Trennungskultur: Schlüsselrolle Kündigungsgespräch
Lücken in der Argumentation können aber auch in der Beziehung zwischen den Betroffen und ihren Chefs entstehen. Wer als Führungskraft bisher stets gute Beurteilungen ausgesprochen, Boni oder Beförderungen gewährt hat, wird sich im Falle der Trennung schwer tun, eine Kündigung zu rechtfertigen, geschweige denn glaubwürdig über mangelhafte Leistungen zu sprechen.
Überhaupt das Kündigungsgespräch. Noch immer sind die Themen Personalabbau und Kündigung Tabuthemen. Dabei verschlimmert es die Sache oft nur. Zwar gibt es in den Unternehmen viele Leitfäden und Checklisten zur Einstellung von Mitarbeitern, für deren Personalentwicklung sowie für das Führen von Konfliktgesprächen, aber zum Thema wie man sich professionell trennt, dazu gibt es so gut wie nichts. Dabei ist der Personalabbau – insbesondere in Krisenzeiten – der Prüfstein für das Management jedes Unternehmens.
Sicher, Kündigungen haben stets etwas Finales. Kommunikation aber ist normalerweise darauf ausgelegt, dass eine Beziehung fortgesetzt wird. Genau das geht diesmal nicht.
Harmonie und Konsens sind so nur schwer möglich, Fehlverhalten aber schon. Entsprechend kommt es dann entweder zu emotionalen Ausbrüchen auf beiden Seiten oder aber zu ungewollten Zugeständnissen – etwa, weil Manager die Entscheidung der Zentrale selbst nicht nachvollziehen können und befürchten die komplette Existenz eines anderen zu zerstören oder selbst nicht sicher sein können, bald schon der nächste zu sein.
Gut ist das alles nicht – und hat weit reichende Folgen. Nicht nur für die Gekündigten.
Falsch kündigen: Hohe Kosten für die Unternehmen
Vor allem für die Unternehmen wird es teuer: Von Kosten für Abfindung oder Verzögerungskosten durch Formfehler mal abgesehen – der dickste Batzen entsteht durch diejenigen, die bleiben.
So können bei anhaltenden Querelen wertvolle Managementkapazitäten gebunden werden, es kommt zu Stau bei den Neubesetzungen und damit zu Innovationsverzögerungen. Wer in der Trennungsphase schäbig mit den Ausgeschiedenen umgeht, riskiert zudem Blessuren am Firmenimage.
Beides wirkt sich wieder negativ auf künftige Beschäftigte, die Firmenmoral, Teamarbeit und Produktivität aus. Das kann zu weiteren, ungewollten Kündigungen führen – ein Teufelskreis entsteht.
Es gibt Studien, die belegen, dass Fehlverhalten bei Kündigungen zu erhöhter Fluktuation führen – dem sogenannten Survivor-Syndrom.
Die Ursachen und Motive für einen Personalabbau und betriebsbedingte Kündigungen sind vielfältig. Sie reichen von…
- Sanierung
- Rationalisierung
- Verschlankung und Verkauf von Betriebsteilen bis hin zu
- Stilllegung von Betriebsteilen oder
- Insolvenz.
Dadurch stellen sich dem Management unterschiedliche Herausforderungen. In allen Fällen ist es jedoch erforderlich, professionelle arbeitsrechtliche Beratung und menschlich faire Handhabung zu verzahnen. Warum professionelles Trennungsmanagement gerade in der Zeit enger Märkte und hohen Globalisierungsdrucks so wichtig ist? Drei Gründe sprechen dafür:
- Menschliche Aspekte: Nur so werden der innere Frieden des Unternehmens , ein Image als guter Arbeitgeber sowie die Motivation bei den verbleibenden Mitarbeiter gewahrt.
- Wirtschaftliche Aspekte: Nur so können die direkten und indirekten Folgekosten vermieden beziehungsweise minimiert werden.
- Arbeitsrechtliche Aspekte: Mögliche Eskalationen bei Verhandlungen mit den Gekündigten belasten ansonsten das Betriebsklima und kosten unnötig viel Zeit und Geld.
Inzwischen ist nachgewiesen: Nur, wenn Trennungen human und fair, das heißt mit Wertschätzung und Respekt für die Gehenden, ablaufen, sind sie im betriebswirtschaftlichen Sinne ökonomisch. Kein Unternehmen sollte es sich heute noch leisten, durch Unbedachtheit, Unprofessionalität oder Ignoranz, (verbleibende) Leistungsträger zu vergraulen und wirtschaftliche Einsparungspotentiale (verdeckte und indirekte Folgekosten) ungenutzt zu lassen.
Diese Trennungsfehler sollten unbedingt vermieden werden
- Überhastete und übereilte Vorgehensweise in völlig unrealistischen Zeiträumen ohne vorherige minuziöse Planung und Organisation des Projektes.
