliver Wyman unter 300 IT-Verantwortlichen.
So werden digitale Projekte unzureichend oder gar nicht aufeinander abgestimmt. Und mangelhafte Kooperation untereinander schmälert die Erfolgsaussichten des gesamten Projekts und Unternehmens. Langfristig sägen die Silodenker also am eigenen Ast, auf dem sie sitzen. -
Es gefährdet den Erfolg
Es soll Startups geben, die über mehrere Tools für das Kundenmanagement verfügen: Jede Abteilung hat ihr eigenes. So werden entsprechend unterschiedliche Erfahrungen mit Kunden gemacht – ein Abgleich findet nicht statt. Womöglich können Kunden das sogar ausnutzen, indem sie die eine gegen die andere Abteilung ausspielen. Nicht clever!
Anderes Beispiel: Unternehmen, in denen die PR-, Marketing- und Vertriebs-Leute ihre eigenen Aufgabenbereiche beackern – ohne nach links und rechts zu schauen. In Zeiten des digitalen Wandels keine gute Strategie.
Silodenken aufbrechen: So gelingt es
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Jobrotation
Die Jobrotation ist ein gesundes Gegenmittel gegen Fachidiotie. Mitarbeiter werden dabei quer durch das Unternehmen geschickt, um zeitweise eine andere Position zu bekleiden, um Wissen und Erfahrungen zu sammeln und den sprichwörtlichen Horizont zu erweitern. Der Rollentausch kann zum Beispiel einen Tag, eine Woche oder einen Monat lang dauern.
Der Social Media-Dienstleister Hootsuite hat sich beispielsweise zum Ziel gesetzt, dass sich am Ende eines Jahres 20 Prozent der Mitarbeiter an einem anderen Arbeitsplatz befinden müssen. Warum? Die Mitarbeiter sollen sich besser verstehen und vernetzen, aber vor allem persönlich weiterentwickeln.
Im Optimalfall wandert auch das Wir-Gefühl auf eine höhere Ebene – weg vom Team oder der Abteilung, hin zum ganzen Unternehmen.
Natürlich hat Jobrotation nicht nur Vorteile: So ist der Platzwechsel mit Kosten und zusätzlichem Aufwand verbunden. Ständig müssen irgendwo Leute neu eingearbeitet und betreut werden. Eine Vertretung muss organisiert, Arbeits- und Produktionsausfälle wollen kompensiert werden.
Und: Jobrotation eignet sich für eine IT-Firma wie Hootsuite mehr als für Maschinenbauer. Ein Schlosser ist eben kein PR-Fachmann und umgekehrt. Aber es gibt vielleicht Produktmanager, PR- und Marketingmenschen, Social Media-Manager, SEOs und SEAs – alles Unternehmensbereiche, die eng miteinander verzahnt sind oder sein sollten. In Handwerksbetrieben oder größeren Unternehmen mit starker Spezialisierung ist Jobrotation weitaus schwieriger – und längst nicht immer sinnvoll. -
Incentivierung
Einzelpersonen – und ganze Abteilungen – werden von Egoismen getrieben. Aber nicht selten trägt auch die Organisation und Kultur eines Unternehmens eine Mitschuld an einer ausgeprägten Einzelkämpfer-Mentalität.
Konkret: Das Incentivierungssystem kann Silodenken begünstigen.
Ein Szenario: Bemüht sich eine Abteilung besonders um Innovation und Optimierung, dann kann es mitunter passieren, dass eine ganz andere Abteilung die Früchte erntet. Wenn nämlich die Innovatoren mehr Umsatz erzielen, ihrer Abteilung aber gleichzeitig ein höherer Anteil an den Fixkosten zugerechnet wird, ohne dass ihre Kosten tatsächlich gestiegen wären. Dann profitieren womöglich andere, die die Füße still gehalten und keine Anstrengungen unternommen haben.
Ergo: Das Bonussystem kann Innovationen abwürgen – und Silodenken begünstigen. In diesem Fall wäre das Management gefragt, das Silodenken durch ein smarteres Bonussystem aufzubrechen.
Dem Gesamtunternehmen nutzen, aber der eigenen Abteilung und damit sich selbst schaden – diesen Weg gehen wohl nur wenige Idealisten. -
Wiki oder Social Intranet
Ein Unternehmenswiki könnte man dem Laien als Firmenbibliothek erklären, als Wikipedia im Zwergenformat.
