Primäreffekt: Was steckt dahinter?
Der Primäreffekt beschreibt ein Phänomen, das sich in der Wahrnehmung von Menschen beobachten lässt. Dabei besagt der Effekt, dass früher eingehende Informationen besser erinnert werden als andere Informationen, die zu einer späteren Zeitpunkt erhalten werden – selbst wenn dieser spätere Zeitpunkt nur wenige Sekunden entfernt ist, wie im oben genannten Beispiel zum Primäreffekt.
Wissenschaftlich erklärt sich der Primäreffekt so: Die ersten Informationen, mit denen ein Mensch bei einem neuen Thema in Kontakt kommt, werden leichter ins Langzeitgedächtnis gespeichert, weil dort noch keine anderen Informationen zu dieser Angelegenheit hinterlegt sind. Aus diesem Grund bleibt der berühmte erste Eindruck so hartnäckig bestehen, weil er fest im Gedächtnis verankert ist.
Zusätzlich gibt es drei weitere Faktoren und Gründe, die den Primäreffekt und damit die Wahrnehmung beeinflussen können:
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Erste Informationen bestimmen, wie weitere interpretiert werden
Im Fachjargon wird dabei von der sogenannten Assimilierung gesprochen. Der Eindruck, der zuerst entsteht, und die früheren Informationen werden als repräsentativ und wahr angesehen. Schließlich gibt es noch nichts, das diesem ersten Bild widersprechen könnte.
Folgende Erkenntnisse werden dann anhand des bereits vorhandenen Wissens gewertet, passend gemacht und interpretiert, um in das erste Bild zu passen. -
Spätere Informationen bekommen weniger Beachtung
Konzentration und Aufmerksamkeit sind am Anfang besonders groß, weshalb Informationen, die gleich zu Beginn vermittelt werden, besser aufgenommen und behalten werden. Mit der Zeit kommt es zu einem Verlust der Aufmerksamkeit. Je später eine Information erhalten wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Aufmerksamkeit bereits nachgelassen hat und diese daher möglicherweise gar nicht mehr wahrgenommen wird.
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Erste Informationen werden als wichtiger wahrgenommen
Was wirklich zählt und von Bedeutung ist, wird in der Regel zuerst genannt, um das Wichtigste gleich auf den Punkt zu bringen. Alles, was erst später kommt, wird somit als eher irrelevanter Zusatz empfunden. Sollten folgende Informationen dann noch widersprüchlich sein, werden sie häufig gleich als gänzlich unbedeutend bewertet.
Das Gegenteil des Primäreffekts
Dem Primäreffekt entgegen steht der sogenannte Rezenz-Effekt (recency effect), der das genaue Gegenteil beschreibt. Hier wird davon ausgegangen, dass die Informationen, die als letztes eingeht, am besten im Gedächtnis bleibt und auch den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt. Auch hier ist die Erklärung einleuchtend: Da die Information später erhalten wurde, ist diese noch aktueller im Kurzzeitgedächtnis vorhanden und da es der letzte Eindruck ist, den Sie von einem Thema gewonnen haben, werden Sie diesen für Ihre Meinungsbildung oder folgende Entscheidungen stärker einbeziehen.
Dabei spielt vor allem der Zeitraum eine Rolle, der zwischen der Informationsgewinnung liegt. Beträgt dieser nur wenige Augenblicke, ist der Unterschied vielleicht noch gering. Werden Informationen zu einem Bereich jedoch erst Stunden, Tage oder sogar Wochen später erhalten, wurden die zuerst gewonnen Eindrücke teilweise schon wieder vergessen und die neue Information gewinnt an Bedeutung.
In der Werbe-Branche wird der Rezenzeffekt eingesetzt, wenn in Werbespots das Produkt, um das es geht, ganz am Ende gezeigt wird. Auch in Verhandlungen kommt er oft zum Einsatz, wenn zum Ende eines Gesprächs noch einmal ein ganz besonders schlagkräftiges Argument genannt wird.
Nun könnte argumentiert werden, dass sowohl der Primäreffekt als auch der Rezenz-Effekt gleichzeitig auftreten. Demnach würde die erste und die letzte Information von großer Relevanz sein, während alles andere in der Mitte eher verschwindet. Experten gehen jedoch davon aus, dass in der Regel nur eins der beiden Phänomene zu beobachten ist.
Welcher das ist, hängt von Ihrer individuellen Aufmerksamkeit und Ihrem Interesse an einem Thema ab. Anders gesagt: Wenn Ihnen etwas besonders wichtig ist, beeinflusst dies, ob Sie sich an die frühere oder spätere Information erinnern.
Wo der Primäreffekt eingesetzt wird und auftauchen kann
Der Primäreffekt beeinflusst die Wahrnehmung grundsätzlich immer dann, wenn etwas Neues kennengelernt wird und natürlich auch dann, wenn zu einem späteren Zeitpunkt weitere Informationen gesammelt werden, die durch die Auswirkungen des Primäreffekts unterschiedlich interpretiert und wahrgenommen werden.
Nun können Sie das Phänomen einfach verstehen und akzeptieren. Besser ist es jedoch, wenn Sie erkennen, wann der Primäreffekt eine große Rolle spielt und wann dieser sogar ganz gezielt eingesetzt wird, um andere zu beeinflussen. So kann der Primäreffekt Ihnen sogar dabei helfen, erfolgreicher zu sein.
Bei Vorstellungsgesprächen kann der Primäreffekt Ihnen helfen, zu überzeugen und den Job zu bekommen. Oder er kann dafür sorgen, dass Sie gleich zu Beginn alle Chancen verspielen. Wenn Sie im ersten Moment unsicher, unfreundlich oder schlichtweg negativ wirken, kann dadurch bereits die gesamte Wahrnehmung des Personalers geprägt werden. Alle nachfolgenden Anstrengungen können vergebens sein, weil der erste Eindruck schlecht ausgefallen ist.
Tatsächlich kann es sogar ein Vorteil sein, einen frühen Termin für das Vorstellungsgespräch zu erhalten, wenn Sie in diesem punkten und sich von Ihrer besten Seite präsentieren. In diesem Fall können Sie den Primäreffekt nutzen, um sich fest im Gedächtnis des Personalers zu verankern und es den anderen Kandidaten schwerer machen, die positive Meinung noch einmal zu ändern.
Im späteren Verlauf Ihrer Karriere sollten Sie den Primäreffekt für Gehaltsverhandlungen im Hinterkopf behalten. Überlegen Sie sich im Vorfeld, auf welches Argument Ihr Chef voraussichtlich besonders achtet und mit welchem Punkt Sie Ihren Wert am besten unterstreichen können. Wenn Sie das Gespräch damit beginnen, können Sie sicher sein, dass es Ihrem Gesprächspartner im Gedächtnis bleibt.
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