Fridge Hiring: Mitarbeiter hamstern für die Zukunft

Fridge Hiring ist das „Hamstern“ von Personal in Zeiten des Fachkräftemangels. Was für Kühlschränke und Vorratskammern funktioniert, sollte doch auch in Unternehmen klappen – so zumindest derzeit die Logik in etlichen Personalabteilungen. Statt zu warten bis es brennt, stellen Unternehmen bereits vorab neue Mitarbeiter ein. So sichern sie sich einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz. Was Fridge Hiring auszeichnet und was es für Arbeitnehmer und Unternehmen bedeutet…

Fridge Hiring Deutsch Bedeutung Personalmangel Fachkraeftemangel Human Resources Recruiting

Fridge Hiring Bedeutung

Der englische Begriff „Fridge Hiring“ lässt sich nur ungenau ins Deutsche übersetzen; fridge bedeutet Kühlschrank, hiring steht für Einstellen. Übersetzt beschreibt der Terminus einen neuen Trend in der Personalbeschaffung: Noch bevor sich ein Personalmangel abzeichnet, stellen Personaler proaktiv neue Mitarbeiter ein. Was zunächst nach Personal im Überfluss aussieht, ist bei genauerer Betrachtung eine Form der Bevorratung.

Unternehmen haben solche Kräfte im Blick, die sie in näherer Zukunft benötigen. Der Gedanke dahinter: Bevor die Konkurrenz diesen Mitarbeiter einstellt, hält man ihn sich lieber warm – beziehungsweise kühl. Fridge Hiring ist Resultat eines aus Unternehmenssicht angespannten Arbeitsmarktes. Schon längst betrifft der Fachkräftemangel nicht nur Spezialisten aus der IT-Branche, Maschinen- und Fahrzeugbau, sowie Elektrotechnik. Sondern zahlreiche Branchen: Von Handwerk über Gesundheit und Pflege bis hin zu Bildung und Verwaltung.

Welche Mitarbeiter werden gesucht?

Handelsblatt und Fokus Online berichten von einer Studie der Jobbörse Indeed, die 400 Personaler befragte. Ergebnis: Vier von fünf Personalverantwortlichen betreiben Fridge Hiring, um auch zukünftig bestens ausgerüstet zu sein. Über 80 Prozent haben demnach bereits vorsorglich Mitarbeiter eingestellt, obwohl sie noch nicht dringend benötigt werden. Und über ein Viertel der Befragten gab an, das häufig getan zu haben, zehn Prozent sogar regelmäßig. Wer ist für die Unternehmen interessant?

  • Mittelbau

    Besonders häufig suchen die Personaler Mitarbeiter mit geringer bis mittelmäßiger Berufserfahrung, also Berufsanfänger (45 Prozent) und Angestellte im mittleren Karrierelevel (55 Prozent).

  • Akademiker

    Dabei handelt es sich beispielsweise um sogenannte High Potentials, also Hochschulabsolventen, die aufgrund besonderer Fähigkeiten für ein Unternehmen attraktiv sind. Meist gelten sie als Führungskräftenachwuchs. Sie machen 29,5 Prozent im Fridge Hiring aus.

  • Führungsebene

    Nicht so stark nachgefragt sind hingegen Führungskräfte mit gerade mal 13,4 Prozent.

Branchen und Bereiche für Fridge Hiring

Interessant sind vor allem Mitarbeiter aus folgenden Bereichen:

  • IT-Bereich
  • Sales
  • Vertrieb
  • Personalmanager

Deutlich geringer fällt das Interesse von Personalern an Mitarbeitern im Bereich Finanzen und Marketing aus: Unter 12 Prozent liegen hier die Chancen.

Anzeige

Gründe für Fridge Hiring

Der Fachkräftemangel ist der Hauptgrund dafür, warum Unternehmen Mitarbeiter „hamstern“. Allerdings gibt es zusätzlich verschiedene Ursachen, die je nach Betrieb, Branche und Region zur Personalknappheit führen:

Demographischer Wandel

In den kommenden Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente, die sogenannten Babyboomer. Das sind die zwischen 1950 und 1970 geborenen Generationen. Heißt: Immer weniger Arbeitnehmer treffen auf eine immer größer werdende Rentnergeneration. Das macht sich bereits bei den Berufsanfängern bemerkbar.

Stadt-Land-Gefälle

Junge Menschen zieht es vorrangig in die Städte, da hier die Auswahl an Jobs in der Regel größer ist. Auch verlassen viele Studierte den Hochschulort ungerne, weil sie dort über Jahre persönliche Kontakte geknüpft haben. Das führt zum Stadt-Land-Gefälle. Damit steigt der Kampf im ländlichen Bereich um die wenigen verbliebenen Fachkräfte.

Expansionspläne

Rund 20 Prozent der befragten Personaler gaben Expansionspläne als Grund an. Sogenannte Wachstumsbranchen kommen mit der Einstellung von Personal kaum hinterher – der Bedarf an Mitarbeitern ist schlichtweg größer als das Angebot. Dazu zählen derzeit beispielsweise Online-Spiele, e-Sports und Streaming-Plattformen, aber auch Apotheken und Labore. Pandemiebedingt waren und sind diese Bereiche sehr gefragt. Daneben suchen viele Personaler vorsorglich Ersatz für verdiente Mitarbeiter, die in Rente gehen.

