Die Millersche Zahl: Wo kommt sie her?
Als Namensgeber der magischen Gedächtnisbarriere gilt der US-amerikanische Psychologe George Armitage Miller (1920-2012). Schon im Jahr 1956 untersuchte der, wie viele Informationseinheiten (sogenannte Chunks) ein Mensch gleichzeitig verarbeiten beziehungsweise behalten kann.
Dabei stellte er bald fest, dass seine Probanden nur um die sieben Dinge gleichzeitig im Kurzzeitgedächtnis behalten konnten. Plus/Minus zwei Dinge. Danach war ihre Gedächtnisspanne erschöpft. Voilà, die Millersche Zahl war geboren.
Allerdings lässt sich diese – zugegebenermaßen große – Barriere schon durch sogenanntes Chunking wieder überwinden.
Ein Beispiel: Versuchen Sie sich bitte folgende Buchstabenfolge zu merken…
R B E U A N G R H S Ü C
Dabei handelt es sich um zwölf Buchstaben – deutlich mehr als sieben (plus zwei). So mancher dürfte damit also Probleme haben.
Werden die scheinbar sinnlosen Buchstaben aber anders sortiert, kommt das heraus:
Ü B E R R A S C H U N G
Ein Wort, das Sie kennen. Diese Buchstabenfolge zu memorieren, dürfte für Sie überhaupt kein Problem darstellen. Das Wort Überraschung kann sich wohl jeder merken – auch deutlich längere Wörter.
Genau das passiert auch beim Chunking: Wir ordnen einzelne Chunks zu besser merkbaren Einheiten – wie zum Beispiel bei Telefonnummern, die in der Regel immer in Zweierblöcken dargestellt werden. So lassen sich dann – nach der Millerschen Regel – bis zu 14 Zahlen (7 x 2) memorieren.
Das Chunking hat aber natürliche Grenzen. Ein Gedicht mit sieben Strophen à sieben Zeilen müssen wohl die meisten mühsam pauken und es so ins Langzeitgedächtnis transportieren. Kurzzeitig merkt sich sowas kaum noch eine(r).
7+/-2 Regel: Anwendungstipps für die Millersche Zahl
Seit ihrer Entdeckung geistert die magische Sieben immer wieder durch zahlreiche artverwandte Untersuchungen wie etwa dem Blue-Seven-Phänomen (wonach 7 die weltweite Lieblingszahl und Blau die Lieblingsfarbe der meisten Menschen ist) oder die 7+/-2 Regel findet sich in praktischen Anwendungstipps.
Insbesondere in der Kommunikation, im Projektmanagement und im Internet kommt die Millersche Zahl häufig zum Einsatz.
So empfehlen Experten zum Beispiel:
- Die Zahl der Informationen auf Powerpoint-Folien, Flip-Charts oder Whiteboards auf maximal sieben Aussagen zu beschränken.
- Auch (Pro-)Argumente und zusammenfassende Listen sollten nicht mehr als sieben Punkte umfassen.
- Wer komplexe Systeme oder Organisationen strukturiert (darstellt), sollte diese ebenfalls in nicht mehr als sieben Ebenen gliedern.
- Logische Verknüpfungen und Kausalketten sollten nicht mehr als sieben Elemente umfassen, um nachvollziehbar zu bleiben.
- Lerneinheiten werden idealerweise in sieben Abschnitte eingeteilt.
- Die Zahl der Rubriken auf Websites sollte sich ebenfalls auf sieben beschränken.
- Tipps haben idealerweise auch nicht mehr als sieben Empfehlungen – so wie diese Liste.
Das Ganze lässt sich natürlich beliebig fortsetzen – und ist in Teilen auch nicht unumstritten. Zumal die Millersche Zahl in erster Linie aus der Lernpsychologie kommt.
Bei der limitierten Gedächtsnisspanne geht es in erster Linie um das gleichzeitige aufnehmen, verarbeiten und kurzzeitige merken von neuen Informationen, weniger um reine Wahrnehmung oder gar Gestaltung.
Dennoch bietet sie eine gute Orientierung für alle Trainer, Coaches, Lehrer, Berater, Präsentäter immer wieder darauf zu achten, sein Publikum nicht zu überfordern und Lehrelemente nicht zu überfrachten. Kurz: Sie diszipliniert und zwingt, sich auf das Wesentliche zu beschränken.
Plus/Minus 2.
Magische Zahl: Sieben oder Vier?
Als der Australier Gordon Parker im Jahr 2012 Millers Untersuchungen noch einmal überprüfte, kam er zu einem anderen Ergebnis: Nicht Sieben – Vier sei die magische Zahl, bei der die Grenze des mentalen Arbeitsspeichers erreicht sei.
Als Beleg führt Parker ebenfalls Telefonnummern an, die häufig sieben Ziffern haben und eben deshalb häufig in zweistellige Chunks zusammengefasst werden, damit wir sie uns besser merken können. So werde zum Beispiel aus 1234567 die Folge 12 34 56 7 – also nur vier Chunks, aber sieben Ziffern.
Allerdings räumt Parker selbst ein, damit nicht zu meinen, unser Gedächtnis könne nicht mehr als vier Dinge speichern, sondern nur nicht mehr als vier gleichzeitig präsent halten.