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Objektivität: Vorurteile erkennen, Wahrnehmung verbessern

Objektivität ist das Ziel, doch Wahrnehmung und Beurteilung sind meist subjektiv. Erfahrungen, Erwartungen und Empfindungen beeinflussen uns bis in die Haarspitzen. Hinzu kommen zahlreiche kognitive Verzerrungen, die objektives Handeln und Entscheiden erschweren. Wir erklären, was Objektivität ist, welche Rolle sie in der qualitativen Forschung spielt und wie Sie in Zukunft objektiver werden können…



Objektivität: Vorurteile erkennen, Wahrnehmung verbessern

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Was bedeutet Objektivität? Einfach erklärt

Objektivität ist die Unabhängigkeit und Neutralität bei der Beurteilung von Personen, Situationen, Dingen oder Ereignissen. Wer objektiv ist, betrachtet die vorliegenden Informationen rein sachlich und möglichst nüchtern. Es zählen rationale Argumente, Daten, Fakten und belegbare Beweise. Persönliche Interessen, Vorurteile, Wünsche, Ziele oder Emotionen spielen bei der Objektivität keine Rolle- Es entscheidet einzig der Verstand, nicht das Herz.

Das Gegenteil ist Subjektivität. Wer etwas subjektiv betrachtet, bewertet sie persönlich – durch eigene Gefühle, Erfahrungen oder Wertvorstellungen. Wir mögen etwas, finden jemanden sympathisch, attraktiv. All das liebt im Auge des Betrachters. Subjektivität ist wie ein „Trotzdem“: Sachlich mag vieles gegen die eigene Wahrnehmung sprechen oder das eigene Urteil sogar widerlegen, aus der eigenen Perspektive scheint es jedoch völlig richtig.

Objektiv Versus Subjektiv Grafik

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Objektivität in der Testtheorie

Objektivität ist ein Gütekriterium in der Testtheorie (hier spricht man auch von Test-Objektivität). In der wissenschaftlichen Forschung sollen so die Unabhängigkeit der Messmethoden und Testergebnisse gesichert sowie verfälschende Faktoren ausgeschlossen werden. Es geht um die vollständige Neutralität einer Studie bei der Durchführung, Auswertung und späteren Interpretation. Das Ergebnis soll unbeeinflusst sein von Vorwissen oder Vorurteilen und später von anderen (Außenstehenden) als sachlich nachvollziehbar, logisch und möglichst richtig bewertet werden.

Eine solche Objektivität als Gütekriterium ist allerdings oft eine Illusion. Die Ergebnisse der Verhaltensökonomie und Kognitionswissenschaft zeigen deutlich, dass uns eine objektive Beurteilung nur selten gelingt. Zwar versuchen wir regelmäßig unsere Urteile zu prüfen – durch kritische Rückfragen, durch Faktenchecks oder Datenanalysen. Das ist auch alles vernünftig. Doch müssen wir zugleich eingestehen, dass allein die Auswahl der Quellen, das Ignorieren missliebiger Zahlen und Ausblenden anderer Meinungen bereits eine Manipulation des Ergebnisses darstellt.

„Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!“ – Der amüsante Spruch offenbart bereits unseren Unwillen zur Objektivität. Überall, wo etwas nicht in unser Weltbild passt, wird es eben passend gemacht. Solange, bis sich liebgewonnene Urteile und Vorurteile bestätigen. Es ist die Geburtsstunde der „alternativen Fakten“. Die hat nicht erst Donald Trump erfunden.

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5 Arten der Objektivität in der qualitativen Forschung

Als Gütekriterium ist die Objektivität ein Maßstab dafür, wie gut und unabhängig ein Forschungsergebnis ist. Neben den Kriterien der Reliabilität und Validität gilt objektive Forschung aber als schwaches Gütekriterium, da sie so schwer zu erreichen und umzusetzen ist. Dabei werden verschiedene Formen der Test-Objektivität in der qualitativen Forschung unterschieden:

1. Durchführungsobjektivität

Die Ergebnisse einer Studie, Umfrage oder Messung sollen unabhängig von der durchführenden Person – also etwa dem Versuchsleiter, Wissenschaftler, Umfrageleiter oder anderen Testleitern. Ein Versuchsleiter kann durch zahlreiche Faktoren (bewusst oder unbewusst) das Verhalten der Teilnehmer beeinflussen und so die Durchführungsobjektivität zunichte machen. Das kann Wortwahl, Körpersprache oder Mimik sein, die Antworten oder die Reaktionen der Probanden in eine Richtung drängen und das Ergebnis verfälschen.