Ein Wiki dient dem Unternehmen als Wissensspeicher. Als Ort, an dem zum Beispiel das Anforderungsmanagement zugänglich gemacht, Ideen skizziert und ausgetauscht werden. Immer mit der Mission: Möge das Einzelwissen zu Gruppenwissen werden.
Ein Wiki könnte man als großes Projekt verstehen, an dem sich alle beteiligen dürfen und sollen. Als Projekt, das Partizipation und Wissensaustausch fördert. Und Wissen ist genau das, was oftmals unter den einzelnen Silos begraben liegt. Infomation A bleibt in Silo A, Information B in Silo B. Ein Wiki macht die Informationen für alle zugänglich.
In die gleiche Richtung geht das Social Intranet. Es erlaubt die zentrale Speicherung von Informationen. Infos können hier von jedermann gesucht und gefunden werden – ohne organisatorischen Mehraufwand. Auch hier mit dem Ziel, die Monopolisierung von Einzelwissen zu beenden oder zumindest abzuschwächen.
Ungleiche Wissensstände in der Belegschaft einebnen – auch das ein Weg, um Silodenken zu überwinden. -
Interdisziplinäre Teams
Gerade für die Digitalisierung scheint es wichtig zu sein, interdisziplinäre Teams zu bilden.
In interdisziplinären Teams werden die einzelnen Mitglieder zu neuen Denkweisen herausgefordert und mitunter gezwungen, die Position des Gegenübers einzunehmen. Im besten Fall verstärkt das die Identifikation mit dem gesamten Unternehmen – und auch das Engagement der Mitarbeiter.
Besonders stark sind interdisziplinäre Teams, wenn es darum geht, Innovationen voranzubringen. Wenn Marketeers und ITler zusammenarbeiten. Wenn Produktmanager und Kundensupport sich austauschen. Wenn Einkäufer und Category Manager netzwerken. Sie generieren Ideen, pushen neue Entwicklungen. Vor allem kommen sie zu ungewöhnlichen Lösungen, die sich aus der Kombination ihrer unterschiedlichen Mitglieder speist.
Interdisziplinäre Teams brechen Silodenken auf, erfordern aber Arbeitsaufwand – alleine schon bei der Definition eines Projekts. Diese Arbeit in diesen Teams ist anstrengend. Man kann Wissen nicht voraussetzen, wie man es im eigenen Team kann.
Und: Auch die fachliche Expertise einer Abteilung kann im Zusammenwirken verwässert werden. Oft ergibt eins plus eins Zehn. Nämlich dann, wenn sich die Mitglieder gegenseitig stärker machen. Manchmal ergibt eins und eins aber auch null, wenn sie aneinander vorbeireden. -
Regelwerk
Fehlende Kommunikation wird oft als Hauptgrund für intensives Silodenken genannnt. Abteilungen werkeln nebeinander her, kooperieren kaum, haben keinerlei Überschneidungspunkte.
Wie kann man die Kommunikation fördern? Durch Teambuilding-Maßnahmen vielleicht, auch Job Rotation, Social Intranet oder interdisziplinäre Teams haben wir schon gennant.
Was auch helfen könnte, wäre ein starkes Regelwerk, das die Prozesse genauer definiert und allen als Grundlage dient. Wie sind die Kommunikationswege, Veantwortungsbereiche und Weisungsbefugnisse? Wann sollen wir wen informieren? In welchen Fällen ist wer der richtige Ansprechpartner? Welche Dokumente sollen wir wann verwenden? Ziel: eine reibungslose Interaktion ohne Missverständnisse.
Ein Regelwerk legt Standards fest, schafft Transparenz, erleichtert die Kommunikation – und kann ein Baustein im Kampf gegen das Silodenken sein. -
Identifikation
Zum Schluss noch der naheliegendste Aspekt: Eine starke Identifikation kann Silodenken abmildern. Wenn sich die Mitarbeiter mitverantwortlich für den Erfolg des Unternehmens fühlen – und wenn ihnen auch etwas daran liegt.
Helfen könnten hier zum Beispiel eine stimmige Corporate Identity, die Ausrufung von Markenbotschaftern, Mentorenprogramme oder Programme zur Mitarbeiterwerbung.
Apropos: Welche Erfahrungen haben Sie mit Silodenken gemacht?