Aha-Effekt: Entdeckung nach Betriebsunfall
Und da blieb es – bis zur Entwicklung der Atombombe im 2. Weltkrieg. Für die Bombe benötigten die Wissenschaftler hochangereichertes Uran. Das aber war nicht nur eine extrem gefährliche, sondern auch enorm aggressive Substanz, die sich durch jeden Behälter fraß. Also bat die Regierung die großen Chemiekonzerne um Hilfe – und DuPont erinnerte sich an K416.
Nach dem Krieg wurde Teflon zivil eingesetzt: als Beschichtungs-, Dichtungs- oder Isoliermittel, allerdings mit mäßigem Erfolg. Bis zum Jahr 1954. Jetzt experimentierte der französische Chemiker Marc Grégoire damit und beschichtete seine Angelschnüre mit Teflon, in der Hoffnung diese würden sich so weniger verheddern. Beim Brutzeln des fangfischen Fischs wiederum kam seine Frau Colette auf die Idee, mit dem Zeugs auch mal ihre Töpfe zu beschichten – die Teflon-Pfanne war geboren.
Wenn aus einem profanen Betriebsunfall eine große Entdeckung wird, dann spielt Zufall nur die erste Rolle. Aha-Momente passieren nämlich nicht einfach so. Sie entwickeln sich – in exakt vier Phasen.
Die 4 Phasen des Aha-Effektes
Das behaupten zumindest die beiden Forscher Simone Sandkühler und Joydeep Bhattacharya von der Medizinischen Universität Wien. Und so sehen die vier AHA-Phasen aus:
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Sackgasse
Um ein Problem zu lösen, muss man zunächst in einer gedanklichen Sackgasse stecken (Phase 1).
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Impuls
Im Hirn herrscht die totale Denkblockade – rien ne va plus, nichts geht mehr. Was die grauen Zellen jetzt benötigen, ist ein neuer Impuls (Phase 2).
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Konnex
Sei es durch äußere Einflüsse oder indem wir bereits gespeicherte Gedanken zu einem neuen verknüpfen. Und siehe da: Auf einmal erkennt unser Geist einen neuen Zusammenhang (Phase 3).
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Erkenntnis
Im Grunde kann es auch ein alter sein – nur führt der eben zur Lösung des bisherigen Problems und damit zum Aha-Erlebnis (Phase 4).
Allerdings schränkten die Wiener Wissenschaftler ein: Ein Aha-Effekt tritt nur dann auf, wenn die Impulse in Phase 2 unbewusst oder zufällig passieren. Wer seine Lösung Schritt für Schritt erarbeitet, kommt so vielleicht auch zum Ziel, fühlt sich hernach aber nicht erleuchtet, sondern nur matt.
Zum Trost: Letzteres ist die Regel. Auf die Frage, wie er auf seine zahlreichen Ideen gekommen sei, antwortete Thomas Alva Edison (unter anderem Erfinder der Glühbirne) lakonisch:
Ein Prozent Inspiration, 99 Prozent Transpiration.
13 Aha-Erlebnisse der Geschichte
- Das wohl älteste Aha-Erlebnis geht auf den griechischen Mathematiker Archimedes zurück. Der sollte so um 250 v. Chr. für den König von Syrakus, Hieron II., herausfinden, ob dessen Krone wirklich aus reinem Gold war. Allerdings durfte er sie dabei nicht beschädigen. Archimedes grübelte tagelang über der Aufgabe. Als er schließlich ein Bad nahm, fiel ihm auf, dass das Wasser über die Wanne schwappte. „Heureka!“, rief der Grieche da und lief sogleich nackt durch die Straßen – er hatte das Archimedische Prinzip entdeckt, wonach sich anhand der verdrängten Wassermenge die Dichte eines Körpers bestimmen lässt – oder eben wie viel Gold in einer Krone steckt.
