Beeinflussung: Immer und überall
Aus Untersuchungen weiß man: Menschen ertragen es nicht, ignoriert zu werden. Eine blaffe Zurechtweisung vom Chef, ein regelrechtes Zusammengefaltetwerden, ein Anschiss vor der ganzen Belegschaft – all das ist besser als ein großes schwarzes Nichts. Alles ist besser als Nichtbeachtung.
Aber was, wenn man außer Beschimpfungen und Buhrufen nichts zu hören bekommt? So erging es der Überlieferung nach auch Jim Carrey. Der Schauspieler trat früher als Standup-Comedian in Comedy-Klubs auf und wurde regelmäßig ausgebuht, immer und immer und immer wieder. Bis eines Tages Rodney Dangerfield im Publikum saß, damals ein Komiker von nationalem Format.
Dangerfield sah in Carrey etwas, das die anderen offenbar nicht sehen wollten: ein außergewöhnliches Talent. Er holte ihn in sein Vorprogramm und ebnete Carrey den Weg zur Weltkarriere. In einer Rede vor College-Studenten erinnerte sich Carrey später an die wichtigste Lektion, die er gelernt hatte: „Ich kann euch sagen, dass die Wirkung, die ihr auf andere habt, die wichtigste Währung überhaupt ist.“
Nun steckt nicht in jedem ein Jim Carrey. Oder ein Steve Jobs. Nicht jeder ist ein Menschenfänger, nicht jeder kann die Massen begeistern. Nicht jeder hat das Talent, Filme oder Handys zu verkaufen. Doch vielleicht ist das ein Trugschluss. Vielleicht haben wir alle viel mehr Einfluss, als wir denken – selbst wenn man das Gefühl hat, es hört einem mal wieder niemand zu.
Jeder beeinflusst jeden. Manchmal sogar, ohne ein einziges Wort zu sagen. Hier sind drei Beispiele, mit denen wir Ihnen das beweisen wollen…
Wie Sie Menschen beeinflussen, ohne es zu merken
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Im Kino
Angenommen, Sie sitzen im Kino und sehen sich eine Komödie an. Der Protagonist reißt einen Kalauer, den Sie einfach nur erbärmlich finden. Not funny! Der ganze Saal aber bricht in schallendes Gelächter aus. Ihre Begleitung, Ihre Sitznachbarn, einfach alle prusten laut los und klopfen sich erheitert auf die Schenkel.
Bleiben sie trotzdem stoisch sitzen und verziehen keine Miene?
Nein, vermutlich nicht. Vermutlich werden Sie mitlachen, erst ganz dezent, dann ein bisschen lauter. Der soziale Druck ist einfach zu groß.
Produktionsfirmen machen sich das schon seit Jahrzehnten zunutze, indem sie die berüchtigten Lachkonserven in ihre Comedy-Serien einbauen. Al Bundy disst seine Peggy und schon brüllt das virtuelle Publikum los. Das ist ansteckend.
„Auch wenn diese Lacher aus der Konserve ziemlich viel Kritik auf sich ziehen und nicht wenige Zuschauer davon genervt sind, werden sie immer wieder eingesetzt. Offenbar scheint es zu funktionieren“, sagt Andreas Baranowski vom Psychologischen Institut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, der das Phänomen untersucht hat.
Das Fazit des Psychologen: Filme werden generell als lustiger bewertet, wenn sie mit künstlichen Lachern unterlegt sind. Am größten aber ist der Effekt, wenn die Lacher direkt aus dem Publikum kommen.
Das funktioniert übrigens auch bei Horrorfilmen. Wer verängstigt aufschreit, versetzt auch seine Nebenleute in Angst und Schrecken. Es sei denn, der Angstschrei ist erkennbar nur gespielt. „Sozialer Druck kann unsere Wahrnehmung massiv beeinflussen. Das gilt vor allem für Situationen, die nicht ganz eindeutig sind. Hier sind wir sehr sensibel bezüglich der emotionalen Reaktion anderer“, so Baranowski.
So setzten die Mainzer bei ihrer Untersuchung auch einen Schauspieler ein – Lockvogel trifft es wohl besser – der seine vermeintliche Meinung zum gerade gesehenen Film äußern sollte. Die Versuchsteilnehmer schlossen sich der (vorgetäuschten) Meinung des Vorredners überproportional häufig an – waren aber natürlich überzeugt davon, der Schauspieler habe sie keinesfalls beeinflusst.
