Definition und Bedeutung: Was ist Authentizität?
Kaum ein Begriff ist in der Vergangenheit so oft erwähnt und erwünscht worden, wie der, „authentisch zu sein“. Allein Google findet mehr als 15,5 Millionen Einträge zum Suchbegriff „authentisch“ – vor zehn Jahren waren es erst 1,1 Millionen Treffer. So groß ist die Sehnsucht nach dem Echten heute!
Synonyme für Authentizität sind:
- Glaubwürdigkeit
- Zuverlässigkeit
- Unverfälschtheit
- Wahrhaftigkeit
Oft wird Authentizität mit „Echtheit“ übersetzt. Ist etwas authentisch, dann wurde es laut Definition zuvor auf seine Echtheit geprüft und als Original befunden. Das gilt für Dinge oder Dokumente genauso wie für Menschen. Nur lassen die sich natürlich schwerer prüfen. Deshalb versuchen wir es mit anderen Kriterien – zum Beispiel der Übereinstimmung von Reden und Handeln, von Denken und Verhalten einer Person. Am Ende läuft es vor allem darauf hinaus, glaubwürdig zu sein (siehe Grafik).
Was macht einen authentischen Menschen aus?
Authentische Menschen wirken in der Regel wahrhaftig, ungekünstelt, offen und entspannt. Ein authentischer Mensch strahlt aus, dass er oder sie zu sich selbst steht, zu den eigenen Stärken und Schwächen. So jemand ist im Einklang mit sich selbst – und das spürt auch die Umwelt.
Was assoziieren Sie mit authentisch sein? Sich nicht verbiegen lassen? Aufrecht sein? Keine faulen Kompromisse eingehen? Tatsächlich empfinden viele ihr Gegenüber schon dann als glaubwürdig, wenn sich der- oder diejenige ihren eigenen Vorstellungen entsprechend verhält. Menschen mit Ecken und Kanten dagegen sind latent verdächtig, etwas im Schilde zu führen. So kommt es zu der grotesken Situation, dass am Ende diejenigen als besonders authentisch empfunden werden, die ihre Rolle besonders überzeugend spielen oder sich so verhalten, wie wir es von ihnen erwarten.
Eigentlich bin ich ganz anders, ich komm nur viel zu selten dazu. Du machst hier bald mit einem Bekanntschaft, den ich genauso wenig kenne wie du.
Das singen Udo Lindenberg und Jan Delay in ihrem Hit „Ganz anders“. Die erste Hälfte des Zitats stammt eigentlich auch von jemand ganz anderem: dem österreichisch-ungarischen Schriftsteller Ödön von Horváth und seinem Werk „Zur schönen Aussicht“. Hinter der Aussage steckt der Wunsch, sich selbst besser zu (er)kennen sowie die Sehnsucht nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit – nach Authentizität eben.
Wie authentisch sind wir noch im Internet?
Überall wächst der Wunsch nach dem Authentischen. Doch verführt uns gerade das Internet oft zum Gegenteil. Es erlaubt uns beispielsweise die Anonymität ebenso wie eine Art digitales Vexierspiel aus den verschiedenen Facetten unserer Persönlichkeit: Auf Facebook sind wir der nette Kumpel mit dem aufregenden Partyleben; auf Instagram spielen wir Trendsetter und Influencer, auf Linkedin dagegen sind wir ganz Profi: nüchtern, sachlich, seriös.
Teilweise ist das sogar gewollt. Selbstmarketing ist nicht nur ein moderner Trend. Der eigene Ruf, das virtuell designte Image und die Online-Reputation sind für den beruflichen Erfolg längst ein wichtiger Karrierefaktor. Die Optimierung des Selbst und die passende Fassade dazu avancieren zur Persönlichkeitsmarke. Was dabei herauskommt, ist nicht selten perfekter als das Original.
Doch das wirft Fragen auf:
- Was davon ist noch real und authentisch?
- Wie lange bleibt so jemand noch echt?
- Wo endet die zulässige Eigenwerbung?
- Wo beginnt der opportune Bluff?
