Bedeutung und Ziele der Wiedereingliederung
Fällt ein Arbeitnehmer durch schwere Krankheit oder einen Unfall längere Zeit aus, ist der Weg zurück in den Job nicht immer leicht. Die berufliche Wiedereingliederung ist eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation und Rückkehr an den Arbeitsplatz. Festgelegt ist sie in § 74 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) und für behinderte oder von Behinderung bedrohte Arbeitnehmer in § 28 SGB IX.
Ziel ist es, den Arbeitnehmer Schritt für Schritt wieder an die Arbeitsumgebung zu gewöhnen, bis die volle Leistungsfähigkeit wiederhergestellt ist. Daher ist häufig von der stufenweisen Wiedereingliederung (StW) die Rede. Das langsame Steigern des Arbeitspensums reduziert die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls.
Voraussetzungen für eine Wiedereingliederung
Wollen Sie über eine Wiedereingliederung zurück in Ihren Job finden, müssen dazu einige Voraussetzungen erfüllt sein. Nur wenn diese Rahmenbedingungen gegeben sind, kann die Maßnahme durchgeführt werden:
- Gesetzliche Krankenversicherung
Das Verfahren zur Wiedereingliederung richtet sich an Versicherte in den gesetzlichen Krankenversicherungen. Privatversicherte können das sogenannte betriebliche Eingliederungsmanagement nutzen. - Fortlaufende Arbeitsunfähigkeit
Vor und während der Wiedereingliederung muss der Arbeitnehmer arbeitsunfähig sein. Dies wird durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes bestätigt. - Teilweise Belastbarkeit
Zusätzlich muss der Arzt bescheinigen, dass die bisherige Tätigkeit zumindest teilweise wieder ausgeübt werden kann. Der Mitarbeiter muss teilweise wieder belastbar und (voraussichtlich) am Ende der Maßnahme wieder voll einsatzfähig sein. - Vollständige Zustimmung
Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Arzt und gegebenenfalls die Krankenkasse stimmen den Maßnahmen zu und sind davon überzeugt, dass diese erfolgreich abgeschlossen werden können. - Vorheriger Arbeitsplatz
Der Mitarbeiter wird auf seinem vorherigen Arbeitsplatz wieder eingesetzt. Es findet keine Versetzung auf eine andere Position statt. - Detaillierter Stufenplan
Vom Arzt wird in Absprache mit dem Arbeitnehmer ein genauer Stufenplan (Wiedereingliederungsplan) erstellt. Dieser regelt die Bedingungen, unter denen die Rückkehr möglich ist.
Inhalte für den Stufenplan
Für die stufenweise Wiedereingliederung an den Arbeitsplatz müssen die einzelnen Schritte möglichst genau festgelegt werden. Dafür braucht es einen Stufenplan. Dieser wird vom behandelnden Arzt gemeinsam mit dem Patienten sowie möglicherweise einem Betriebsarzt erstellt. Folgende Angaben sind darin enthalten:
- Abfolge und Dauer der Stufen
Die Rückkehr beginnt mit sehr kurzen Arbeitszeiten, die langsam gesteigert werden. Im Stufenplan wird definiert, welcher Zeitraum dem Mitarbeiter anfangs zugemutet werden kann. So beginnt die Wiedereingliederung etwa zwei Stunden am Tag. In der folgenden Stufe wird diese Zeit erhöht. - Verbotene Tätigkeiten
Nicht alle Aufgaben können gleich wieder übernommen werden. Je nach Erkrankung kann beispielsweise schweres Heben, zu langes Sitzen oder Stehen vom Arzt untersagt werden. - Bedingungen am Arbeitsplatz
Braucht der Mitarbeiter bestimmte Hilfsmittel oder Anpassungen am Arbeitsplatz, sind diese ebenfalls im Stufenplan zu vermerken.
Dieser Stufenplan wird vor Beginn der Maßnahmen erstellt, kann aber fortlaufend aktualisiert und angepasst werden. Stellt sich heraus, dass der Mitarbeiter länger braucht, kann die Dauer einzelner Stufen angepasst und so die Geschwindigkeit der Eingliederung reduziert werden. Den Ablauf der Wiedereingliederung haben wir für Sie auch als kostenlosen PDF zum Download bereitgestellt.
