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Psychisch krank: Wege zurück in den Alltag

Wer psychisch krank ist, hat es doppelt schwer: Die eine Front ist die Erkrankung selbst, die andere ist die Außenwelt, die psychisch Erkrankten immer noch mit Vorurteilen begegnet. Psychische Erkrankungen sind nach wie vor mit vielen Stigmata behaftet. Oft aus Unkenntnis, teilweise aber auch wegen mangelnder Toleranz. Zu selten sind die Berührungspunkte zwischen Erkrankten und Nichterkrankten. Dabei zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass gerade ein Arbeitsplatz den Weg zurück in den Alltag und damit auch zur Gesundung maßgeblich beeinflusst…



Psychisch krank: Wege zurück in den Alltag

Psychisch krank: Arbeit als Therapie?

Es gibt genügend Witze über den Arbeitsalltag und das Berufsleben – sei es Ich bin auf der Arbeit, nicht auf der Flucht oder der allseits unbeliebte Montag oder zahlreiche mehr. Auch gibt es Untersuchungen, die plausibel darlegen, wie Arbeit krank machen kann. Dass es zwischen den beiden Polen Brötchenerwerb und Selbstverwirklichung auch einen anderen positiven Effekt von Arbeit gibt, der sich elementar auf unsere Lebensqualität auswirkt, ist vielen Menschen nicht bewusst. Jeder, der mal arbeitslos war weiß, dass Arbeit auch Struktur für den Tag gibt und das Selbstwertgefühl steigert.

Psychisch krank: Wer ist betroffen?

Psychische Erkrankungen haben in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen. Besonders Berufstätige sind in den letzten fünf Jahren überproportional häufig von psychischen Diagnosen betroffen. Oft werden die Belastungen und Erschöpfungszustände mit Burnout-Symptomen oder fehlender Work-Life-Balance verwechselt. Dabei leiden die Betroffenen aus klinischer Sicht bereits an einer manifesten psychischen Störung oder gar einer Depression. Werden die Symptome früh erkannt und ernst genommen, besteht bei effektiver Therapie eine gute Prognose.

Manche Experten schätzen, dass ein bis zwei Prozent aller Menschen in Deutschland schwer psychisch erkrankt sind. Schwer erkrankt bedeutet hier: Die Betroffenen leiden länger als zwei Jahre unter ihrer Erkrankung. Sie sind in psychiatrischer Behandlung und sind in ihrem alltäglichen Leben deutlich eingeschränkt. Unter ihnen sind Menschen mit Depressionen, Psychosen und Schizophrenie.

Andere Zahlen gehen davon aus, dass bereits ein Prozent der Bevölkerung an einer Psychose erkrankt ist, drei Prozent an einer chronischen Depression und weitere fünf Prozent an schweren Angststörungen leiden. Bemerkenswert: Frauen fehlten mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen fast doppelt so häufig wie Männer – und fielen auch lange aus: Im Schnitt waren es 35 Tage. Auffällig ist, dass vor allem Menschen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren betroffen sind: In diese Zeit fällt die Familienphase. Frauen sind häufig doppelt belastet, da sie sowohl im Job alles geben und gleichzeitig den Großteil der Verantwortung für die Familie übernehmen.

Die durchschnittliche Erkrankungsdauer von psychischen Erkrankungen übertraf damit die von Krebserkrankungen (32 Tage).

Hier wird vor allem eins deutlich: Psychische Erkrankungen sind kein Randphänomen, wenn über sieben Millionen Menschen betroffen sind.

Auch psychisch Erkrankte sehen eine positive Beeinflussung ihrer Lebensqualität, wenn sie ihre Berufstätigkeit in ihren Alltag weiterhin integrieren können. Laut einer Forsa-Umfrage finden es 60 Prozent aller chronisch oder lebensbedrohlich Erkrankten wichtig, ihren Beruf ausüben zu können. Welchen hohen Stellenwert Arbeit hat, lässt sich auch daran erkennen, dass dieser Wunsch noch vor dem Prozentbereich liegt, der sich eine gute Beziehung zu Freunden wünscht (56 Prozent).

Selbst Hobbies liegen vergleichsweise weit abgeschlagen mit 38 Prozent auf dem letzten Platz. Den Beruf ausüben zu können bedeutet für die Betroffenen ein Stück Normalität und die Möglichkeit, einen Alltag leben zu können, der sich nicht nur um die Krankheit dreht. Es geht letztlich auch um Selbstbestimmung, denn ein Beruf und eine Arbeit bedeuten auch, für sich selbst sorgen zu können, also nicht von anderen abhängig zu sein.

