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Stereotyp und Vorurteil: Definition
Stereotyp ist eine Zusammensetzung aus den griechischen Wörtern steréos = starr, fest und typos, zu deutsch: Schlag, Eindruck oder Muster.
Der Begriff Stereotyp (Plural: die Stereotype) stammte ursprünglich aus dem Buchdruck und bezeichnete im 18. Jahrhundert den Druck mit feststehenden, unveränderlichen Schriften. Heutzutage kennt man Stereotyp vor allem aus der Psychologie, den Sozialwissenschaften und der Volkskunde.
Bezeichnet wird eine überwiegend starre Vorstellung von Personen oder Gruppen, die in der Gesellschaft präsent ist. Es geht also um weit verbreitete Vorstellungen, die sich auf Menschen beziehen.
Jeder Mensch ist aufgrund bestimmter Merkmale solchen Kategorisierungen unterworfen:
- Alter
- Ethnie
- Frisur
- Geschlecht
- Hautfarbe
- Kleidung
- Verhalten
Vom amerikanischen Journalisten Walter Lippmann stammt eine bis auf den heutigen Tag prägende Definition. Demnach sind Stereotypen…
verfestigte, schematische, objektiv weitgehend unrichtige kognitive Formeln, die zentral entscheidungserleichternde Funktion in Prozessen der Um- und Mitweltbewältigung haben.
Weil so unterschiedliche Disziplinen sich mit dem Stereotyp und seinen Auswirkungen beschäftigen, fallen die Definitionen erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Ohnehin werden im Alltagsgebrauch Stereotyp und Vorurteil häufig in einem Atemzug genannt, so dass es wenig verwundert, dass die Begriffe gern synonym verwendet werden.
Statt Stereotyp wird ebenfalls oft gleichbedeutend von Klischee, Schablone oder Vorurteil gesprochen. Das stimmt allerdings nicht so ganz mit dem heutigen Verständnis der Stereotypforschung überein. Demnach besteht der Unterschied zwischen Stereotyp und Vorurteil darin, dass…
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Stereotype
auf einer unbewussten und nahezu automatischen Kategorisierung beruhen. Das heißt, durch Schubladendenken werden Menschen in bestimmte Schubladen sortiert, die für jeweils unterschiedliche Merkmale stehen. Stereotype können durchaus neutrale oder positive Bewertungen beinhalten.
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Vorurteile
hingegen auf Stereotypen aufbauen. Es existieren bestimmte Merkmale, die von einer Person negativ bewertet werden. Vorurteile drücken damit eine generelle Haltung aus.
Stereotyp: Beispiele für stereotypes Denken
Jeder Mensch kennt Stereotype, jeder wird von anderen mit Stereotypen bedacht. Weit verbreitet und teilweise kaum noch erklärbar sind Zuschreibungen je nach Nationalität.
Geht es um die Vorstellungen über die eigene Kultur, wird von Autostereotypen gesprochen. Meint man fremde Kulturen, ist von Heterostereotypen die Rede:
Deutsche reservieren mit dem Handtuch im Urlaubsort immer die Liegen am Pool. Skandinavier und Russen trinken über die Maßen hinaus Alkohol und Spanier halten andauernd Siesta. Aus diesen und ähnlichen Stereotypen leiten sich dann als Ethnophaulismen bezeichnete Vorurteile ab, die jeder kennt:
- Froschfresser für Franzosen
- Inselaffen für Engländer
- Spaghettifresser für Italiener
- Krautfresser für Deutsche
Das Problem liegt weniger darin, dass nicht jeder ein Beispiel aus eigener Erfahrung kennt, das das Stereotyp bestätigt. Sondern vielmehr wird von einem Individuum auf die gesamte Gruppe – in manchen Fällen eine ganze Nation – geschlossen.
Alle Franzosen essen Frösche – ungeachtet der Tatsache, ob es vielleicht Vegetarier gibt. Zudem sind diese Vorurteile in beleidigende Form gekleidet, werden also als Schimpfwort benutzt.
