Was sind Vorurteile und Denkschubladen?
Vorurteile und Denkschubladen sind vorgefertigte Kategorien, in die wir andere Menschen hineinstecken, ohne uns selbst ein Urteil zu fällen. Wir lernen jemanden gar nicht kennen, sondern haben von Anfang an eine Meinung zu dieser Person. Beamte unterliegen dem Klischee, wenig zu arbeiten, ständig Pause zu machen und den ganzen Tag nur Kaffee zu trinken. Auch wenn Sie keinen Beamten persönlich kennen, unterliegen Sie diesem Schubladendenken. Die Sozialpsychologin Prof. Dr. Juliane Degner von der Universität Hamburg erklärt: „Die wenigsten Stereotype basieren auf individuellen Erfahrungen.“
Wir generalisieren aufgrund von Hörensagen und unterstellen Eigenschaften, die wir einer Personengruppe zuschreiben. Vorurteile enthalten dabei eine negative Bewertung – sie basieren auf wertfreien (oder positiven) Stereotypen.
Wieso denken Menschen so oft in Schubladen?
Ein Chef, ein Kollege, ein Freund, eine Mutter, der Ehepartner, der Kunde… Für jede Person, der wir im Alltag begegnen, haben wir die passende Schublade im Kopf. Darin findet sich allerlei nützliches Zeug, angefangen mit einer vorgefertigten Meinung, wie jemand diese Rolle zu erfüllen hat.
Beispiel: Der Chef sollte freundlich, motiviert und engagiert, aber nicht zu streng sein; Freunde sollen immer mit Rat und Tat zur Seite stehen und für uns da sein, wenn es schwierig wird und vom Ehepartner erwarten wir natürlich liebevoll umsorgt zu werden, wenn wir nach einem anstrengenden Tag nach Hause kommen… Auch für andere Personengruppen, selbst wenn wir diese noch nie persönlich getroffen haben, findet sich im Kopf eine Schublade mit Vorstellungen und Erwartungen, die sich auf unsere Wahrnehmung und unser Verhalten auswirken.
Schubladendenken macht eine komplexe Welt einfach
Aber wieso machen wir uns nicht selbst ein Bild, sondern greifen auf unbestätigte und schablonenhafte Denkmuster zurück? Die Antwort ist relativ simpel: Weil es einfacher ist!
Jeder Mensch hat das Bedürfnis, seine Umwelt zu verstehen und – falls möglich – zu kontrollieren. Gelingt uns das nicht, unser Umfeld einzuordnen, beginnen wir uns unwohl zu fühlen. Denkschubladen sind daher nichts anderes als eine Vereinfachung der Realität, die es uns erleichtern soll, Mitmenschen einzuordnen. Wie es bei Vereinfachungen aber naturgemäß passiert: Punkte, die durchaus wichtig wären, werden einfach ignoriert. Schon deshalb sollte man darauf verzichten, seine Umwelt in das enge Korsett der eigenen Vorstellungen und in eine Schublade zwängen zu wollen.
Schubladendenken Beispiel und Parabel
Häufige Fragen zu Schubladendenken und Vorurteilen
Tatsächlich gibt es unzählige Klischees und Vorurteile. Einige der bekanntesten sind: Männer zeigen keine Gefühle, Frauen können nicht Autofahren, Blondinen sind dumm, Frauen reden ohne Punkt und Komma, Männer mögen Bier und Deutsche haben keinen Sinn für Humor. Doch gibt es Klischees für jede Gruppe von Menschen, die negative Eigenschaften oder fehlende Fähigkeiten beschreiben.
Vorurteile sind immer Verallgemeinerungen. Sie beziehen sich nicht auf einzelne Personen, sondern ganze Personengruppen. Häufig geht es dabei um Geschlechter: Männer sind… Frauen können nicht… Aber auch zu Nationalitäten, Haarfarben, Altersgruppen oder andere verbreitete Merkmale gibt es Klischees. So gelten beispielsweise Brillenträger als intelligenter.