Die Betroffenen selbst bestätigen damit etwas, was in der Psychologie auch völlig unbestritten ist: Nämlich den Wert von Arbeit für die Gesundung von psychisch Erkrankten.

Die Vorteile einer Berufstätigkeit sind:

  • Der Tagesablauf wird strukturiert.
  • Ein höheres Selbstwertgefühl durch Eigenständigkeit.
  • Soziale Kontakte und Interaktion mit anderen tragen zur psychosozialen Stabilisierung bei.
  • (Gewisse) Unabhängigkeit von anderen Einnahmequellen wie staatlicher Unterstützung.

Diese ganzen Faktoren tragen nachweislich zu einer schnelleren Gesundung und sogar Entlastung des staatlichen Hilfesystems bei. Denn oftmals sind psychisch Erkrankte ihr Leben lang auf staatliche Unterstützung angewiesen, gerade Menschen mit Schizophrenie wird der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben erschwert.

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Inklusion bleibt in vielen Fällen nur Theorie

Das Problem: Die Gesellschaft ermöglicht noch längst nicht in dem Umfang die Rückkehr in die Arbeit, wie es eigentlich wünschenswert wäre. Das liegt zum einen an den gesetzlichen Rahmenbedingungen: Für Rollstuhlfahrer werden Rampen gebaut – aber wie sieht es mit der vielbeschworenen Inklusion bei psychisch Erkrankten aus? Da gibt es lieblose Wiedereingliederungsmaßnahmen, die teilweise völlig an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Betroffenen vorbei zielen.

Zumeist finden Betroffene in Behindertenwerkstätten Arbeit, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) spricht in diesem Zusammenhang von „Auffangbecken“. Gegenwärtige Maßnahmen zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt gelingen immer weniger: Waren es 2006 lediglich 17 Prozent aller psychisch Erkrankten, die in solchen Behindertenwerkstätten arbeiteten, waren es 2013 bereits 20 Prozent.

Auch nach Angaben der Arbeitsagenturen wird vornehmlich in den Niedriglohnsektor vermittelt, obwohl mit etwas mehr Unterstützung und Engagement durchaus eine Stelle im qualifizierten Bereich möglich wäre.

Die Ursachen dafür liegen in folgenden Problemen:

  • Vermittlungsstellen sind überfordert und können nicht die individuell nötige Förderung für erkrankte Arbeitnehmer umsetzen.
  • Mangelnde fachliche Ausrüstung: Teilweise werden sozialgesetzliche Möglichkeiten nicht ausgeschöpft.
  • Kooperationsmöglichkeiten zwischen Arbeitsagenturen und den medizinisch-psychologischen Einrichtungen funktionieren nicht oder schwanken regional enorm.

Oftmals ist es eine Frage von Glück, dass jemand (wieder) in den Bereich hineingelangt, für den er qualifiziert ist.

Dass es an einer Umsetzung der Inklusionsbemühungen scheitert, liegt andererseits auch an den gesellschaftlichen Vorbehalten. Wir sind eine Leistungsgesellschaft und die Befürchtung, dass psychisch Erkrankte nicht leistungsfähig sind, ist bei Unternehmen groß.

Dabei bringen psychisch Erkrankte eine hohe emotionale Intelligenz mit. Und sie wissen ja um ihre Probleme – oftmals kommen sie im Privatleben nicht zurecht. Aber sie brauchen nur die Chance, ihren guten Willen unter Beweis zu stellen. Im beruflichen Umfeld Erkrankte stark engagiert und geben alles, dann zeigt sich ihre hohe Loyalität.

Arbeitgeber können unterstützen, indem…

  • Betroffene nicht in Großraumbüros arbeiten müssen.
  • sie Home Office ermöglichen.
  • sie flexible Arbeitszeiten ermöglichen, um Versäumnisse zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen zu können.
  • Arbeitszeiten verkürzt werden.
  • auf Nachtschichten verzichtet wird.

Der Gesetzgeber könnte fördernd eingreifen, indem…

  • die Arbeitsagenturen nicht nur für drei Jahre, sondern unbefristete Ausgleichszahlungen und finanzielle Hilfe für Unternehmen, die psychisch Erkrankte einstellen.
  • Erkrankten ein spezieller Jobcoach zur Seite gestellt wird. Dieser hilft dabei, einen passenden Arbeitsplatz zu finden und ist Kontaktperson sowohl für den Erkrankten als auch für den Arbeitgeber. Wissenschaftliche Studien konnten die Wirksamkeit dieses Supported Employment („first place then train“) gegenüber den herkömmlichen Ansätzen („first train then place“) belegen.