2. Auswertungsobjektivität

Auswertungsobjektivität liegt vor, wenn die Person, welche die Ergebnisse analysiert und auswertet, keinen Einfluss auf das Ergebnis hat. Vielleicht haben Sie einen schlechten Tag und bewerten Antworten entsprechend negativer. Oder mehrere Versuchsleiter arbeiten an der Auswertung und setzen dabei unterschiedliche Prioritäten. Um die Objektivität bei der Auswertung sicherzustellen, braucht es klare Vorgaben und Regeln, die strikt eingehalten werden.

3. Interpretationsobjektivität

Die dritte Form der Objektivität ist gegeben, wenn die Ergebnisse immer gleich interpretiert werden, egal wer die Daten anschaut. Kommen mehrere Experten aufgrund der vorgelegten Analysen zu unterschiedlichen Interpretationen, gibt es keine Interpretationsobjektivität. In diesem Fall ist die Deutung offensichtlich sehr subjektiv geprägt.

4. Interindividuelle Objektivität

Die letzten beiden Arten können als übergeordnete Kategorien angesehen werden. Die interindividuelle Objektivität beschreibt, dass egal, wie viele Personen an einer qualitativen Forschung beteiligt sind, letztlich die gleichen Ergebnisse erzielt werden. Forschung soll unabhängig von individuellen Eigenschaften oder Verhaltensweisen sein, die sich auf einen Test auswirken könnten.

5. Intraindividuelle Objektivität

Ebenso sollen persönliche Faktoren keine Rolle spielen, um die intraindividuelle Objektivität nicht zu gefährden. Schlechte Laune, eine bestimmte Erwartungshaltung an das Ergebnis oder das Ziel, unbedingt einen bestimmten Zusammenhang nachzuweisen, kann zu Verzerrungen führen, weil in der Einzelperson die objektive Beurteilung nicht mehr gegeben ist.

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Warum ist Objektivität wichtig?

Entscheidet das Herz besser? Durchaus. Oft sogar schneller und richtiger als der Kopf. Unsere Intuition, das sprichwörtliche Bauchgefühl, ist ein mächtiger Verbündeter. Diverse Studien zeigen: Mit dem Unterbewusstsein können wir in Bruchteilen von Sekunden auf im Gehirn gespeicherte Informationen, Erfahrungen und Gefühle zurückgreifen und diese bewerten. Nur ein Bruchteil dieser Erkenntnisse ist aber bewusst verfügbar.

Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth hat beispielsweise ermittelt, dass das Unterbewusste einige Millionen Informationen pro Sekunde verarbeiten kann, das Bewusstsein jedoch nur 0,1 Prozent davon. Instinkt und Intuition – sie sind enge Verwandte der Weisheit. Jetzt kommt das Aber…

Wir können uns dabei auch täuschen. Und zwar dann, wenn wir nur meinen auf diesen Wissensschatz zurückgreifen zu können. Das Wissen ist aber falsch – oder kann schlicht hierauf nicht angewendet werden. Motto: „Das haben wir schon immer so gemacht. – Ja, aber die Zeiten sind andere!“ Es ist ein bisschen wie beim sogenannten Dunning-Kruger-Effekt und seinen vier Stufen:

  • Zuerst überschätzen wir unser eigenes Wissen und Können (Stufe 1).
  • Zugleich sind wir blind für das Ausmaß der eigenen Inkompetenz (Stufe 2).
  • Weshalb wir unser Halbwissen nicht korrigieren (Stufe 3).
  • Und die Wahrheit oder das Können anderer unterschätzen (Stufe 4).

