Selbsterfüllende Prophezeiung: Was ist das?
Die selbsterfüllende Prophezeiung ist ein psychologisches Phänomen, dass unser eigenes Verhalten, aber auch das unserer Mitmenschen beeinflussen kann. Im Kern besagt eine selbsterfüllende Prophezeiung: Wenn wir ein bestimmtes Verhalten oder Ergebnis erwarten, tragen wir selbst dazu bei, dass dieses Verhalten oder Ergebnis auch wirklich eintritt.
Der entgegengesetzte Effekt wird als selbstzerstörende Prophezeiung bezeichnet, wobei durch unser Zutun eben dafür gesorgt wird, dass ein Ergebnis gerade nicht eintritt.
Selbsterfüllende Prophezeiung: Anschauliche Beispiele
Wie so oft ist auch die wissenschaftliche Definition der selbsterfüllenden Prophezeiung etwas abstrakt. Die Effekte dieses Phänomens und die dadurch entstehenden Möglichkeiten sind jedoch erstaunlich. Positive, wie auch negative Erwartungen können das Verhalten der betroffenen Personen weitreichend beeinflussen. Zur Veranschaulichung stellen wir Ihnen vier Beispiele von selbsterfüllenden Prophezeiungen vor, die zeigen, welche Auswirkungen die eigenen Gedanken haben können.
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Der Pygmalion-Effekt
Die amerikanischen Psychologen Robert Rosenthal und Lenore Jacobson konnten den Effekt der selbsterfüllenden Prophezeiung bereits in den 1960er Jahren beobachten. Hierzu führten sie eine Studie an amerikanischen Grundschulen durch.
Dabei wählten die Wissenschaftler einige Schüler zufällig aus und erklärten den Lehrern, dass diese Kinder besonders begabt seien und in der nächsten Zeit eine große Leistungssteigerung zu erwarten sei. Tests nach einem Jahr zeigten, dass genau diese zufällig ausgewählten Schüler ihre Leistungen viel stärker steigern konnten als die Kontrollgruppe – der sogenannte Pygmalion-Effekt.
Die Erwartung der Lehrer hat ihr Verhalten gegenüber diesen Schülern, beispielsweise durch höhere Anforderungen und häufigere Nutzung von Lob und Tadel, so beeinflusst, dass die Prophezeiung der Wissenschaftler wahr wurde. -
Unfallgefahr bei Senioren
Dass selbsterfüllende Prophezeiungen nicht nur zu positiven Ergebnissen führen können, zeigt eine Studie des British Medical Journey.
Es konnte nachgewiesen werden, dass Senioren, die größere Angst vor einem Sturz hatten, häufiger einen solchen Unfall erlitten als Altersgenossen, die weniger Angst hatten. -
Finanzkrise
Bei den Banken ist das Geld sicher? Doch wie reagieren Sie, wenn plötzlich das Gerücht auftaucht, Ihre Bank stehe kurz vor der Insolvenz?
Ein solches Gerücht kann dazu führen, dass ein Großteil der Bankkunden ihr Geld aus dieser Bank abziehen – was diese Bank tatsächlich in eine Krise stürzen kann. Das Risiko eines solchen Verhaltens steigt, je glaubwürdiger die Quelle der (Fehl-)Information erscheint. -
Angst vor Versagen
Ein wichtiger Test steht an und obwohl Sie sich vorbereitet haben, gehen Sie mit der Einstellung „Das wird doch nie klappen“ in die Prüfung.
Sie ahnen, wie das Ergebnis aussieht: Unbewusst beeinflusst diese Prophezeiung Ihr Verhalten so sehr, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Sie tatsächlich schlecht abschneiden, deutlich ansteigt.
Sie wissen also, dass Ihre Erwartungen Sie und damit auch das Ergebnis beeinflussen. Doch wie können Sie das für sich nutzen?
Selbsterfüllende Prophezeiung: So nutzen Sie das Phänomen
Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Sie glauben daran, etwas erreichen zu können und erhöhen dadurch tatsächlich Ihre Chancen. Doch in genau dieser Einfachheit liegt die große Stärke von selbsterfüllenden Prophezeiungen. Um von ihnen zu profitieren, ist kein großer Aufwand nötig, keine Vorbereitung und auch kein Verständnis für eine komplexe Theorie. Zusätzlich zu Ihnen, kann auch Ihr Umfeld die Früchte Ihrer Erwartungen ernten.
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Wie Sie profitieren.
Es ist Ihre Entscheidung, mit welcher Einstellung Sie an ein Projekt, eine Aufgabe oder eine andere schwierige Situation herangehen. Sind Sie von Beginn an pessimistisch und beeinflussen Ihr persönliches Verhalten negativ oder glauben Sie an den Erfolg und tragen unbewusst selbst dazu bei?
