Primäreffekt: Wie er die Wahrnehmung beeinflusst

Person A ist sympathisch, schlau, stur. Person B ist stur, sympathisch, schlau. Wen wollen Sie kennenlernen? Die meisten wählen Person A – und fallen gleich zweimal auf den Primäreffekt herein. Erstens, weil Person A die erste Wahl ist; zweitens, weil die erste Eigenschaft sympathisch ist. Der erste Eindruck zählt und wird von uns unbewusst am stärksten gewertet. Damit beeinflusst der Primacy-Effect unsere Wahrnehmung massiv und macht uns zugleich hochgradig manipulierbar…

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Definition: Was ist der Primäreffekt?

Der Primäreffekt (engl. Primacy-Effect) beschreibt das Phänomen, dass zuerst erhaltene Informationen oder Eindrücke besonders stark gewichtet und im Gedächtnis fest verankert werden. Deshalb gibt es für den ersten Eindruck im Sprichwort auch keine zweite Chance: Er prägt unsere Bewertung beharrlich und anhaltend. Das gilt für Personen genauso wie für Objekte oder Situationen. Entdeckt und beschrieben wurde der Primäreffekt erstmals von dem US-Psychologen Solomon Asch im Jahr 1946.

Verantwortlich für den Primäreffekt ist die Referenz des ersten Eindrucks (Fachbegriff: Assimilierung). Die ersten Informationen werden als repräsentativ und wahr angesehen. Folgende Erkenntnisse werden danach gewertet, interpretiert – oder sogar passend ausgewählt (siehe: selektive Wahrnehmung).

Primäreffekt Gegenteil: Der Rezenzeffekt

Das Gegenteil zum Primäreffekt ist der sogenannte Rezenzeffekt (engl. Recency-Effect). Das Kurzzeitgedächtnis kann sich nur 5-9 Informationseinheiten (z.B. Wörter, Zahlen) gleichzeitig merken. Der Rezenzeffekt sorgt dafür, dass wir zuletzt erhaltene Informationen besonders stark erinnern. Auch diese prägen den Gesamteindruck maßgeblich, man könnte auch sagen: Der erste Eindruck zählt, der letzte Eindruck bleibt, denn er hallt nach…

Beide Effekte zusammen bilden den Primacy-Recency-Effekt und erklären, warum wir unser erstes Urteil nur selten revidieren und uns zugleich noch lange an den letzten Eindruck erinnern. Was dazwischen passiert, vergessen wir hingegen schnell. Auch wenn die Effekte widersprüchlich klingen, wirken sie gleichermaßen im Alltag, wobei der Primäreffekt etwas stärker wirkt als der Rezenzeffekt.

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Primäreffekt Beispiele

Dem Primacy-Effekt und der damit verbundenen kognitiven Verzerrung begegnen Sie an zahlreichen Stellen im Alltag, wo sie unsere Wahrnehmung lenken, beeinflussen und verfälschen. Hier einige Beispiele:

Beispiel Vorstellungsgespräch

Noch bevor Sie sich im Vorstellungsgespräch vorgestellt haben, entsteht bereits ein erster Eindruck von Ihnen – durch die nonverbale Kommunikation. Also zum Beispiel durch Körpersprache, Körperhaltung, Kleidung und Händedruck. Dieser kann positiv wie negativ sein und das gesamte Gespräch überschatten beziehungsweise Ihre Bewerbungschancen steigern oder ruinieren.

Dabei wirken sogar noch zwei weitere Effekte: Der Halo-Effekt und sein Gegenspieler, der Horn-Effekt. In beiden Fällen geht es darum, dass eine überstrahlende Eigenschaft den Gesamteindruck prägt – zum Beispiel ein angemessenes Outfit (positiv) oder Körpergeruch (negativ) – und das unabhängig von den tatsächlich relevanten Fähigkeiten für den Job.

Beispiel Gehaltsverhandlung

Falls Sie in ein Gehaltsgespräch gehen und um eine Gehaltserhöhung verhandeln, sollten Sie IMMER das sogenannte Eröffnungsangebot machen. Das gilt für alle Verhandlungen generell!

Grund dafür ist der sogenannte Ankereffekt – ein Verwandter des Primäreffekts. Um den Wert einer Sache bemessen zu können, sucht unser Gehirn nach Vergleichswerten. Findet es diese nicht, reicht ihm zur Not eine völlig aus der Luft gegriffene Zahl als Bezugspunkt. Oder die zuerst genannte Zahl in einer Verhandlung. Seien Sie in der Gehaltsverhandlung also bloß nie schüchtern und nennen Sie selbstbewusst Ihren Preis!

Beispiel Politik

Wenn wir eine Wahl treffen, spielt die Reihenfolge eine entscheidende Rolle. Studien um Jonathan Koppell von der Yale Universität und Jennifer Steen vom Boston College konnten Ende der 1990er-Jahre eindrucksvoll nachweisen, dass Kandidaten, die zuerst und ganz oben auf der Wahlliste standen, deutlich mehr Stimmen bekamen – sie waren buchstäblich „erste Wahl„. Der Primacy-Effect sorgt hier für einen typischen Beurteilungsfehler (engl. Confirmation Bias)

Beispiel Vortrag

Ob im Meeting oder auf der Bühne: Ein guter und cleverer Redner setzt in seinem Vortrag gleich zu Beginn einen Höhepunkt und steigt in seine Präsentation mit einem Knaller ein. Der Einstieg muss sitzen, damit die Rede von Beginn an die volle Aufmerksamkeit bekommt – und am Ende einen tosenden Applaus. Deshalb starten zum Beispiel einige Keynote-Speaker gerne mit einem Witz oder ihrer wichtigsten (und provokanten) Kernaussage. Dadurch sind die Zuhörer gleich mit Interesse dabei.

Der Primäreffekt beeinflusst unsere Wahrnehmung und Bewertung grundsätzlich, wenn wir etwas Neues kennenlernen. Hat sich dieser erste Eindruck erst einmal verfestigt, rücken wir kaum noch davon ab. Der Primacy-Effect erklärt damit zugleich, warum wir zum Beispiel Vorurteilen noch glauben, obwohl sie längst widerlegt sind und Menschen ungern eine zweite Chance geben – obwohl sie jede(r) verdient hätte.


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