Häufige Ursache für Vorurteile ist die Prägung in der Kindheit. Schon früh wird die eigene soziale Gruppe besser bewertet als andere. Ebenso ist Schubladendenken eine Vereinfachung der Welt. Um die Welt begreifbarer zu machen, stecken wir Menschen in Kategorien und verallgemeinern unsere Wahrnehmung. Auch negative Emotionen können Vorurteile verursachen. Frust und Wut, die nicht anders erklärt werden können, werden auf eine bestimmte Personengruppe geschoben.
Die meisten Klischees sind negativ, doch gibt es auch positive Vorurteile. Diese stehen für positive Charaktereigenschaften oder Fähigkeiten, die einer Gruppe von Menschen zugeschrieben werden. Ein Beispiel: Südländer sind besonders leidenschaftlich, haben ein gutes Rhythmusgefühl und können gut tanzen. Deutsche hingegen sind bekannt für ihre Pünktlichkeit.
Das Gegenteil von Vorurteilen ist vereinfacht ausgedrückt die Wahrheit. Es sind Fakten und Tatsachen, die sich nachweisen lassen. Statt vorgefertigter Meinungen und Verallgemeinerungen stehen Objektivität, Neutralität und Beweise im Fokus.
Objektiv betrachtet lösen sich viele Vorurteile schnell in Luft auf. Daten und Fakten belegen die Annahmen schlichtweg nicht. Objektivität fällt aber so schwer, weil wir die Dinge eben nur aus unserer eigenen Perspektive – also vollkommen subjektiv – wahrnehmen und beurteilen können. Es fehlt die neutrale Perspektive von außen, wir werden beeinflusst von eigenen Meinungen und Erfahrungen.
Stereotype enthalten im Gegensatz zu Vorurteilen keine Wertung einer Eigenschaft. Sie sind ebenso Verallgemeinerungen, machen aber keine Aussage darüber, ob die zugeschriebene Eigenschaft gut oder schlecht ist. Ein Beispiel: Italiener essen Nudeln – ein Stereotyp durch Beobachtung und Erfahrung. Die Aussage „Italiener sind Spaghettifresser“ ist hingegen ein Vorurteil, weil es eine klare negative Beurteilung enthält.
Voreingenommen sind Menschen immer dann, wenn bereits im Vorfeld eine Meinung gebildet wurde – ohne sich überhaupt selbst ein Bild von einer Person oder einer Situation gemacht zu haben.
Vorurteile sind verbreitet, doch das Schubladendenken ist gefährlich. Andere Menschen bekommen erst gar keine Chance, sondern werden gleich in die vorgefertigte Denkschublade gesteckt. Im schlimmsten Fall kann das zu Ausgrenzung einer ganzen Personengruppe führen.
Der erste Schritt ist es, eigene Vorurteile in den Denkweisen als solche zu erkennen. Sie müssen verstehen, dass diese nicht der Wahrheit entsprechen, sondern Verallgemeinerungen darstellen. Anschließend heißt es dann: Hinterfragen und reflektieren Sie Ihr Vorurteile. Schauen Sie sich die objektiven Informationen an – und sie werden feststellen, dass vorgefertigte Meinungen schlicht nicht stimmen.
Positive Effekte, wenn Sie Klischees ignorieren
Den Kreislauf des Schubladendenkens zu durchbrechen, ist schwer. Über einen langen Zeitraum ist es für viele zur Gewohnheit geworden, die sich nur schwer wieder ablegen lässt. Außerdem ist es wunderbar bequem, keine eigenen Gedanken machen zu müssen, sondern sich einfach auf das zu verlassen, was man zu wissen glaubt. Leider tun wir damit vielen Unrecht und schaden uns sogar selbst. Tatsächlich hat es viele Vorteile, das Schubladendenken in die Schublade zu stecken und eingestaubte Klischees zu vergessen:
1. Sie werden zum Vorbild für andere
Es ist eine Sache, anderen zu raten, Abstand von Vorurteilen zu nehmen und nicht ständig in Klischees zu denken. Schaffen Sie es aber selbst, das Schubladendenken einzustellen, werden Sie zu einem wirklichen Vorbild und können andere besser überzeugen, es Ihnen nachzumachen. Oft wird etwas gepredigt, ohne es selbst zu tun. Dabei geht jede Glaubwürdigkeit verloren. Wer jedoch mit gutem Beispiel vorangeht, zeigt nicht nur, dass es möglich ist, sondern kann auch bei der Umsetzung helfen und einen positiven Trend auslösen.