Psychisch krank: Welche Krankheiten gibt es?

Seit sich immer mehr Prominente wie beispielsweise Sven Hannawald geoutet haben, seit tragischen Fällen wie dem Suizid des Robert Enke auch eine entsprechende Medienpräsenz eingeräumt wird, wird auf psychische Erkrankungen anders geschaut. Vor allem im Zuge des als Managerkrankheit bekannt gewordenen Burn-outs sind Depressionen gesellschaftlich gewissermaßen akzeptiert.

Betroffene anderer Erkrankungen wie Schizophrenie haben es da schwerer: Zu gering sind die Erfahrungswerte seitens Nichtbetroffener, zu groß ihre Vorbehalte. Bei Schizophrenie handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die mit Störungen im Denken und der Gefühlswelt einhergeht. Fälschlicherweise wird Schizophrenie unter Laien immer noch mit Persönlichkeitsspaltung in Verbindung gebracht. Erkrankte leiden unter verschiedenen Symptomen wie Wahnvorstellungen, Realitätsverlust und Halluzinationen.

Auch eine Psychose weist Überschneidungen mit Schizophrenie auf. Erkrankte haben ebenfalls Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Letzteres ist zumeist akustisch, aber auch Geruchshalluzinationen und andere Ausprägungen sind möglich. Neben dem gehen häufig Antriebsstörungen und Depressionen mit einher.

Ganz wichtig: Viele gesellschaftliche Vorbehalte fußen letztlich auf falschen Annahmen und Ängsten – auch durch Schilderungen über Fälle vermeintlicher Schizophrenie. Dabei lässt sich festhalten, dass psychisch Erkrankte in den seltensten Fällen eine Bedrohung für andere darstellen, sondern in der überwiegenden Mehrzahl allerhöchstens für sich.

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Psychisch krank: Wie sehen Außenstehende die Erkrankten?

Obwohl psychische Erkrankungen also beileibe nicht nur auf wenige Einzelfälle beschränkt bleiben, lässt sich das ungute Gefühl gegenüber dem Andersartigen auch durch Aufklärung nicht immer zu beseitigen. Psychologen beobachten, dass seit die biologischen Hintergründe psychischer Krankheiten erklärt werden können, die Stigmatisierung von Erkrankten sogar zugenommen hat.

Viele Außenstehende haben zu wenig Kontakt zu Betroffenen und sehen nur die Krankheit, weniger den Menschen dahinter. Sie trennen klar zwischen krank und gesund obwohl es diese Trennung nach Fachleuten so nicht gibt. Denn ein ganzes Spektrum an Merkmalen gehört zu der Diagnose und einige dieser Merkmale tauchen auch bei gesunden Menschen auf.

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Psychisch krank: Was kann ich als Kollege tun?

Psychisch krankWenn jeder dritte Mensch einmal in seinem Leben wenigstens von einer psychischen Störung betroffen ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch Sie auf der Arbeit einen Kollegen haben, der psychisch erkrankt ist. Vielleicht kennen Sie aus eigener Erfahrung solche Phasen? Die Ursachen sind durchaus vielfältig und können neben genetischer Disposition auch in traumatischen Ereignissen wie Gewalterfahrungen, Todesfällen oder einer Scheidung liegen.

Kollegen sind meist diejenigen, die am ehesten bemerken, wenn sich eine Person verändert hat. Und wie wie eigentlich überall im Leben, kommt es auch hier im Berufsalltag auf soziale Kompetenz und Empathie an.

Wichtig ist,

  • das Gespräch zu suchen und den Betroffenen darauf ansprechen, dass man Veränderungen im Arbeitsverhalten wahrgenommen hat.
  • gut zuzuhören und auch auf professionelle Hilfe verweisen.
  • respektvoller Umgang, versuchen, den Betroffenen zu motivieren, ohne über die eigenen Grenzen zu gehen.
  • mit Einverständnis des Betroffenen eine Führungsperson miteinzubeziehen: Die sollte auch versuchen herauszufinden, ob der Gesundheitszustand im direkten Zusammenhang mit dem Unternehmen steht.
[Bildnachweis: Maridav, Photographee.eu by Shutterstock.com]

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