Hierbei handelt es sich keineswegs um ein deutsches Spezifikum. Über Deutsche existieren natürlich genauso viele Stereotype und Vorurteile. Besonders viele scheinen in der polnischen Sprache zu existieren. Das lässt sich mit der wechselhaften, für die polnische Seite oftmals negativen deutsch-polnischen Geschichte erklären.
Stereotype gibt es aber auch zuhauf innerhalb Deutschlands: Die Norddeutschen sind besonders wortkarg, die Bayern sehr gastfreundlich und die Schwaben sehr geizig. Und das Berufsleben und bestimmte Branchen sind natürlich ebenso wenig vor Stereotypen gefeit:
Pünktlich wie die Maurer, heißt es etwa. Anwälte sind allesamt Halsabschneider, Sozialpädagogen sind Gutmenschen und in Behörden sitzen sowieso nur Sesselfurzer.
Stereotyp Bedeutung: Herkunft und Zweck der Vorannahmen
Ebenfalls von Lippmann stammt folgende Erklärung für Stereotype, demnach handelt es sich um…
verfestigte, schematische, objektiv weitgehend unrichtige kognitive Formeln, die zentral entscheidungserleichternde Funktion in Prozessen der Um- und Mitweltbewältigung haben.
Stereotype und Vorurteile haben gewisse „Vorteile“:
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Mehr Sicherheit
Obwohl das Stereotyp häufig unrichtig ist, hilft diese vereinfachte Darstellung von Personen oder Gruppen dabei, Entscheidungen zu treffen.
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Mehr Überschaubarkeit
Komplexe Zusammenhänge sowie soziale Strukturen werden zusammengefasst. Die Welt wird plötzlich deutlich überschaubarer.
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Mehr Selbstwertgefühl
Sowohl Stereotype als auch Vorurteile tragen dazu bei, in Abgrenzung zu anderen sich genauer definieren zu können. Wer in solchen Kategorien denkt, ist weniger unsicher, das Selbstwertgefühl steigt.
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Mehr Zugehörigkeitsgefühl
Indem andere abgewertet werden, kann man sich selbst aufwerten. Der abwertenden Person ist nun klar, wer und was sie ist. Trifft so jemand auf andere Menschen mit denselben stereotypen Vorstellungen, entsteht schnell ein Zugehörigkeitsgefühl.
So wünschenswert ein hohes Selbstwertgefühl auch ist: Solange es durch Abwertung anderer zustande kommt, ist es Käse. Ein gesundes Selbstwertgefühl kommt von innen heraus und braucht keine Abwertung anderer.
Stereotyp: Folgen stereotypen Denkens
Was als harmlose Vereinfachung beginnt, endet manchmal als gnadenlose Verallgemeinerung. Nicht alle Stereotype sind so nett wie die vom Deutschen, den übergroße Pünktlichkeit auszeichnet. Klar, die Kehrseite der Medaille ist das Spießertum.
Das an sich muss aber keine Karrierebremse sein. Ganz anders sieht es mit Stereotypen aus, die in handfeste Vorurteile münden.
Es lassen sich drei (teilweise überschneidende) Bereiche ausmachen, die im Berufsleben besonders mit Stereotypen konfrontiert sind:
- Geschlecht
- Herkunft
- Namen
Von Geschlechterstereotypen, die sich nachteilig auswirken, sind vor allem Frauen betroffen. Während Männern Aktivität, Stärke und Durchsetzungsvermögen zugeschrieben wird, stehen Frauen vor allem für Emotionalität, Abhängigkeit und Einfühlungsvermögen.
Das Problem bei solchen Stereotypen ist vor allem, wenn die Person ihrer jeweiligen Rolle nicht gerecht wird. Zeigt eine Frau etwa nicht das erwartete Einfühlungsvermögen, wird sie automatisch als Abweichlerin empfunden.
Was Helge Schneider vor Jahren satirisch mit „Du hast kleinere Hände, damit kommst du besser in die Ecken“ besang, spiegelt letztlich gesellschaftliche Realität wider: Aufgrund ihrer großen Emotionalität scheinen Frauen per se für soziale Berufe geeignet.