2. Sie finden neue Freunde
Neue Kontakte von Anfang an in seine Denkmuster zu pressen, kann sich negativ auf die Entwicklung der Beziehung auswirken. Vielleicht geben wir manchen Menschen gar nicht erst die Chance, die sie verdient hätten. Halten Sie hingegen Abstand von Klischees – und nicht von neuen Kontakten – eröffnen Sie sich selbst die Möglichkeit, neue Freunde zu finden, die vielleicht genauso denken, wie Sie. Jeder umgibt sich gern mit anderen Menschen, die ähnlich ticken und Ansichten teilen (Fachjargon: „Filterblase“).
3. Sie verhalten sich authentischer
Schubladendenken funktioniert in beide Richtungen: Man selbst hat das Gefühl, in eine Schublade passen zu müssen, um den Erwartungen anderer gerecht zu werden. Wir verbiegen uns und versuchen, es allen recht zu machen. Dabei bleibt in der Regel zuerst die eigene Persönlichkeit auf der Strecke. Befreit man sich vom Schubladendenken, wird auch das eigene Handeln unbekümmerter. Sie richten sich weniger nach den Erwartungen, die andere an Sie haben und können authentisch sein.
4. Sie gehen offener an Probleme heran
Die Grenzen des eigenen Denkens setzen wir uns oft selbst – und Denkschubladen sind ein besonders effizienter Weg, um den eigenen Horizont zu verkleinern. Fallen diese jedoch weg, können Probleme offener und kreativer angegangen werden. So kommen vielleicht Lösungen oder Denkansätze ans Licht, auf die Sie bisher nie gekommen sind, da es nicht in die vorgefertigte Schablone in Ihrem Kopf passte.
Schubladendenken überwinden: 3 effektive Tipps
Die Vorteile sprechen für sich, doch wie können Sie das Schubladendenken überwinden? Die schlechte Nachricht vorneweg: Es ist leider nicht einfach. Vorurteile und das Denken in Klischees ist tief verankert und wird über viele Jahre zur Gewohnheit. Ohnehin merken Sie oft gar nicht, dass Sie andere gerade in eine Schublade stecken, weil der Prozess unbewusst abläuft. Zum Glück können Sie trotzdem etwas dagegen tun. Diese drei Tipps helfen gegen Denkschubladen:
- Denkschubladen erkennen
Der erste notwendige Schritt: Sie müssen das eigene Schubladendenken als solches erkennen und akzeptieren. Das klingt leichter, als es ist. Hinterfragen Sie, ob Ihre Meinung zu anderen Personen wirklich begründet ist oder ob Sie einfach nur vorgefertigte Ansichten abrufen. Kennen Sie jemanden überhaupt gut genug, um ein Urteil zu fällen? Oft verallgemeinern wir lediglich und halten es für Tatsachen. - Erfahrungen machen
Schubladendenken endet erst, wenn Sie sich Ihr eigenes und ganz persönliches Bild von Personen machen. Stecken Sie niemanden von Anfang an in eine Schublade, sondern lernen Sie die Personen kennen und zeigen Sie echtes Interesse an anderen. Jeder Mensch ist anders und so kann es nur falsch sein, eine ganze Gruppe über einen Kamm zu scheren. - Vorurteilen begegnen
Es ist ein unangenehmer, aber effektiver Tipp gegen eigenes Schubladendenken. Wenn Sie selbst in eine Schublade gesteckt und mit Vorurteilen konfrontiert werden, erkennen Sie, wie frustrierend und ungerecht das ist. Die eigene schmerzliche Erfahrung hilft Ihnen dabei, es selbst in Zukunft besser zu machen.
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