Anzeige

Anforderungen an Mitarbeiter

Personalmangel hin oder her – Personaler nehmen nicht jeden. Die Mitarbeiter müssen über ein gewisses Maß an Hard Skills und Soft Skills verfügen. Für die befragten Recruiter zählen vor allem diese Dinge:

  • Fachkompetenz
    Der neue Mitarbeiter bringt bestimmte Fertigkeiten für den relevanten Bereich mit. Durch eine verwandte Ausbildung verfügt er über das Wissen, spezifische Probleme zu lösen. Spätere Fort- und Weiterbildungen haben die Fachkompetenz vertieft.
  • Teamfähigkeit
    „Keiner von uns ist so klug wie wir alle“, so der Managementexperte Ken Blanchard. Deshalb steht Teamfähigkeit ebenfalls weit vorne bei den Anforderungen an Mitarbeiter. Zumal Anpassungsfähigkeit gefordert ist: Schließlich gibt es für die Fridge Hires zunächst oft gar keine bestimmte Stelle, sondern verschiedene Tätigkeiten an unterschiedlichen Plätzen.
  • Gehaltsvorstellungen
    Die Personaler achten zudem darauf, wie Bewerber die Gehaltsvorstellungen formulieren. Heißt: Begehrt sind vor allem jene, die einen bescheidenen Gehaltswunsch äußern.
  • Lebenslauf
    Knapp 10 Prozent der Recruiter achten auf besondere berufliche Errungenschaften im Lebenslauf. Berufsanfänger haben naturgemäß weniger davon vorzuweisen. Auszahlen können sich hier besondere Praktika, die beispielsweise neben dem Studium absolviert wurden.

Wie gestaltet sich das Fridge Hiring?

Passte ein Bewerber nicht auf die ausgeschriebene Stelle, bedeutete das früher automatisch eine Jobabsage. Auch bei tatsächlicher Eignung muss die Mehrheit der Bewerber meist mit Absagen rechnen, sobald die entsprechende Stelle besetzt ist. Der heutige Personalmangel führt zu einem Umdenken in den Human Resources Abteilungen.

Selbst ohne unmittelbar vakante Stelle kann eine Einstellung erfolgen, weil ein Personaler bereits den Ruhestand eines Mitarbeiters im Hinterkopf hat. Fridge Hiring bedeutet aber immer häufiger auch Flexibilität seitens der Unternehmen: Passt ein Bewerber nicht auf die ausgeschriebene Stelle, schaut man nach einer alternativen Stelle. Das eröffnet Arbeitnehmern neue Chancen bei Initiativbewerbungen. Lehnten einige größere Unternehmen bis vor wenigen Jahren diese bereits rigoros ab, hat sich nun das Blatt wieder gewendet.

Anzeige

Vorteile von Fridge Hiring

Neue Mitarbeiter als „Fridge-Hires“ zu „hamstern“ hat einige Vorteile:

  • Entlastung
    Fridge Hiring ist für Recruiter zeit- und ressourcenschonend: Die so gewonnenen Mitarbeiter können in aller Ruhe in verwandte Arbeitsbereiche hineinschnuppern und sind sofort verfügbar, wenn sich eine Lücke auftut. Das bedeutet beispielsweise für dünn besetzte Personalabteilungen eine Entlastung. Das Onboarding kann in einer Phase erfolgen, in der das Tagesgeschäft eher ruhig ist.
  • Unterstützung
    Bevor die Fridge-Hires in ihrem eigentlichen Aufgabenbereich arbeiten, gehen sie Kollegen in Nachbarabteilungen zur Hand. Als Krankheits- oder Urlaubsvertretung gleichen sie so Personalengpässe aus.

Auch für die Fridge-Hires selbst kann sich so ein Arbeitsbeginn deutlich stressfreier gestalten. Sie lernen das Unternehmen in Ruhe kennen, quasi als Training on the Job.

Ist Fridge Hiring ein Zukunftstrend?

Diese Frage lässt sich nicht uneingeschränkt mit „ja“ beantworten. Das liegt unter anderem an den hohen Personalkosten. Unternehmen müssen in mehrerlei Hinsicht vorausschauend handeln. Die Ressource Mensch ist zwar derzeit knapp. Allerdings machen die Energiekrise und die Inflation vielen zu schaffen. Bei weniger Konsum und nachlassender Wirtschaftsleistung könnte eine geringere Produktion die Folge sein.

Das würde die Nachfrage nach Personal drosseln und könnte sogar Entlassungen zur Folge haben. Gleichzeitig sind die Konjunkturprognosen derzeit positiv. Hinzu kommt, dass der demographische Wandel bestehen bleibt und sich auch mittelfristig nicht nur durch Zuwanderung beheben lässt. Unternehmen haben dennoch Alternativen, sich ausreichend Personal zu sichern. Dazu drei Tipps:

  • Frauen einbinden

    Obwohl Frauen vielfach über die besseren Bildungsabschlüsse verfügen, versiegt diese Quelle irgendwann. Grund dafür ist die oftmals schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ist die Betreuung gewährleistet, können Mitarbeiterinnen in Teilzeit zur Arbeit zurückkehren oder sogar aufstocken.

  • Wertschätzung signalisieren

    Oftmals verlangen Unternehmen für Auszubildende ein Abitur als Schulabschluss, obwohl die mittlere Reife früher ausreichend war. Die Abwertung von niedrigeren Bildungsabschlüssen verstärkt den Personalmangel. Unternehmen sollten sich zudem sichtbar am Arbeitsmarkt positionieren und den Bewerbungsprozess wertschätzend gestalten. Heißt: Zeitnahe und freundliche Kommunikation.

  • Potenzial ausschöpfen

    Mancherorts gehen Mitarbeiter in Frührente – schade. So geht nicht nur wertvolle Arbeitskraft verloren, sondern ein Mitarbeiter, der sein Wissen an jüngere Kollegen weitergeben könnte. Viel Potenzial steckt zudem in Menschen mit Behinderung, Migranten oder Geringqualifizierten – sie benötigen vielleicht etwas mehr Zeit, können aber vieles mit Elan und Routine wettmachen.


Was andere dazu gelesen haben