„Der soziale Druck produzierte absolut bemerkenswerte Veränderungen bei der emotionalen Bewertung des Films durch die Probanden und zwar sowohl bei den Komödien als auch bei den angsteinflößenden Filmen“, so Baranowski.
Sie müssen also im Kino lediglich eine Lachsalve abfeuern oder den einen oder anderen Angstschrei ausstoßen – und schon haben sie die Meinung der anderen über den Film maßgeblich beeinflusst. -
Beim Einkaufen
Sie kennen das: Im Supermarkt lauern unzählige Psycho-Tricks, die Sie zum Impulskauf verführen sollen.
Man geht rechts herum und nicht links herum. Die teuren Produkte liegen in Griffhöhe, für die billigen muss man sich bücken oder strecken. Es gibt betörende Düfte, beruhigende Musik, animierende Durchsagen, appetitliche Kostproben. Und am Ende wartet die Quengelware an der Kasse.
Doch wovon lassen wir uns noch immer am stärksten beeinflussen? Richtig, von anderen Menschen.
„Die soziale Präsenz von Fremden beim Einkaufen im Supermarkt spielt eine große Rolle“, hat Michael Luck von der Universität Rostock festgestellt. Seiner Untersuchung zufolge gibt es eine optimale Anzahl von Kunden im Supermarkt. Sind zu wenige Leute da, hat man selbst das Gefühl, es stimme etwas nicht, zum Beispiel mit der Qualität oder dem Preis. Sind zu viele Mitshopper in der Filiale, empfindet man das als unangenehm, belastend und belästigend.
Kunden vermeiden es zum Beispiel, Produkte anzuschauen, wenn es gerade andere tun. „Ist am Regal ein anderer, wo man sich gerade selbst informieren möchte, empfindet man negative Gefühle“, sagt Luck. Oder stellen sie sich normalerweise im Zentimeter-Abstand neben einen Fremden vor den Filterkaffee, wenn der gesamte Gang sonst menschenleer ist? Creepy!
Vermutlich geht die indirekte Beeinflussung noch weiter. Denn was Fremde in ihr Einkaufskörbchen und aufs Kassenband legen, muss auf einen selbst wie eine Kaufempfehlung wirken. Stichwort: Empfehlungsmarketing.
Warum also schickt ein gewiefter Marktleiter nicht zwei, drei Studenten durch die halbleeren Gänge, um sich die Einkaufswagen mit den neuen, teuren Produkten vollzupacken? Möglicherweise würde schon das andere Käufer beeinflussen – und zum Kauf animieren. Das aber nur als Spekulation spaßeshalber.
Eine Studie der Uni Bochum deutet jedenfalls in eine ganz ähnliche Richtung. Den Bochumer Erkenntnissen zufolge wirkt sich der Gesichtsausdruck auf die Wahrnehmung von Düften aus. Wenn die Probanden vorher ein glückliches Gesicht gesehen hatten, fanden sie denselben Geruch angenehmer, als wenn ihnen zuvor ein angeekeltes Gesicht gezeigt worden war. Das galt für unterschiedlichste Aromen, von Karamell bis Zitrone, von Schweiß bis Knoblauch.
Mit einer Ausnahme: Den Geruch von Fäkalien hatte auch ein positiver Gesichtsausdruck nicht aufwerten können. -
Auf dem Weg zur Arbeit
Es gibt viele Möglichkeiten, um die eigenen Mitarbeiter indirekt aufs Rad zu hieven. Man könnte ihnen einen Fahrradkeller einrichten, Gutscheine für Bikesharing-Systeme spendieren oder ein Firmenbike anschaffen. Auch hängt die Bereitschaft zum Radeln davon ab, wie gut die Radwege in der Stadt sind, wie sonnig das Wetter und wie sicher der Anfahrtsweg. Ob es häufig bergauf und bergab geht.
Viele Variablen, die am Ende doch wieder dazu führen, dass wir mit dem Auto zur Arbeit fahren.
Die vielleicht wirksamste Überredungstaktik aber ist: Mit gutem Beispiel vorangehen. Gesundheitswissenschaftler der Penn State haben schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass soziale Beeinflussung eine große Rolle dabei spielt, ob jemand mit dem Rad pendelt oder nicht. Den größten Einfluss haben demnach die Partner – und die Kollegen.
Radelt der Ehemann, radelt auch die Ehefrau – und umgekehrt. Und wenn ein Mitarbeiter aufs Rad umsteigt, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass es die Kollegen ihm gleichtun.
Wenn Sie Ihre Kollegen also subtil beeinflussen wollen, kommen Sie einfach mal mit dem Rad zur Arbeit.