Denkfehler: Wie uns das Unterbewusstsein beeinflusst

Jeden Tag treffen wir eine Vielzahl an Entscheidungen. Angeblich mehr als 20.000. So manche Methoden und Entscheidungshilfen unterstützen uns dabei, bessere Entscheidungen zu treffen. Doch die beste Technik ist nutzlos, wenn uns das Unterbewusstsein einen Streich spielt. Denken ist zwar die Grundlage unseres Handelns, doch kommt es dabei auch regelmäßig zu gefährlichen Denkfehlern. Eine falsch interpretierte Information oder eine falsche Annahme kann schon der Ausgangspunkt für eine gigantische Negativspirale sein. Typische Denkfehler – und wie Sie sich davor schützen…

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Denkfehler: Die Macht des Unterbewusstseins

Wie sehr uns unbeachtete Einflüsse beeinflussen können, zeigt zum Beispiel eine Studie aus den Niederlanden: Henk Aarts, Professor für soziale und organosationale Psychologie sowie sein Kollege Ruud Custers, beide von der Universität Utrecht, fanden heraus, dass Menschen ihr Verhalten ändern, nur weil sie optischen Reizen ausgesetzt sind. Noch zu kryptisch? Dann konkreter: Stellen Sie sich etwa vor, Sie kommen in ein Büro und sehen dort eine lederne Brieftasche auf dem Schreibtisch liegen… Nichts Besonderes, denken Sie? Fehler! In den Experimenten dazu konkurrierten die Probanden in diesem Fall sofort mehr untereinander. Umgekehrt verhielten sie sich harmonischer, sobald sie ein Bild einer Bibliothek im Hintergrund erblickten. Ebenso hielten Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz sauberer, wenn ein leichter Geruch von Reinigungsmitteln in der Luft lag.

Das klingt noch vergleichsweise harmlos. Trotzdem macht es schon deutlich, welche Macht das Unterbewusstsein tagtäglich auf uns ausübt. Bei einem anderen Experiment ging es beispielsweise um das Lösen eines Puzzles. Zuvor allerdings wurden den Probanden über Monitore ein paar Wörter gezeigt, die in Verbindung damit standen. Ein Teil der Gruppe bekam zwischendurch auf dem Bildschirm allerdings auch Wörter zu sehen, die mit positiven Assoziationen behaftet waren – also zum Beispiel „Strand, Freund, Zuhause“. Diese Einblendungen waren so kurz, dass sie für das Bewusstsein nicht wahrnehmbar waren. Registriert wurden sie aber durchaus, denn als die Teilnehmer später die Puzzles erhielten, zeigte sich die Gruppe, die zuvor unbewusst beeinflusst worden war, motivierter und arbeitete härter und länger an der Aufgabe.

Experimente wie diese gibt es zuhauf:

  • So geben etwa Verkäufer bei Vertragsabschlüssen weniger Preisnachlass, wenn sie auf einem harten Stuhl sitzen.
  • Andere trinken sofort mehr, sobald sie Begriffe rund um Durst, Wasser oder Erfrischung lesen (ein Tipp für die Dekoration von Kneipen vielleicht?).
  • Wieder andere neigen dazu, konstruktiveres Feedback zu geben, sobald sie im Hintergrund eine Tafel mit den Namen ihrer Liebsten erblicken.

Ein kleiner unbewusster Reiz – und unser ganzes Verhalten ändert sich.

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Wir sind unserem Unterbewusstsein nicht ausgesetzt

Dabei ist das Verarbeiten von Informationen durch das Unterbewusstsein zunächst ein völlig automatischer Prozess. Er hilft uns, die Flut an Informationen, Reizen und Eindrücken, die tagtäglich auf uns einprasseln, leichter zu verarbeiten. Es ist ein Überlebensmechanismus ohne dem wir schlicht wahnsinnig werden würden. Allerdings – und das ist die gute Nachricht – sind wir unserem Unterbewusstsein nicht hilflos ausgesetzt. Die meisten Handlungen und Entscheidungen, werden anschließend durch das Bewusstsein getroffen. Das Unterbewusstsein beeinflusst uns nur solange, solange wir aufhören, über unser Denken und Handeln zu reflektieren, wie zum Beispiel:

  • Warum will ich das jetzt haben?
  • Warum ärgere ich mich gerade so?
  • Warum möchte ich das jetzt sagen oder tun?