Die 4 Kriterien der Authentizität
Schon viele Wissenschaftler haben sich in der Vergangenheit mit Authentizität beschäftigt und versucht, diese auf irgendeine Weise zu messen oder genauer zu bestimmen. Die Sozialpsychologen Michael Kernis und Brian Goldman von der Universität von Georgia zum Beispiel unterscheiden vier Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit wir uns selbst als authentisch erleben:
1. Bewusstsein
Wir müssen unsere Stärken und Schwächen ebenso kennen wie unsere Gefühle und Motive. Also warum wir uns so oder so verhalten. Erst durch diese Selbstreflexion sind wir in der Lage, unser Handeln bewusst zu erleben und zu beeinflussen.
2. Ehrlichkeit
Leider neigen wir Menschen dazu, uns schöner zu sehen als wir sind. Sogar sprichwörtlich. So gibt es einen amüsanten Versuch von Nicholas Epley und Erin Whitchurch mit Porträtfotos und durch Photoshop geschönten Varianten. Auf die Frage, welches der Fotos die Probanden zeige, entschieden sich diese jedes Mal für das aufgehübschte Bild. Sollten sie hingegen die Porträts anderer Teilnehmer identifizieren, wählten sie ohne Probleme das authentische Gesicht. Traurig, aber wahr: Wer authentisch sein will, muss der Realität ins Auge blicken und unangenehme Rückkopplungen – optisch wie verbal – akzeptieren.
3. Konsequenz
Wer Werte hat, sollte danach handeln. Das gilt auch für gesetzte Prioritäten oder für den Fall, dass man sich dadurch Nachteile einhandelt. Kaum etwas wirkt verlogener und unechter als ein Opportunist.
4. Aufrichtigkeit
Ein geschöntes Bild lässt sich meist nur eine zeitlang aufrecht erhalten. Ein bisschen Show muss sein, ja. Aber nicht wenn es um Authentizität geht. Wer wahrhaftig sein will, muss die Größe haben, auch seine negativen Seiten zu offenbaren.
Authentizität beginnt immer bei sich selbst. Wer versucht, Rollen und Klischee zu entsprechen, bewegt sich davon weg. Betroffene sind zwar vielleicht beliebt, aber häufig auch unecht, verlogen, falsch.
Die Kunst, authentisch zu sein
Auch wenn Selbstbild und Fremdbild im Einklang stehen, bedeutet das nicht, dass wir so bleiben, wie wir sind. Unsere Persönlichkeit ist kein zementierter Zustand. Wir entwickeln uns stetig weiter. Nicht nur unsere Fähigkeiten und Kompetenzen – auch Persönlichkeitsmerkmale sind veränderbar.
Zwar wird aus einem Mauerblümchen keine Rampensau. Doch verändern wir unsere Identität im Schnitt alle 20 Jahre, so das Ergebnis einer Studie von Margaret King und Jamie O’Boyle. Danach liegen die typischen Anpassungsphasen zwischen 15 und 20, 35 bis 40, 55 bis 60 sowie über 75 Jahren.
Echtheit und Veränderung schließen sich nicht aus
Der abgeschlossene, fertige Mensch ist eine Illusion. Wir können daher immer noch authentisch sein, selbst wenn andere feststellen: „Du hast dich aber verändert!“
Authentizität ist nicht gleichbedeutend mit Konformität. Entscheidend ist vielmehr die Wahrhaftigkeit uns selbst gegenüber.
Wird Authentizität zu unrecht glorifiziert?
Wahrhaftigkeit trägt einen heiligen Schein. Besonders hell leuchtet er in Zeiten, in denen Betrug und Bestechlichkeit grassieren und Authentizität (ebenso wie Transparenz) zum eilig übergestülpten Büßerkleid mutieren. Dann überstrahlt der wahrhaft ehrliche Schein sogar das, was drinsteckt in dem Kleid: Charakter.