Objektivität hingegen bewahrt vor Fehlurteilen, Voreingenommenheit und durchlüftet unseren Geist. Oder wie es ein anderes Bonmot auf den Punkt bringt: „Glaube nicht alles, was du denkst!“

Etwas „objektiv beurteilen“ bedeutet, den Versuch zu unternehmen, eine Wahl zu treffen, die nicht nur für uns selbst und in diesem Moment wahr und richtig ist, sondern ebenso vor einer allgemeinen Prüfung bestehen könnte. Den Gedanken der Objektivität hat letztlich schon der große Aufklärer und Kritiker der Urteilskraft, Immanuel Kant, in seinem kategorische Imperativ zusammengefasst: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“ Das ist, zugegeben, ein hoher Anspruch und alles andere als subjektiv. Unmöglich ist es aber nicht.

Warum fällt uns Objektivität so schwer?

Wollen heißt nicht können. Zwar wollen und sollen wir im Alltag und im Beruf möglichst rationale und objektive Entscheidungen treffen. Tatsächlich aber lassen wir uns häufiger von unbewussten Vorurteilen und Stereotypen leiten. Der Fachbegriff hierfür lautet: Cognitive Biases – und davon gibt es so einige. Immerhin: Wer sie kennt und sich bewusst macht, fällt seltener darauf herein. Daher hier eine Auswahl der Cognitive Biases und Denkmuster, die uns im Alltag besonders häufig begegnen und beeinflussen:

Der Rosenthal-Effekt

Dieser Effekt wurde erstmals in einem Experiment der Sozialpsychologen Robert Rosenthal und K.L. Fode beschrieben und ist auch unter dem Namen „Pygmalion-Effekt“ bekannt. Dahinter steckt letztlich das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung. Experimente zeigen: Wird Schülern gesagt, sie gehören zu den Besten des Jahrgangs, verbessern sich deren Noten und Leistungen – auch wenn das frei erfunden und die Schüler zufällig ausgewählt wurden.

Allein Erwartung und Zuspruch reichen aus, um eine Leistungssteigerung hervorzurufen. Das funktioniert nicht nur in der Schule, sondern auch im Job oder Sport. Allerdings nicht nur im Positiven, sondern auch negativ (siehe: Andorra-Effekt): Egal, welche Erwartung wir anderen Menschen gegenüber haben – wir werden uns ihnen gegenüber entsprechend verhalten. Das führt dazu, dass sie irgendwann unseren Erwartungen entsprechen. Nicht weil SIE so sind, sondern weil WIR uns so verhalten.

Der Primacy-Effekt

Der Fachausdruck für den (meist völlig subjektiven) ersten Eindruck. Innerhalb von Sekundenbruchteilen entscheiden wir, ob uns unser Gegenüber sympathisch ist oder nicht. Diese Einschätzung beruht allein auf dem Aussehen, der Körpersprache, der Mimik oder dem Geruch anderer Personen. Ist das Urteil gefallen, ordnen wir alles, was danach kommt, in diese Schublade ein. Der Mensch – er passt ins Bild.

Der Primäreffekt macht es uns enorm schwer, Menschen zu erkennen, wie sie wirklich sind. Einmal unsympathisch, immer unsympathisch. Die anderen – objektiv ebenfalls vorhandenen Seiten – blenden wir aus.

Der Recency-Effekt

Wo der Primacy-Effekt herrscht, ist der Recency-Effekt nicht weit. Er bildet das Pendant am Schluss: die Macht des letzten Eindrucks. Der nämlich bleibt hängen und hallt nach. Ein schwerer Fauxpas, ein blöder Spruch am Schluss – und all das aufgebaute Vertrauen und die Sympathien sind futsch. Ebenso wie der erste Eindruck prägt auch der letzte Eindruck noch lange unser Urteil über eine Person.

Primacy Recency Effekt Grafik

Sagen wir es, wie es ist: Wir können die Wirklichkeit nicht wirklich wahrnehmen. Unsere Wahrnehmung der Realität ist eben genau das: UNSERE subjektive Wirklichkeit. Wir sind ein Teil davon und konstruieren Wirklichkeit mit. Auch wenn wir das freilich im Alltag ganz anders erleben.