Sobald wir beginnen, nicht mehr affektiv zu handeln, haben wir einen großen Schritt zur inneren Freiheit getan und werden unabhängiger von äußeren Einflüssen, Provokationen oder gar Manipulationsversuchen.

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8 typische Denkfehler

Aber Halt! Ganz so leicht ist es dann doch nicht. Denn selbst mit genügend Selbstreflexion gibt es noch ein paar Denkfallen, in die wir selbst bewusst noch tappen können. Sie gehören zu der Gruppe der Klischees und Stereotypen, die wir uns irgendwann angeeignet haben und nun davon überzeugt sind, dass sie stimmen. Müssen sie aber gar nicht, oder nicht mehr. Ein paar davon sind besonders typisch und daher vielleicht auch Ihnen aus dem Alltag bekannt:

1. Schwarz-Weiß-Denken

Tatsächlich neigen viele Menschen – insbesondere beim Diskutieren – dazu, in absoluten Entweder-Oder-Kategorien zu denken und zu argumentieren. Kind ODER Karriere, Erfolg ODER Glück, richtig ODER falsch, derselben Meinung ODER ein Idiot … Eine solche Haltung führt aber nur zu Extremismus und Fundamentalismus und übersieht, dass die Welt mehrheitlich in vielen Grautönen schimmert. Wer so denkt, schränkt seinen Horizont selber ein und wird geistig immer unflexibler. Intoleranter sowieso.

Was gegen den Denkfehler hilft: Immer wieder seine Perspektive wechseln und zugestehen, dass es zwar (aus der eigenen Sicht) falsche Meinungen geben kann, dass damit aber eben der andere leben und glücklich werden muss und vielleicht sogar kann. Und natürlich steckt in dieser Denkfalle auch eine gehörige Portion Narzissmus und Perfektionismus. Ein Ausweg ist, zu akzeptieren, nicht immer der Cleverste sein und der Welt nichts beweisen zu müssen. Neben der Entweder-Oder-Haltung gibt eben häufig ein Sowohl-als-auch.

2. Generalisieren

Was für einen selbst gut und richtig ist, muss es für andere noch lange nicht sein. Als typische Ratgeberseite, wissen wir, wovon wir sprechen: Ja, wir geben oft und gerne eine eindeutige und auch allgemeine Empfehlung ab, was wir für hilfreich halten. Alles andere wäre auch nicht glaubwürdig (wer empfiehlt schon, woran er selbst nicht glaubt?). Aber auch wenn wir dies im Brustton der Überzeugung schreiben, ist dies nur ein Angebot. Die klare Tendenz soll eine Art Orientierungshilfe geben, die man annehmen kann, aber nicht muss. Jedenfalls bilden wir uns nicht ein, dass wer diese Ratschläge nicht befolgt, automatisch scheitern wird. Wir glauben lediglich das Gegenteil: dass sich damit die Chancen auf Erfolg steigern lassen. Das schließt zahlreiche individuell abweichende Wege mit ein.

Was gegen den Denkfehler hilft: So banal es klingt: nicht generalisieren. Problematisch wird es immer dann, wenn eine bestimmte Ansicht zum Diktat oder Dogma verallgemeinert wird. Dabei werden viele blind dafür, die meisten eigenen Erfahrungen und Erfolge auf vielen Variablen beruhten, die es so kein zweites Mal gibt. Lassen Sie die Vergangenheit in ihrer Zeit. Und hören Sie auf, andere generell zu beurteilen, obwohl sie nur einen Ausschnitt sehen. Oft ist dies nur ein Echo Ihrer selbst. Oder wie es so schön heißt: „Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul.“

3. Emotionalisieren

Nicht wenige denken, was sie fühlen entspricht auch der Realität. Doch das ist ein Irrglaube. Es ist richtig, Emotionen lassen sich nicht wegdiskutieren – sie sind Realität. Aber eben nicht DIE Realität selbst. Gefühle sind trügerisch, sie können sich auch schnell ändern. Und das wiederum verwirrt unseren Geist mitunter heftig.

Was gegen den Denkfehler hilft: Sich selbst disziplinieren, Dinge rationaler zu betrachten. Ihr Bauch sagt Ihnen: „Ich hab dabei ein ganz ungutes Gefühl…“ Aber Ihr Verstand sollte fragen: „Warum hab ich das? Gibt es dafür berechtigte Gründe?“ Natürlich behumsen wir uns auch beim Rationalisieren gerne und immer wieder. Deshalb sind Gefühle oder unser Gewissen ein guter Gegencheck – aber erst im Wechselspiel tricksen wir den Denkfehler aus.

