Bedeutet Berufsunfähigkeit gleich Erwerbsunfähigkeit?
Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Arbeitnehmer nicht arbeiten kann. Beim Thema Berufsunfähigkeit werden verschiedene Begriffe synonym verwendet, weshalb wir an dieser Stelle kurz auf die Unterschiede eingehen:
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Berufsunfähigkeit
Es wird von Berufsunfähigkeit gesprochen, wenn die betroffene Person nicht in der Lage ist, den erlernten Beruf weiterhin ausüben zu können. Dies kann infolge eines Unfalls oder einer Berufskrankheit passieren und liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer seinen Beruf über eine Dauer von mindestens sechs Monaten oder mehr nicht ausüben kann. Bei einer teilweisen Berufsunfähigkeit ist die betreffende Person nur noch zum Teil in der Lage, ihrer Arbeit nachzugehen.
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Erwerbsunfähigkeit
Abzugrenzen ist der Begriff der Berufsunfähigkeit von der Erwerbsunfähigkeit. Bei einer Berufsunfähigkeit kann der Betroffene unter Umständen immer noch eine andere, allerdings sozial eventuell weniger angesehene oder finanziell deutlich geringer vergütete Arbeit ausüben. Erwerbsunfähigkeit hingegen bedeutet, dass Arbeitnehmer aufgrund einer geistigen oder körperlichen Beeinträchtigung gar nicht mehr oder nur stark eingeschränkt einer Arbeit nachgehen können. Dabei ist es unwichtig, ob sie eventuell in einem anderen Beruf arbeiten könnten.
Beispiel
Eine Friseurin mit Allergien gegen Färbemittel kann unter Umständen ihrer Tätigkeit als Friseurin zukünftig nicht mehr nachgehen, und wird somit berufsunfähig. Sie ist allerdings nicht erwerbsunfähig, da sie nach einer Umschulung in einem anderen Beruf tätig werden kann.
Mehr dazu lesen Sie hier:
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Arbeitsunfähigkeit
Ein ganz anderes Kaliber ist die Arbeitsunfähigkeit – sie betrifft früher oder später jeden Arbeitnehmer, beispielsweise, wenn Sie wegen einer Grippe zwei Wochen krankgeschrieben sind. Sie sind dann arbeitsunfähig, aber nach Ihrer Genesung wieder voll einsatzfähig. Während Ihres Arbeitsausfalls erhalten Sie in den ersten sechs Wochen die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Sollten Sie darüber hinaus krankgeschrieben sein, springt Ihre Krankenkasse mit Krankengeld ein.
Mehr dazu lesen Sie hier:
Kein gesetzlicher Schutz gegen Berufsunfähigkeit
Die Zahlen zur Berufsunfähigkeit sind alarmierend: Jeder Vierte in Deutschland ist von Berufsunfähigkeit betroffen. Dabei sind es gar nicht unbedingt nur Arbeitnehmer, die in vermeintlich gefährlichen Berufen wie beispielsweise als Dachdecker oder Bauarbeiter arbeiten.
Die Anzahl psychischer Erkrankungen wie Burnout nimmt seit Jahren zu. Das hängt zum einen mit einer größeren Akzeptanz solcher Erkrankungen zusammen. Andererseits führt die Verdichtung im Arbeitsleben tatsächlich zu mehr Erkrankungen.
Die häufigsten Gründe für vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf sind:
- Nervenkrankheiten und psychische Erkrankungen
- Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates
- Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
- Krebs und andere bösartige Geschwülste
- Unfälle
- Sonstige Erkrankungen
Wer nun allerdings auf eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung vertraut, wird eine böse Überraschung erleben. Denn obwohl das deutsche Sozialsystem einen vergleichsweise guten Ruf hat, ist es in der Vergangenheit zu einigen Einschnitten gekommen.
Die staatliche Absicherung wurde am 1. Januar 2001 mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit so umgestaltet, dass es keine gesetzliche Versicherung mehr gegen Berufsunfähigkeit für alle diejenigen gibt, die nach dem 1. Januar 1961 geboren sind.