- Kolumbus entdeckte zwar Amerika, dachte aber es sei Indien. Den eigentlichen Aha-Effekt erlebte sieben Jahre später der Seefahrer Amerigo Vespucci. Er fand 1499 bei seiner Erkundungsreise in die neue Welt heraus, dass es sich dabei wohl eher um einen neuen Kontinent handelte – dem er prompt seinen (Vor-)Namen verlieh: Amerika.
- Eines Tages, es muss so im Jahre 1686 gewesen sein, lag Sir Isaac Newton grübelnd unter einem Apfelbaum, sah den Wolken beim Vorbeiziehen und seinen Gedanken beim Verklären zu, als ihm plötzlich ein Apfel auf den Kopf fiel. So erzählt es die Legende – und hier zeigt sich denn auch sein wahres Genie: Jeder andere hätte sich über das freche Früchtchen geärgert – Newton indes brachte es auf die Idee des Gravitationsgesetzes. Es ist nicht ganz klar, ob Newton die hübsche Geschichte nur erfunden hat. Doch auch das käme einem Geistesblitz gleich.
- Als Mary Anderson Anfang des letzten Jahrhunderts während eines Schneesturms in New York die vielen Autofahrer beobachtete, die den Schnee von ihrer Scheibe zu wischen versuchten, kam sie ins Grübeln. Es müsste doch eine Lösung dafür geben. Und tatsächlich: Ohne eine technische Ausbildung schuf Mary Anderson 1913 die Grundlage für den heutigen Scheibenwischer.
- Für den Leidener Physiker Pieter van Musschenbroek dürfte das Jahr 1746 in schmerzhafter Erinnerung geblieben sein. Bei Laborversuchen entdeckte er die Leidener Flasche – und bekam von dieser mächtig eine gewischt. Dabei handelt es sich um die älteste Bauform eines Kondensators. Musschenbroek hatte auf der Innen- und Außenseite einer Glasflasche dünne Metallfolie aufgebracht, in die Mitte einen Metallnagel gesteckt und diesen elektrisch aufgeladen. Das Glas wirkt so jedoch wie ein Isolator, der Strom wird im Nagel gespeichert. Effekt: Beim Herausziehen bekommt man einen kräftigen Stromschlag. Dasselbe Prinzip diente lange Zeit auf Jahrmärkten der Belustigung ahnungsloser Besucher.
- Ständig dieses Quietschen, Kreischen und Schleifen! Der Krach, den die Metallreifen am Dreirad seines Sohnes verursachten, muss den britischen Tierarzt John Boyd Dunlop so sehr gemartert haben, dass er dringend nach einem Ausweg suchte – und im Garten fand: in Form eines Gartenschlauchs. Den wickelte er um die Räder, pumpte Luft hinein und meldete das Ganze am 7. Dezember 1888 zum Patent an – als ersten Fahrradluftreifen der Welt.
- Es ist der Abend des 8. November 1895, und Conrad Röntgen experimentiert wieder einmal mit der Leitung von Elektrizität in Gasen. Nur diesmal ändert er den Versuchsaufbau: Er ummantelt seine Entladungsröhre mit schwarzer Pappe, damit kein Licht herauskommt. Es kommt trotzdem etwas heraus, stellt Röntgen fest: unsichtbare Strahlen oder „X-Strahlen“ wie er sie nennt. Er hat eine Erleuchtung und durchleuchtet im Übermut ganze 20 Minuten lang die Hand seiner Frau. Es entstehen die ersten Röntgenbilder der Geschichte, die dem Namensgeber schließlich einen Nobelpreis bescheren. Allerdings bleiben die tödlichen Nebenwirkungen seiner X-Strahlen lange Zeit unentdeckt – bis ein anderer glücklicherweise diesen Aha-Effekt bekam.