- Mangelhafte Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Aspekte, insbesondere Beteiligungsrechte des Betriebsrates, tarifvertragliche Schranken (zum Beispiel Rationalisierungsschutz), Sonderkündigungsschutz älterer und behinderter Mitarbeiter und solcher in Elternzeit.
- Fehlende Vorbereitung der kündigenden Führungskräfte und Personalverantwortlichen sowie Missachtung von deren Rollen, insbesondere von deren Sandwichposition (innere Loyalitätsprobleme).
- Unzureichende Kommunikationspolitik und Informationsvakuum (Brodelnlassen der Gerüchteküche).
- Unklare Übermittlung der Trennungsbotschaft und Trennungskonditionen im Kündigungsgespräch mit nachfolgenden Eskalationen.
- Fehlende Würdigung, Wertschätzung und Dank an die Gehenden mit demotivierenden Auswirkungen auf die Verbleibenden.
- Fehlende Beachtung der Ängste und Bedürfnisse der Verbleibenden, insbesondere Unterlassung der notwendigen Maßnahmen zur Bindung und Revitalisierung (Motivation).
Trennungskultur: So geht es richtig
Der Begründer der Krisenpädagogik, Bijan Amini, definiert eine Krise als „Aufbruch und Durchbruch„. In diesem Sinne lohnt es sich, Mitarbeiter nicht kopflos zu feuern und damit verbrannte Erde zu hinterlassen, sondern sich fair und unter Beachtung von Arbeitsrecht und Menschenwürde konstruktiv zu trennen. Dazu dürfen Personalabbau und Kündigungen in der Geschäftsleitung nicht länger als reperative Maßnahme verstanden und rein instrumentell oder reaktiv betrieben werden. Vielmehr müssen sie als Teil der Organisationsentwicklung weitsichtig und proaktiv gestaltet werden.
Typischerweise gliedert sich dieser Trennungsprozess in vier Phasen:
Die Outplacement-Phase
- Unternehmerische Entscheidung, Festlegung des Projekttitels
- Verhandlung von Interessensausgleich und Sozialplan
- Minutiöse Vorbereitung der Trennungsgespräche
- Mitarbeiter-Auswahl (Qualifizierung oder Trennung)
Die Trennungs-Phase
- Gespräche über Versetzung, Veränderung, einvernehmliche Lösung
- Klare Botschaft: Trennung/Kündigung
- Gespräche über Bindung und Teambildung mit den Verbleibenden
Die Newplacement-Phase
- Karriere-Coaching für die Gehenden
- Neuorganisation und Teambildung der Verbleibenden
- Bindung und Revitalisierung des (neuen) Teams
Die Evaluations-Phase
- Kritische Würdingung des Personalabbaus
- Kritische Betrachtung der Projektabwicklung
- Ableitung von Erkenntnissen zur Trennungskultur
Die Schlüsselrolle haben die Manager, die die Hiobsbotschaft überbringen müssen. Sie sind in der heikelsten Position:
- Machen Sie Fehler, leidet nicht nur ihr Ansehen bei den Verbleibenden und das Renommee gegenüber ihrem Chef, sondern auch das der Firma.
- Machen sie alles richtig, bleibt es trotzdem ein schmutziger Job, für den man kaum Lorbeeren einheimsen kann.
Eine gute Vorbereitung ist deshalb der Dreh- und Angelpunkt für den weiteren Gesprächsverlauf.
- Das geht bei der ersten Frage los: Wer führt das Gespräch? Das klingt banal, tatsächlich aber handeln in diesem Punkt viele Führungskräfte sämtlichen Ratgebern zuwider, Motto: Hauptsache ein anderer. Falsch! Bis auf wenige Ausnahmen empfehlen Personalexperten unisono: Kündigen sollte immer der direkte Linienverantwortliche im persönlichen Gespräch, Detailfragen können später immer noch mit einem Profi (aus der Personalabteilung) geklärt werden. Wer zehn Jahre Herzblut, Kraft und täglich zehn Stunden in Firma und Chef investiert hat, möchte nicht einfach von irgendjemand entsorgt werden. Noch besser ist es freilich, wenn der Chef vertragliche Einzelheiten, Konditionen, soziale Aspekte, das weitere Vorgehen, Sprachregelung oder Termine ebenfalls durchsprechen kann. Aber das ist der Idealfall.
- Zur Vorbereitung gehört auch die Recherche aller erforderlichen Informationen über den Betroffenen. Nicht nur die Personalakte sollte bekannt sein, sondern auch Betriebsvereinbarungen oder Sozialpläne. Ebenso gilt es rechtzeitig zu klären, ob statt einer Kündigung interne Alternativen in Frage kommen. Wer hier glaubhaft machen kann, es wurde alles getan, um Entlassungen zu vermeiden, sammelt Pluspunkte für das Betriebsklima.