Checkliste für eine Berufsunfähigkeitsversicherung
Worauf Sie achten sollten, wenn Sie eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit abschließen, haben wir HIER in dieser Checkliste für Sie zusammengetragen, die Sie als kostenloses PDF herunterladen können.
Wann gilt jemand als berufsunfähig?
Durch den Wegfall der gesetzlichen Berufsunfähigkeitsversicherung bleibt nur noch eine gesetzliche Rente bei Erwerbsminderung, die allerdings sehr gering ausfällt. Ob eine Erwerbsminderung vorliegt, wird von der Rentenversicherung geprüft.
Dabei kann es sich um eine teilweise oder volle Erwerbsminderung handeln. In welche Kategorie man fällt, wird entsprechend der Leistungsfähigkeit beurteilt. Der Umfang der Berufsunfähigkeit wird durch ein ärztliches Gutachten festgestellt. Zusätzlich wird geprüft, ob die betreffende Person in der Lage ist, einer anderen Tätigkeit nachzugehen.
Ist das nicht der Fall, wird durch Reha-Maßnahmen versucht, die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen.
Eine volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn eine Person wegen Krankheit oder Behinderung weniger als drei Stunden täglich arbeiten könnte und zwar nicht nur in ihrem Beruf, sondern in allen Berufen. Das bedeutet, dass ein Chirurg erst dann als erwerbsgemindert gilt, wenn er auch als Pförtner nicht mehr arbeiten kann.
Wer hingegen drei oder mehr Stunden pro Tag arbeiten kann, erhält eine teilweise Erwerbsminderungsrente von 50 Prozent. Können sechs Stunden oder mehr pro Tag für eine Erwerbstätigkeit erbracht werden, bestehen keinerlei Ansprüche.
Private Vorsorge durch Berufsunfähigkeitsversicherung
Vielen reicht die Erwerbsminderungsrente nicht zum Leben. Sie schließen eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Für private Versicherungen ist der Begriff in § 172 Absatz 2 des Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt. Dort heißt es:
Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.
Doch auch hier ist man nicht vollständig vor dem Verlust des sozialen Status geschützt. In Absatz 3 ist von der Übernahme einer Tätigkeit, die der bisherigen Lebensstellung entspricht, die Rede.
Der Haken an der Sache: Es geht um die theoretische Möglichkeit einer solchen Tätigkeit nachzugehen, nicht um einen konkreten Job. Wenn Sie sich nicht auf irgendeine Stelle verweisen lassen wollen, sollten auf die folgende Formulierung in den Versicherungsbedingungen achten:
Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich oder tatsächlich für mindestens sechs Monate außerstande ist, seinen Beruf auszuüben. Berufsunfähigkeit liegt nicht vor, wenn der Versicherte eine andere, seiner Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit tatsächlich ausübt.
Von Berufsunfähigkeit häufig betroffene Berufsgruppen
Wenig überraschend sind Berufsgruppen, die überwiegend körperliche Tätigkeiten ausüben, besonders häufig betroffen. Dabei spielt nicht nur die Tätigkeit an sich eine Rolle, sondern auch der Arbeitsplatz: Ein Gleisbauer etwa ist besonders gefährdet, weil er neben der körperlichen Arbeit in gefährliche Situationen mit fahrenden Zügen geraten kann.
Zu den gefährdetsten Berufsgruppen gehören:
- Stewardess
- Nachtwächter
- Reitlehrer
- Polier
- Gleisbauer
- Reinigungskraft
- Rangierbegleiter
- Estrichleger
- Pflasterer
- Ergotherapeut
Ebenfalls stiegen die Beiträge für die Berufsunfähigkeitsversicherung dieser Berufsgruppen massiv an, weil ihr Berufsrisiko entsprechend hoch bewertet wird:
- Straßenbauarbeiter
- Personenschützer
- Stahlbetonbauer
- Bergmann
- Pflasterer
- Teppichleger
- Steward
- Parkettleger
- Dachdecker
- Gleisbauer
Die Versicherer sind mitunter sehr wählerisch, wen sie als Versicherten aufnehmen. Denn ein Versicherter, der im Alter von 35 Jahren berufsunfähig wird und nun etwa 30 Jahre eine monatliche Rente von 2000 Euro erhält, kostet die Versicherung über 720.000 Euro.