4. Allwissenheit

Jemand sagt etwas, und Sie denken: „Ah, kenne ich, weiß ich, und ich kenne auch schon die Antwort!“ Vermutlich ist das der größte Denkfehler von allen: eine Mischung aus nicht zuhören können und Voreingenommenheit. Oder kurz: die angenommene Allwissenheit. Sie verführt uns zu selektiver Wahrnehmung und dazu, dass wir nur noch hören, was wir hören wollen und meinen zu wissen. Allerdings behindert unsere tendenziöse Wahrnehmung maßgeblich die Qualität unserer Entscheidungen und Handlungen – ohne dass wir es ahnen.

Was gegen den Denkfehler hilft: Einen wirklich befriedigenden Ausweg (im Sinne von drei Bulletpoints und dann klappt’s) gibt es dazu leider nicht. Die einzige Chance, den Effekt abzumildern, besteht in möglichst kritischer Selbstreflexion und dem wiederholten Ratsuchen bei Freunden und unabhängigen Dritten, verbunden mit genauem Zuhören und Nachfragen.

5. Wenn-Dann-Haltung

Ein wesentlicher Erfolgsschlüssel ist es, sich Ziele zu setzen. Große oder kleine ist dabei egal. Allein diese selbstgewählten Meilensteine zu erreichen, macht uns glücklich. Wir fühlen uns selbstbestimmt und wissen zugleich: „Was ich mir vornehme, kann ich auch erreichen.“ Soweit, alles gut. Häufig aber verknüpfen Menschen diese Ziele mit Wenn-Dann-Bedingungen: „Wenn ich doch nur 500 Euro mehr verdienen würde, machte mir der Job mehr Spaß.“ „Wenn ich doch nur mehr Verantwortung hätte, dann könnte ich mehr erreichen.“ „Wenn ich mehr Macht hätte, dann würde sich hier einiges ändern.“ Ein Trugschluss. Denn was tatsächlich passiert, ist: nichts. Sobald wir die 500 Euro endlich mehr verdienen, mehr Verantwortung oder Macht haben, sind wir eben nicht automatisch glücklicher. Oder zumindest nur sehr kurzfristig. Und schon beginnt die Wenn-Dann-Phase von vorne.

Was gegen den Denkfehler hilft: Kultivieren Sie eine Haltung der Dankbarkeit – insbesondere für Erreichtes. Es gibt immer ein Höher, Schneller, Weiter. Und es ist auch nicht verkehrt, sich hohe Ziele zu stecken. Aber Zufriedenheit entsteht nicht bei der (endlosen) Jagd danach, sondern indem man sich bewusst macht, welchen Weg man schon zurück gelegt hat – und dafür dankbar wird. Meist hilft es auch, sich weniger auf das Ziel („500 Euro mehr im Monat“) zu fokussieren, sondern darauf, was man damit machen will und warum das einen soviel glücklicher machen sollte. Je nachdem entdecken Sie dabei eine Alternative, wie Sie dieses Ziel genauso erreichen – nur unabhängig von der Gehaltserhöhung.

6. Schwarzsehen

Natürlich sollte man möglichst alle seine Entscheidungen gründlich „überdenken“. Aber wie bei allem gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Auch mit dem Analysieren, Bedenken und Problematisieren kann man es übertreiben. So wird dann beispielsweise aus der Frage, ob man seine Zähne künftig manuell oder elektrisch putzt, eine lebenswichtige Philosophiewahl, deren Ausgang womöglich 500 Hektar Regenwald gefährdet. Manche suchen gar Fehler, wo gar keine sind. In dem Fall haben die Betroffenen ihren Verstand bereits auf die Suche nach Fehlern konditioniert – typisch für chronische Schwarzseher. Nicht selten steckt hinter dem kritischen Überdenken auch eine versteckte Prokrastinations-Taktik, um sich vor der eigentlichen Entscheidung und damit auch Verantwortung zu drücken.

Was gegen den Denkfehler hilft: Einmal: sich Deadlines setzen und diese einhalten. Vor allem aber sich auf die wesentlichen Fragen fokussieren und ebenso realistisch wie pragmatisch bleiben: Von einer Entscheidung geht die Welt nicht unter. Und selbst wenn die sich hernach als falsch herausstellt, ist es meist besser sich überhaupt weiterbewegt zu haben. Meist ist es besser, sich überhaupt zu entscheiden und Fehler in Kauf zu nehmen (aus denen sich auch lernen lässt).