So zumindest die weitverbreitete Annahme. Auch führen bekanntermaßen dieselben Eigenschaften bei Männern und Frauen zu unterschiedlichen Bewertungen: Was bei einem Mann als meinungsstark empfunden wird, wird einer Frau als zickig ausgelegt.
Von beruflichen Nachteilen aufgrund von Stereotypen sind ebenfalls Migranten oder Menschen mit Vornamen betroffen, die fremdländisch klingen oder negative Assoziationen wecken.
Menschen mit Migrationshintergrund werden – auch wenn sie hier geboren sind und fließend Deutsch sprechen – zunächst einmal auf Skepsis stoßen. Das Gleiche gilt erwiesenermaßen für Deutsche mit allzu kreativen Vornamen.
Das Stereotyp: Kevin und Cheyenne sind eher etwas minderbemittelt. Von ihnen ist arbeitstechnisch nicht viel zu erwarten. Bewerber, die in eine dieser Kategorien fallen, müssen signifikant mehr Bewerbungen schreiben.
Stereotype überwinden: Ist es möglich?
Die Wissenschaft weiß, dass bereits ab etwa drei Jahren Kinder beginnen in Gruppen einzuteilen. Die typischen Merkmale sind dann Hautfarbe, Haarfarbe oder Geschlecht. Und immer wird diejenige Gruppe, der man selbst angehört, ein bisschen besser beurteilt – denn sie ist einem vertraut.
Psychologen konnten dieses Phänomen im Hirnscanner nachweisen: Man zeigte Probanden Mitglieder der eigenen Gruppe sowie Menschen anderer Ethnien. Die Region im Gehirn, die mit Furcht und Flucht zusammenhängt, die Amygdala, war bei Fremden stark aktiviert, bei Angehörigen derselben Gruppe hingegen deutlich ruhiger.
Stereotype werden offenbar biologisch begünstigt. Daher stellt sich die Frage, ob sie eine unvermeidliche Begleiterscheinung jeglicher menschlicher Wahrnehmung sind oder ob sie sich individuell kontrollieren lassen.
Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Fakt ist, dass jedes Individuum mit den in seiner Kultur vorhandenen Stereotypen vertraut ist. Ob daraus Vorurteile oder gar Diskriminierung entsteht, hängt stark von der jeweiligen Person ab.
Was Sie tun können:
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Gespräche führen
Stereotype kommen aufgrund unterschiedlichster Merkmale zustande – selbst die Mimik trägt dazu bei. Angela Merkel wird häufig eher schlechte Laune aufgrund leicht herabhängender Mundwinkel nachgesagt. Solche vorschnellen Urteile sind zwar absurd, aber gängig. Bevor Sie also eine Person einfach kategorisieren, könnten Sie nachfragen, zum Beispiel: Hör mal, bedrückt dich etwas? Du wirkst seit Wochen so traurig auf mich.
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Erfahrungen sammeln
Sie glauben, alle Polen stehlen Autos? Dann sollten Sie welche persönlich kennenlernen. Das gilt natürlich für sämtliche anderen Klischees und Stereotypen ebenso. Reisen bildet. Es fördert die interkulturelle Kompetenz und trägt dazu bei, solche Stereotype abzubauen, denn Sie werden mit zunehmender Erfahrung feststellen, dass keine Gruppe und keine Nation eine homogene Masse ist.
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Wissen aneignen
Wer nicht reisen kann, dessen Stereotype lassen sich auch durch Lesen überprüfen. Natürlich kommt es auf die Auswahl an. Es gibt so etwas wie einen sich selbst verstärkenden Effekt. Stereotype und Vorurteile tragen dazu bei, dass gewissermaßen nach Informationen gesucht wird, die ins eigene Schema passen. Wer beispielsweise ausschließlich aus Hetzseiten sein Wissen bezieht, wird wenig Neues erfahren, sondern sich eher in seinen Ansichten bestätigt fühlen.
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