Objektivität gewinnen: Weniger subjektive Entscheidungen treffen

Zurück zur Eingangsfrage: Ist Objektivität möglich? Ja, ist sie. Aber es ist nicht leicht und gelingt auch nicht immer. Vorurteile und Klischees können unsere Entscheidungskraft massiv behindern – ohne dass wir es merken. Den Umstand müssen wir aber nicht fatalistisch hinnehmen. All den subjektiven Urteilsfallen können wir auch etwas entgegensetzen. Die folgenden Tipps können Ihnen helfen, mehr Objektivität im Alltag zu gewinnen und öfter mal über den eigenen (mentalen) Schatten zu springen:

Machen Sie sich Ihre Entscheidungen bewusst

Der erste und wichtigste Schritt ist mit dieser Lektüre bereits getan: Sie machen sich gerade bewusst, dass Sie in der Regel keine objektiven Urteile fällen. Vielleicht nicht die schönste Erkenntnis des Tages, aber eine wichtige. Im zweiten Schritt sollten Sie Ihre unbewussten Wahlmotive ans Licht bringen: Auf welche Trigger reagieren Sie regelmäßig so oder so? Was lässt den Verstand ausklinken? Was versetzt Sie in eine Art Rauschzustand? Indem Sie sich mit den unterschiedlichen Biases und Psycho-Effekten beschäftigen, kommen Sie sich selbst auf die Spur – und gehen sich seltener auf den Leim. Kurz: Die ehrliche und selbstkritische Analyse entlarvt subjektive Entscheidungsfallen.

Wechseln Sie die Perspektive

Hin und wieder hilft es, einen Schritt zurückzutreten und die Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Um das zu erleichtern, können Sie zum Beispiel in eine neue Rollen schlüpfen: Stellen Sie sich etwa vor, Ihr bester Freund müsste die Entscheidung treffen, vor der Sie gerade stehen. Was würden Sie ihm raten? Und was fast immer hilft: Eine Nacht darüber zu schlafen (siehe Video):

Lassen Sie sich Zeit

Objektivität braucht Zeit. Sie ist selten spontan. Ad-hoc-Objektivität gibt es nicht. Schon gar nicht gelingt sie unter Druck. Im Gegenteil: Wer sich unter Druck setzt, fällt regelmäßig in altbekannte Denkmuster zurück. Das Gehirn geht dann auf Autopilot. Eine Art Schutzreflex. Aber kein kluger. Nehmen Sie vor wichtigen Entscheidungen daher immer den Druck raus und so viel Zeit wie nötig. Nicht weniger Verkäufer nutzen beispielsweise die sogenannte künstliche Verknappung („Dieses Angebot gilt nur noch 24 Stunden“), um uns zu verführen. Ein fieser Trick. Gegen den Sie sich aber wehren können: Wirklich „einmalige“ Chancen sind selten. Fast immer gibt es eine zweite Chance. Die ist zuweilen sogar noch besser.

Listen Sie Vor- und Nachteile auf

Etwas aufzuschreiben, Alternativen buchstäblich Schwarz auf Weiß vor sich zu sehen, kann für deutlich größere Objektivität sorgen. Indem Sie die klassische Pro- und Contra-Liste nutzen, lassen sich Vorteile und Nachteile einer Wahl besser bewerten. Zum Einen durch die schiere Anzahl („mehr Vor- als Nachteile“). Aber auch durch die Sinnhaftigkeit der jeweiligen Argumente („Ist das wirklich ein Vorteil?“). Die Liste zeigt noch etwas anderes: Hin und wieder neigen wir nicht zu der Variante, die objektiv gesehen und rein rational betrachtet die beste wäre. Stattdessen haben wir längst eine andere Wahl getroffen. Diesem „Vor-Urteil“ im Wortsinn kommen wir dann auf die Schliche, wenn wir zum Beispiel mit dem Gewinner der Pro-und-Contra-Liste nicht einverstanden sind.

Generell gilt: Allein die Erkenntnis, wie wir persönlich Entscheidungen treffen und zu unseren individuellen Urteilen gelangen, führt zu mehr Objektivität. Selbst wenn wir auf den ersten Blick eine unlogische, subjektive Variante wählen, lernen wir etwas über unsere Vorlieben, Neigungen, Beuteschemata. Gut so! Bewusstsein schafft (mehr) Objektivität.


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