Authentizität kann wie ein Eisberg in der arktischen See sein: imposant an der Oberfläche, aber darunter lauert die Gefahr. Authentizität adelt den Büro-Nerd genauso wie das Chefzäpfchen und den Despoten. Sie verklärt den berechnenden Egoisten zum mutigen Haudegen und den ewig nörgelnden Tunichtgut zum wertvollen Querdenker. Die sind halt so! Aber wenigstens stehen sie dazu und bleiben sich treu… Toll. Was kann der Pitbull schon dafür, dass er alle beißt? Aua!
Verstehen Sie uns nicht falsch: Es ist nichts Falsches an einer ehrlichen Haut. Gar nicht. Doch ist das mitunter auch nur eine Masche, bei der das Authentische zum einzig wahren Wert erklärt wird und übersehen wird, dass auch ein veritables Arschloch (Pardon!) authentisch sein kann. Nur bleibt es eben ein Arschloch.
Die Kunst authentisch zu bleiben
Wer sich verstellt, gilt als unehrlich; wer sich anpasst als Opportunist; wer für alles offen ist, kann nicht mehr ganz dicht sein. Aber wer ist, wie er ist, der hat zumindest das Zeug zum Original… Holy, holy – glory, glory! Reicht das? Aus der Zwillingsforschung ist heute bekannt, dass die Gene allenfalls bis zu 50 Prozent Einfluss auf den Charakter eines Menschen nehmen. Der Rest ist freier Wille. Oder mit den Worten Epikets: „Mache dir zuerst klar, wer du sein möchtest; und dann tue, was du zu tun hast.“
Nicht das Authentische verdient unsere Bewunderung, sondern die Gabe, echte Werte zu erkennen, zu bewahren und zu leben. Nicht wer man heute ist, ist das Ziel, sondern wer man sein will – und das in einer möglichst besseren Version als die aktuelle. Authentizität ist die Kunst mitzugehen, ohne die falsche Richtung einzuschlagen.
Wir müssen unser Ändern leben und das der anderen akzeptieren
Wer Fehler macht, diese erkennt, kann sich anpassen und verändern – und trotzdem authentisch bleiben! Das ist kein Widerspruch, im Gegenteil: Die Veränderung des Denkens und Handelns ist ebenfalls Teil der Persönlichkeitsentwicklung.
Umgekehrt gilt: Wer nach dem Authentischen sucht, der muss bereit sein, Menschen mit Ecken und Kanten zu erleben, zu ertragen und mit ihnen zu leben. Wir müssen bereit sein, andere Meinungen, anderes Denken und Handeln zu wertschätzen und darin – trotz aller Reibung – eine Bereicherung zu sehen, oder womöglich sogar gerade deswegen.
Viele können das nicht (was sich im Internet oft beobachten lässt). Sie schieben Ihre (teils unbegründeten und unreflektierten) Überzeugungen vor sich her und kommentieren nach dem Motto: „Wer nicht meiner Meinung ist, muss ein Idiot sein.“ Ganz ehrlich: Wer so agiert, mag noch authentisch sein, beweist aber die geistige Reife einer Sandkastenseele. Womöglich ist das die wahre Kunst, authentisch zu bleiben: Ehrlich und treu sein Ändern zu leben und Toleranz gegenüber dem Anders-Authentischen zu üben. Und sei es nur dem einen zum Ansporn, dem anderen zum Anstoß und dem dritten als Anführer.
11 Gründe, warum wir uns selbst treu bleiben sollten
Nicht immer ist es leicht, sich selbst treu zu sein. Man möchte den Chef beeindrucken oder von den Kollegen gemocht werden und spielt eine Rolle, weil man glaubt, damit besser anzukommen. Doch wer sich dauerhaft verstellt, wird unglücklich damit. Was passiert, wenn Sie zu sich selbst stehen:
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Sie werden mental stärker
Ihr Selbstwertgefühl hängt nicht mehr von Ihren Mitmenschen ab. Sie sind stolz auf Ihre Stärken, akzeptieren aber auch Ihre Fehler und Schwächen. Kritik trifft Sie nicht mehr so hart, weil Sie diese nicht mehr als persönlichen Angriff wahrnehmen.