Kein Wunder also, wenn mit steigendem Alter und entsprechender Einordnung in eine „Risikogruppe“ die Beiträge für die Berufsunfähigkeitsversicherung steigen. Ihre gesundheitliche Verfassung spielt eine große Rolle, daher sollten Sie bei Angaben für eine Berufsunfähigkeitsversicherung selbst kleinste Details angeben.
Andersherum: Die Versicherungen sind seit 2008 dazu verpflichtet, ihre Fragen konkret zu formulieren. Das bedeutet für Sie, dass Sie nur die Fragen beantworten müssen, die aufgeführt sind – offene, allgemein formulierte Fragen sind nicht mehr erlaubt.
Berufsanfänger sind nicht ausreichend abgesichert
Für die gesetzliche Rentenversicherung gelten folgende Voraussetzung:
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Wartezeit muss vorbei sein
Erst nachdem Sie 60 Monate lang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, besteht Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.
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Pflichtbeiträge wurden gezahlt
In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen (besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung).
Das heißt, besonders für Berufsanfänger kann eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit sinnvoll sein. Die Ansprüche verfallen allerdings ebenfalls, wenn Sie sich beispielsweise zwischendurch selbständig gemacht und keine Pflichtbeiträge gezahlt haben.
Berufsanfänger sollten sich für die Zeit, in der eine Erwerbsminderungsrente noch nicht greift, absichern. In jungen Jahren und ohne Vorerkrankungen sind die Einstiegstarife in der Regel niedrig. Aber auf das Kleingedruckte sollten Sie achten. Oft verstecken sich in den Policen fiese Klauseln, die im Ernstfall eine Auszahlung verhindern.
Zu nennen ist hier vor allem die sogenannte Verweisungsklausel. Diese erlaubt es der Versicherung, Sie auf alternative Tätigkeiten zu verweisen, denen Sie im Falle einer Berufsunfähigkeit nachgehen könnten. Um zu verhindern, dass Sie im Ernstfall jedweder Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nachgehen müssen, sollte die Klausel so konkret wie möglich formuliert sein.
Am besten mit Worten wie zum Beispiel „Es handelt sich nicht um Berufsunfähigkeit, sofern der Versicherte eine seiner Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit tatsächlich ausübt“.
Zudem sollten Sie beim Ausfüllen des Antrags darauf achten, die Fragen genau zu lesen und nichts zu verschweigen. Auch die Nennung von Allergien und früheren Erkrankungen ist wichtig. Ansonsten kann die Versicherung sich im Ernstfall darauf berufen, dass Sie falsche Angaben gemacht haben.
Welche Versicherung Sie noch als Berufsanfänger brauchen, finden Sie hier.
Alarmzeichen-Ampel: Wenn die Arbeit krank macht
Der eigene Job sollte unter die Lupe genommen werden: Schadet Ihre Arbeit Ihrer Gesundheit?
Selbst wenn Sie einen gesunden Lebensstil pflegen, auf Ihre Ernährung achten und nicht rauchen, können Sie sich nicht vollständig vor einer Berufsunfähigkeit schützen.
Eine plötzliche Krebserkrankung oder ein Schlaganfall können Sie jederzeit aus der Bahn werfen. Daneben gibt es Anzeichen, die dafür sprechen, dass sich Ihr Job auf Dauer schädlich auf Ihre Gesundheit auswirkt. Diese haben wir in die folgenden Kategorien eingeteilt:
- Grün: Das sind Faktoren, die Sie kurzfristig beeinträchtigen. Solange diese nicht chronisch auftreten, müssen Sie sich keine Gedanken machen.
- Gelb: Das sind Faktoren, bei denen Ihre Alarmglocken läuten sollten. Wenn Sie diese Warnzeichen bemerken, sollten Sie präventive Maßnahmen einleiten, um gesundheitliche Schäden abzuwenden.
- Rot: Das sind Faktoren, die Ihre körperliche und seelische Gesundheit beeinträchtigen. Hier sollten Sie dringend über einen Jobwechsel nachdenken.
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