7. Fremdziele

Ob wir es wollen oder nicht: Unser Umfeld prägt uns. Nicht nur Freunde oder Familie. Auch das, was wir als vermeintliche Wahrheiten lesen und indem wir uns vergleichen: „Alle meine Kommilitionen sind inzwischen in leitender Position – da sollte ich auch längst sein!“ „Wer es bis 40 nicht dort oder dorthin schafft, erreicht das nie mehr.“ „Ich müsste längst ein florierendes Unternehmen haben…“ Unzufriedenheit und Vergleich können Ansporn sein und Ambitionen wecken – oft aber verstärken sie sich nur gegenseitig. Doch mit diesem Imperativ im Konjunktiv belügen wir uns meist selbst: Es ist nicht deren Leben, was wir leben, sondern unser eigenes. Und das kann ganz anders verlaufen. Nicht, ob der Nachbar im gleichen Jahrgang schon längst 100.000 Euro mehr im Jahr verdient, zählt, sondern unsere eigenen Intentionen, was uns selbst wirklich wichtig ist.

Was gegen den Denkfehler hilft: Ganz banal: Machen Sie sich eine Liste – und zwar mit Ihren langfristigen Lebenszielen: etwa glücklich verheiratet zu sein, tolle Kinder zu haben, in einem eigenen Haus zu leben, die Welt zu bereisen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, so und so viel Geld zu verdienen… so was. Als Nächstes gehen Sie diese Liste durch – und streichen wieder alles, von dem Sie (nur) glauben, Sie müssten es erreichen (wollen es aber gar nicht wirklich). Was übrig bleibt, sind Ihre eigenen Ziele. Und für die machen Sie sich jetzt auch einen eigenen Zeitplan. Ob der Nachbar oder Kollege eines dieser Ziele auch erreicht und womöglich viel früher, ist irrelevant. Wissen Sie, ob ihn das wirklich glücklicher macht?

8. Werteverrat

Es mag der Punkt kommen, an dem man merkt: „Mir läuft die Zeit davon, ich hinke meinem eigenen Plan hinterher. Schlimmer: Ich erreiche mein Ziel womöglich nicht mehr.“ Nicht wenige tappen dann in die nächste Denkfalle: Sie helfen dem vermeintlichen Glück mit unlauteren Mitteln nach und verraten dabei ihre persönlichen Werte. Egal, was man damit auch erreicht (wenn es überhaupt gut geht), es fühlt sich danach nie gut an. Man kann andere vielleicht so hinters Licht führen, aber sich selbst bemogelt keiner. Der Erfolg ist nie echt, es bleiben ein bitterer Beigeschmack und womöglich ein paar Leichen im Keller, von denen man ewig fürchten muss, dass sie einer entdeckt.

Was gegen den Denkfehler hilft: Sich selbst und den eigenen Werten treu bleiben. Es wird im Leben ganz sicher vorkommen, dass man einige seiner Ziele nie erreicht und der Erfolg hier und da ausbleibt. Dann ehrlich sagen zu können: „Ich hab es wenigstens versucht“, ist allemal befriedigender als zu wissen: Mein Erfolg und Lebenswerk beruhen darauf, mich selbst (und andere) verraten zu haben. Erfolg kostet: Kraft, Fleiß, Disziplin – aber bitte nie die eigenen Werte. Die sind unbezahlbar.

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Wie Sie Denkfehler verringern

All diese Denkfehler sind im Grunde normal und kommen bei zahlreichen Menschen Tag für Tag vor. Dass wir aber auch ihren Einfluss verringern können, fand wiederum Stephan Fleming von dem Universitäts-College London heraus – indem er den Grad unseres Selbstvertrauens in Verbindung mit den Denkfehlern beziehungsweise richtigen Entscheidungen brachte.

Kurz gesagt entdeckte der Forscher, dass Menschen, die ihr Denken und ihre Entscheidungen oft reflektieren, ein höheres Selbstbewusstsein besitzen. Und wiederum verhilft ihnen dazu, weniger Denkfehler zu machen. Bewussteres Nachdenken – oder besser gesagt: Vordenken VOR dem Handeln bewahrt uns nicht nur vor Fehlentscheidungen: Es steigert auch unser Selbstbewusstsein und damit wiederum die Zahl der richtigen Entscheidungen.


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