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Sie werden mehr Spaß haben
Ihre Ausstrahlung verändert sich. Sie werden viel befreiter durchs Leben gehen. Sie haben nicht ständig das Gefühl, es allen anderen Recht machen zu müssen und sich zu verbiegen, sondern Sie trauen sich auch mal das zu tun, wozu Sie Lust haben. Ihr Umgang mit Ihren Mitmenschen verändert sich und wird lockerer.
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Sie werden wissen, was Sie wollen
Wer sich selbst treu ist, achtet auf die eigenen Bedürfnisse. Sie werden den Mut haben, Ihr Leben so zu leben, wie Sie es für richtig halten. Die Ziele, auf die Sie hinarbeiten, sind nicht fremdbestimmt, sondern kommen von Ihnen.
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Sie werden leichter Entscheidungen treffen
Sie müssen sich nicht mehr bei allem, was Sie tun, fragen, was andere darüber denken. Ihre Entscheidungen rechtfertigen Sie nur noch vor sich selbst. Das lässt Sie mutiger in Ihren Entscheidungen werden.
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Sie werden mehr Respekt erfahren
Jeder Mensch möchte Respekt und Anerkennung von seinen Mitmenschen. Einige denken irrtümlich, dass Sie diese erhalten, wenn Sie zum Ja-Sager werden und es allen Recht machen. Doch das Fähnchen im Wind ist nur ein Mitläufer. Menschen, die eine starke Meinung haben, werden zwar nicht von allen gemocht, doch diejenigen, die Sie mögen, achten Sie auch.
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Sie werden sich selbst mehr respektieren
Wer sich dauerhaft verstellt, kann sich irgendwann selbst nicht mehr leiden. Um den Kollegen zu gefallen, hat man schon wieder mit seiner eigenen Meinung hinter dem Berg gehalten. Besonders wenn die Rolle, die man spielt, den eigenen Werten widerspricht, verachtet man sich insgeheim dafür. Wer zu seinen Werten und Einstellungen steht, kann sich auch selbst respektieren.
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Sie werden weniger an sich zweifeln
Wenn Sie authentisch sind, zeigen Sie sich, wie Sie sind und das machen Sie durchaus bewusst. Sie kennen sich selbst, Sie kennen Ihre Motive, Ihre Gedanken und Gefühle. Dadurch können Sie bewusst und situationsgerecht handeln und selbstreflektiert Ihre Ressourcen nutzen. Dadurch wissen Sie auch, wo Ihre Grenzen liegen und was Sie schaffen können.
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Sie werden stolz auf sich selbst sein
Wer es schafft auch in schwierigen Situationen zu sich selbst zu stehen, hat ein gutes Gefühl danach. Konnten Sie beispielsweise Ihrem Chef oder Ihren Kollegen Ihre Grenzen aufzeigen, werden Sie stolz auf Ihr Selbstvertrauen und Ihren Mut sein.
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Sie werden entspannter sein
Sich auf Dauer zu verstellen oder eine Rolle zu spielen, die vermeintlich besser ankommt oder gefragter ist, ist enorm anstrengend. Sie müssen tagtäglich gegen Ihre Natur angehen, sich verstellen, verbergen, schauspielern. Eine Zeitlang geht das sicher, wenn das Ziel attraktiv genug scheint. Sich endlich nicht mehr verstellen zu müssen, wird zu einer Erleichterung.
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Sie werden zum Vorbild für andere
Merken Ihre Mitmenschen, dass Sie keine Angst davor haben, zu sich selbst zu stehen, sind Sie ermutigt es Ihnen nachzutun. Mit Ihrem Verhalten signalisieren Sie anderen, dass es keinen Grund gibt, sich zu verstellen.
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Sie werden erfolgreicher sein
Wenn Sie authentisch sind, leben Sie konform mit Ihren Werten, Sie sind im Flow. Sie sind also auf lange Sicht auch stress- und krisenresistenter. Zudem sind authentische Menschen besonders beliebt und hoch angesehen. Dann lässt auch der Erfolg nicht lange auf sich warten.
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