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Wie Ihr Umfeld profitiert.
Wie bereits im Beispiel des Pygmalion-Effekts beschrieben, können Ihre Erwartungen auch andere beeinflussen. Glauben Sie an den Erfolg eines Kollegen, eines Freundes oder Familienmitglieds, können Sie dazu beitragen, dass dieser Erfolg tatsächlich eintritt.
Immer an die eigenen Fähigkeiten und das Erreichen der eigenen Ziele zu glauben, ist keine leichte Aufgabe. Jeder ertappt sich gelegentlich bei Selbstzweifeln und Fragen wie Schaffe ich das wirklich? Die folgenden Tipps können Ihnen dabei helfen, positivere Erwartungen zu formulieren und an diese zu glauben.
- Erlauben Sie sich zu träumen. Beschränken Sie sich nicht auf die Dinge, die Sie bereits erreicht haben. Jeder Mensch hat Wünsche und Träume, an denen er arbeitet und die er erreichen will. Halten Sie an Ihren Zielen fest.
- Fragen Sie sich selbst. Um positive Erwartungen zu formulieren können drei Fragen helfen: Was möchte ich erreichen? Was bedeutet das Ziel für mich? Was wäre ich bereit, dafür zu tun?
- Bleiben Sie optimistisch. Lassen Sie sich auch durch Zweifel nicht von Ihren positiven Erwartungen abbringen. Wenn Sie optimistisch bleiben, können Zweifel die Effekte der selbsterfüllenden Prophezeiung nicht verhindern.
Placebo-Effekt: Positive Erwartungen helfen
Eine in der Medizin sehr bekannte Form der selbsterfüllenden Prophezeiung ist der sogenannte Placebo-Effekt. Placebos sind Präparate, beispielsweise Tabletten, die keine medizinisch wirksamen Inhaltsstoffe enthalten. Tritt nach Einnahme eines solchen Placebos eine Verbesserung des Patientenzustands ein, spricht man vom Placebo-Effekt.
Die positive Erwartung des Patienten, dass beispielsweise die Schmerzen nachlassen, reicht aus, um tatsächlich eine Schmerzlinderung zu erzielen.
Wunschdenken kann Erfolge auch blockieren
Doch neben all den positiven Eigenschaften der positiven Erwartungen, können diese auch das genaue Gegenteil der selbsterfüllenden Prophezeiung bewirken. Nämlich genau dann, wenn unser Wunschdenken nicht dazu beiträgt, Ziele zu erreichen, sondern im Weg steht. Das zumindest deutet eine Studie der beiden Psychologinnen Heather Kappes von der New York Universität und Gabriele Oettingen von der Uni Hamburg an.
- Die Ergebnisse zeigen, dass positive Phantasien beispielsweise den Ausgang einer Prüfung negativ beeinflussen können.
- Die positiven Erwartungen können dazu führen, dass geringerer Aufwand betrieben wird, getreu dem Motto: Es wird schon klappen.
- Die Vorfreude bietet ihnen schon so viel Genuss, als hätten sie das Ziel bereits erreicht – mit dem Effekt, dass dann weniger Energie vorhanden ist, wenn sie tatsächlich zur Tat schreiten.
Probanden wurden etwa gebeten, sich vorzustellen, wie sie einen einfachen Test bestehen. Anschließend berichteten sie darüber, dass sie im Test selbst weniger Energie hatten als zum Beispiel die Kontrollgruppe, die kritisch über die Prüfung nachdenken sollte. Eine andere Gruppe sollte sich schon mal ein erholsames, freies Wochenende zusammenphantasieren – und war danach weniger erholt, als jene Teilnehmer, die nur so ein wenig tagträumen durften.
Auch bei selbsterfüllenden Prophezeiungen kommt es also auf die Dosis an. Es ist richtig, mit positiven Gedanken an die nächsten Aufgaben zu gehen. Doch ruhen Sie sich nicht auf der Vorfreude aus, bevor Sie Ihre Ziele nicht wirklich erreicht haben.
Selbsterfüllende Prophezeiung: Auswirkungen auf die Forschung
Gerade wissenschaftliche Studien können stark durch die Effekte einer selbsterfüllenden Prophezeiung beeinflusst werden. So könnte der Forscher, der weiß, dass zwei Patienten unterschiedliche Medikamente erhalten haben, diese unbewusst auch anders behandeln.
Um diesen Effekten entgegenzuwirken, werden häufig sogenannte „Doppelblind-Studien“ durchgeführt. Bei diesen Studien wissen weder Teilnehmer, noch Forscher, wer in der Test- und wer in der Kontrollgruppe ist. So soll verhindert werden, dass unbewusstes Verhalten die Ergebnisse der Studien verfälscht.
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