Ablauf der Wiedereingliederung
Antrag zur Wiedereingliederung
Berechtigt zur Wiedereingliederung sind alle gesetzlich versicherten Arbeitnehmer. Ob es sich um eine Ausbildung oder Teilzeitarbeit handelt, spielt keine Rolle.
Theoretisch kann der Arbeitnehmer selbst eine Wiedereingliederung beantragen, meist wird jedoch der Rehabilitationsträger sie vorschlagen. Je nachdem, welche Lohnersatzleistung Sie erhalten, ist das die Krankenkasse, die Rentenversicherung oder die Berufsgenossenschaft.
FAQ: Häufige Fragen zur Wiedereingliederung
Wir haben die häufigsten Fragen rund um die Wiedereingliederung gesammelt und für Sie in der folgenden Übersicht beantwortet:
Wie lange dauert die Wiedereingliederung?
Das Verfahren kann zwischen wenigen Wochen und bis zu sechs Monate lang dauern, in besonderen Fällen auch bis zu 12 Monate. Abhängig ist das vom Einzelfall und der konkreten Belastbarkeit. Beim Erstellen des Stufenplans wird die voraussichtliche Dauer bestimmt.
Wer zahlt bei Wiedereingliederung das Gehalt?
Die Wiedereingliederung erfolgt nach langem Arbeitsausfall. Daher bekommen Sie kein reguläres Gehalt gezahlt. Trotzdem sind Sie finanziell abgesichert. Je nach Träger der Wiedereingliederung erhalten Sie…
- Krankengeld
Ihre Krankenkasse zahlt während der Maßnahme Krankengeld in Höhe von 70 Prozent Ihres Bruttolohns (höchstens aber 90 Prozent vom Nettogehalt). - Übergangsgeld
Die Rentenversicherung zahlt ein Übergangsgeld. Für kinderlose Arbeitnehmer beträgt dies 68 Prozent des Bruttlohns, Versicherte mit Kindern erhalten 75 Prozent. - Verletztengeld
Greift die Unfallversicherung (etwa nach einem Betriebsunfall), erhalten Sie Verletztengeld in Höhe von 80 Prozent des Bruttolohns.
Der Arbeitgeber kann freiwillig eine finanzielle Gegenleistung für die erbrachten Stunden während der Wiedereingliederung zahlen. Das wirkt sich allerdings unter Umständen negativ für den Versicherten aus, da dann die Lohnersatzleistung gekürzt wird oder sogar ganz wegfällt.
Kann der Arbeitgeber die Wiedereingliederung ablehnen?
Unternehmen können die Wiedereingliederung ablehnen, wenn sie nicht davon überzeugt sind, dass der Mitarbeiter wieder gänzlich belastbar sein wird. Anders sieht es beim betrieblichen Eingliederungsmanagement aus: Hier ist der Arbeitgeber zur Durchführung gesetzlich verpflichtet.
Was passiert, wenn die Wiedereingliederung abgebrochen wird?
Es gibt verschiedene Gründe, die zu einem Abbruch der Maßnahmen führen können:
- Der Mitarbeiter ist schneller belastbar und kann früher in den Job zurückkehren.
- Der Gesundheitszustand des Mitarbeiters verschlechtert sich.
- Betriebliche Gründe führen zum Abbruch.
Sind sich Arzt und Arbeitgeber einig, kann die Maßnahme abgebrochen werden. In diesem Fall laufen die Lohnersatzleistungen weiter und es wird mit dem Mitarbeiter das weitere Vorgehen (erneute Reha, späterer Wiedereingliederungsversuch, Erwerbsminderungsrente) besprochen.
Gibt es einen Urlaubsanspruch?
Mitarbeiter sind während der Maßnahme arbeitsunfähig und können somit in dieser Zeit offiziell keinen Urlaub nehmen. Trotzdem bleibt auch während der Krankheit der Urlaubsanspruch bestehen.
Besteht während der Wiedereingliederung Kündigungsschutz?
Krankheit schützt Sie nicht zwingend vor einer Kündigung. Von krankheitsbedingten Kündigungen betroffen sind vor allem chronisch- und Langzeitkranke. Möglich ist sie aber nur bei negativer Prognose.
Zudem müssen mildere Mittel geprüft werden – wozu die Wiedereingliederung zählt. Hat das Unternehmen diese abgelehnt, kann eine Kündigungsschutzklage erfolgreich sein.
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