- Zudem raten Trennungsexperten alle relevanten Abteilungen einzuschalten und sich über mögliche Szenaren einig zu werden. Dazu gehören Geschäftsleitung, Personalabteilung, Betriebsrat und gegebenenfalls auch die IT-Abteilung. So sollte frühzeitig klar sein, ob und ab wann Betroffene freigestellt und welche Vollmachten und elektronischen Zugriffsrechte sofort oder erst später entzogen werden. In der Praxis kann genau das zum Stolperstein werden, etwa, wenn sich der Gekündigte als renitent erweist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte man eine einheitliche Strategie für einen harten Kurs haben – auch für den Fall negativer Schlagzeilen in den Medien.
Ist die Vorbereitung abgeschlossen, sind für das eigentliche Gespräch vor allem zwei Fragen entscheidend: Wann? Und: Wie?
- Vor allem schnell sollte es gehen. Sobald die Entscheidung gefallen ist, sollte das Unternehmen zügig handeln, sonst entsteht ein Motivationsvakuum gepaart mit Angst. Der Termin Freitagnachmittag ist für Kündigungsgespräche übrigens ungeeignet. Zwar wird gerne damit argumentiert, das der Gekündigte dann das Wochenende Zeit hat, um sich mit der Situation auseinander zu setzen. Tatsächlich aber wird, wer gerade gefeuert wurde, in der Regel den Betriebsrat aufsuchen oder seinen Anwalt anrufen wollen. Beides gelingt am Freitagnachmittag oder am Wochenende nur schwer. Auch die Chance auf ein spontanes Nachgespräch wird dem Betroffenen so verbaut. Anfang oder Mitte der Woche sind deshalb bessere Termine.
- Bleibt noch das Wie. Kurz, klar und prägnant – lautet das Credo der Experten. „Die eigentliche Botschaft sollte in den ersten fünf Sätzen erfolgen – Sätzen, nicht Minuten!“, sagt Andrzejewski. Also zum Beispiel: „Herr XY, ich habe Sie zu mir gebeten, um Ihnen in diesem Moment die Aufhebung ihres Arbeitsvertrages zum Jahresende zu verkünden. Die Trennung ist durch die Auslagerung ihrer Abteilung begründet. Dieser Schritt belastet mich selber sehr und tut mir unendlich leid. Gerne möchten wir mit ihnen eine einvernehmliche und faire Lösung vereinbaren. Sollte dies nicht gelingen, kündige ich ihnen fristgerecht zum…“ Klarheit ist dabei oberste Pflicht und die Ich-Form kein Zufall: Formulierungen mit man lassen den Betroffenen hören, dass sich der Chef selbst von der Entscheidung distanziert.
- Und fair bedeutet in dem Zusammenhang, ein intelligentes Abfindungssystem anzubieten. Damit sind weder pekuniäre Trostpflaster noch orientalische Teppichbasar-Methalität gemeint, Motto: Mal sehen wie billig wir bei dem davon kommen?! Wer so handelt, riskiert, dass die Leute nur einen Eindruck mitnehmen: Selbst wenn man geht, versuchen die einen noch über den Tisch zu ziehen!
Großzügigkeit zahlt sich aus
Wer dagegen ein großzügiges Angebot macht, zeigt nicht nur Größe, sondern spart meist auch Zeit und – bezogen auf die Imagewirkung – viel Geld. Dazu kann auch ein so genanntes Cafeteriasystem gehören, also die Wahlmöglichkeit der Betroffenen welche Abfindungsanteile sie wie verwenden wollen. So könnten beispielsweise alle Bezüge sofort als Abfindung ausbezahlt werden oder ein Teil in eine Outplacementberatung investiert oder bei der Auszahlung in erster Linie steuerliche Aspekte berücksichtigt werden.
Sind sich alle einig, ist der Trennungsprozess längst nicht abgeschlossen.
Ebenso wichtig wie ein einvernehmliches Arrangement ist die verbindliche Sprachregelung:
- Über was wird gesprochen?
- Über was nicht?
Insbesondere Kündigungsgründe und finanzielle Abkommen sind Punkte mit großer Wirkung – sowohl nach außen wie nach innen. Also unbedingt festlegen, was davon nach außen dringt.
Nicht zu vergessen: die verbleibende Belegschaft. Gerade sie wird nach abebben einer Kündigungswelle immer wieder vergessen. Dabei spielen diese Mitarbeiter jetzt eine wesentliche Rolle: Sie prägen die künftige Firmenkultur, mit ihnen will das Unternehmen die Zukunft gestalten.
Trennungsexperten raten deshalb, die alte, neue Truppe in jedem Fall hinterher gezielt anzusprechen und wieder über alles klar zu kommunizieren. Der kritischste Punkt dabei aber ist auch hier die empfundene Gerechtigkeit. Er bleibt bei allen der Prüfstein für den Mythos „Unternehmenskultur„.
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