- Alexander Fleming war nicht gerade der aufgeräumteste Typ. Als der schottische Bakteriologe im September 1928 aus dem Urlaub zurückkehrte, fielen ihm im Chaos seines Labors zwei Petrischalen mit Bakterienkulturen auf. Auf der einen hatte sich Schimmel gebildet und die Kulturen unbrauchbar gemacht – auf der anderen blieb der Schimmel auf wundersame Weise fern. Unter dem Mikroskop offenbarte sich Fleming ein Pilz, der bestimmte Bakterien abtötete – die Geburtsstunde des Penicillin.
- Weil Josephine Cochrane sehr wertvolles Geschirr besaß und ihre Angestellten immer wieder einiges davon zerdepperten, spülte sie das Geschirr lieber selbst – und hasste es. Also grübelte Sie und bekam ausgerechnet beim Spülen die Erleuchtung und Idee zur ersten Spülmaschine mit Wasserdruck-Antrieb. 1886 erhielt die Amerikanerin das Patent auf einen mechanisch betriebenen Geschirrspüler. Auf der Weltausstellung 1883 in Chicago gewann sie damit den Preis für „die beste mechanische Konstruktion, Haltbarkeit und Zweckentsprechung“.
- Seit 1925 arbeitete der Radartechniker Percy Spencer bei Raytheon, einer kleinen Firma, die Leistungsröhren für Verstärker herstellte. Spencer leitete dort das Forschungslabor und hatte offenbar eine Schwäche für Schokoriegel. Und so steckte auch 1945 wieder mal einer davon in seiner Hosentasche als Spencer zu nah an ein sogenanntes Magnetron trat. Das sendet Radarwellen, strahlt aber offenbar auch Wärme ab, denn es brachte Spencer’s Riegel zum Schmelzen. Statt sich über die Schokosoße in der Tasche zu ärgern, lief der pfiffige Forscher sofort zu seinem Chef Fritz Gross, nahm einen Papierkorb, schnitt ein Loch in den Boden, stülpte ihn über ein Magnetron – und führt dem verduzten Gross den ersten Mikrowellenherd der Welt vor.
- Käthe Paulus war die erste deutsche Berufsluftschifferin und Luftakrobatin. Sie stammte aus eher kleinbürgerlichen, ärmlichen Verhältnissen. Ihr Vater war Schmied und Tagelöhner. Sie selbst lernte ursprünglich den Schneiderberuf, was sich später als Glücksfall herausstellen sollte: Denn als Lufakrobatin lebte sie gefährlich. Bis zu ihrem Geistesblitz: Im Jahr 1921 patentierte sie den vor ihr entwickelten Paketfallschirm. Den hatte sie erfunden, weil sie für ihre spektakulären Luftauftritte eine praktische Lösung suchte.
- Glück im Pech: 1968 wollte Spencer Silver eigentlich den nächsten Superkleber erfinden, erschuf aber nur eine klebrige Masse, die zwar überall hielt, jedoch nirgends dauerhaft. Das einzige Produkt, was daraus entstand, war eine Pinnwand, die ohne Pinne auskam. Ihr haftete allerdings auch kein dauerhafter Erfolg an. Dafür erinnerte sich sechs Jahre später Art Fry, ein Kollege Silvers bei 3M, an dessen Haftzeugs. Weil sich Fry regelmäßig darüber ärgerte, dass seine Lesezeichen bei den Proben des Kirchenchores aus dem Notenheften fielen, betrich er ein paar davon mit Spencers Halbkleber – die Geburtsstunde der ersten Post-Its, die die US-Zeitschrift „Fortune“ Jahre später zu einer der wichtigsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts erklärte.
- Bette Graham war zwar eine überaus engagierte Mitarbeiterin. Eingestellt wurde sie aber vor allem wegen Ihrer Persönlichkeit, weniger wegen ihrer Fähigkeiten als Sekretärin. Regelmäßig scheiterte Sie daran, dass sie nicht fehlerfrei tippen konnte. Ein Maler brachte sie schließlich auf die Idee einer Korrekturflüssigkeit – das heutige Tipp-Ex (das mit der Digitalisierung allerdings immer obsoleter wird).
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