Was ist der Lake-Wobegon-Effekt? Einfach erklärt!
Der Lake-Wobegon-Effekt ist das psychologische Phänomen, dass die meisten Menschen sich selbst und die eigenen Fähigkeiten als überdurchschnittlich empfinden. Jeder ist davon überzeugt, bei wichtigen Stärken besser zu sein als die Mehrheit der anderen. Das ist zwar schon mathematisch nicht möglich, dennoch tappen wir alle in diesen Wahrnehmungsfehler.
Der Effekt wird auch als Überlegenheitsillusion bezeichnet und zählt in der Psychologie zu den selbstwertdienlichen Verzerrungen. Weil wir uns selbst für besonders gut und kompetent halten, steigt das Selbstwertgefühl. Dazu zählt auch, dass eigene Erfolge nur den eigenen Stärken und Fähigkeiten zugerechnet werden – bei Misserfolgen schieben wir die Schuld auf andere oder die äußeren Umstände. So wird die Illusion der eigenen Überdurchschnittlichkeit erhalten.
Lake-Wobegon-Effekt und Dunning-Kruger-Effekt
Eng verwandt ist der Lake-Wobegon-Effekt mit dem Dunning-Kruger-Effekt. Dieser besagt, dass inkompetente Menschen das eigene Können regelmäßig überschätzen – wer hingegen wirklich kompetent ist, unterschätzt die eigenen Leistungen. Bei großen Erfolgen und Leistungsträgern kann das sogar bis zum Impostor-Syndrom führen, bei dem Betroffene nicht an die eigenen Stärken und Leistungen glauben. Stattdessen befürchten sie, als Hochstapler (der sie gar nicht sind) enttarnt zu werden.
Bedeutung und Herkunft des Begriffs
Der Lake-Wobegon-Effekt ist nach der gleichnamigen, fiktiven Stadt Lake Wobegon benannt, die der Schauplatz für die Geschichten des Autors und Radiomoderators Garrison Keillor ist. Jede Woche baute er Erzählungen und Monologe über den Ort in sein Radioprogramm ein. Sie alle endeten mit den Worten: „Das sind die Neuigkeiten aus Lake Wobegon, wo alle Frauen stark, alle Männer gutaussehend und alle Kinder überdurchschnittlich sind.“
Diese Beschreibung trifft den Kern des Lake-Wobegon-Effekts. Es ist die komplette und unrealistische Überschätzung der eigenen Stärken und positiven Eigenschaften.
Beispiele für den Lake-Wobegon-Effekt
Es gibt einige klassische Beispiele für den Lake-Wobegon-Effekt, bei denen sich wohl jeder schon einmal selbst ertappt hat. Wir zeigen die häufigsten Beispiele der Selbstüberschätzung:
- Ich bin ein besonders guter Autofahrer.
Im Straßenverkehr gibt es nur Fahranfänger und Leute, die ihren Führerschein im Lotto gewonnen haben – nur man selbst fährt wirklich gut und sicher. Genau diese Einstellung hat die Mehrheit der Autofahrer. - Ich bin schlauer als die anderen.
Bei IQ-Tests zeigt sich immer wieder: Die meisten Menschen schätzen das eigene Ergebnis höher ein, als es tatsächlich ist. Auch in Diskussionen geht die Mehrheit der Menschen davon aus, schlauer und besser informiert zu sein als der Gesprächspartner. - Ich bin besser im Job als die Kollegen.
Über die Inkompetenz der Kollegen kann man oft nur den Kopf schütteln. Man selbst hätte das alles viel besser gemacht. - Ich bin beliebter als die meisten.
Sich selbst sieht man als besonders sympathisch, freundlich, hilfsbereit und natürlich beliebt bei Kollegen, Freunden und innerhalb der Familie. - Ich bin attraktiver als der Durchschnitt.
Auch beim Aussehen greift der Lake-Wobegon-Effekt. Die meisten Menschen schätzen die eigene Schönheit und Attraktivität überdurchschnittlich ein.
Betroffene: Wer überschätzt sich besonders oft?
Auch wenn der Lake-Wobegon-Effekt jeden treffen kann, so zeigt sich deutlich: Betroffen sind vor allem die Menschen, die in Wahrheit am weitesten von Überdurchschnittlichkeit entfernt sind. Es ist wie beim Dunning-Kruger-Effekt. Je schlechter eine Eigenschaft oder Fähigkeit tatsächlich ist, desto mehr überschätzen Betroffene sich darin. Doch auch andere Gruppen neigen stärker zur Selbstüberschätzung.
Führungskräfte und Manager sind oft überzeugt, besonders qualifiziert und kompetent zu sein. Persönlichkeiten mit einem starken Geltungsdrang bewerten sich selbst ebenfalls überdurchschnittlich, um mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit zu bekommen.
Auch die Erziehung und frühkindliche Prägung spielen eine Rolle. Werden Kinder zu sehr verwöhnt und lernen die eigenen Grenzen nie kennen, entsteht mit der Zeit die innere Überzeugung „Ich bin besser als alle anderen“. Im späteren Leben kommt es dann vermehrt zu Selbstüberschätzungen.
Folgen: Wie wirkt der Lake-Wobegon-Effekt?
Positiv betrachtet führt der Lake-Wobegon-Effekt zu einem besseren Selbstwertgefühl, mehr Selbstbewusstsein und größerer Selbstsicherheit. Das positive Bild der eigenen Person gibt die Überzeugung, alles schaffen zu können – schließlich ist man ja viel besser als der Rest.
Genau hier liegen aber auch die Gefahren. Da das Selbstbild nur eine Illusion ist, schätzen Betroffene die eigenen Fähigkeiten völlig falsch ein und schaden sich damit selbst.
- Große Risikobereitschaft
Fehleinschätzungen der eigenen Stärken erhöht die Risikobereitschaft. Man ist überzeugt, dass man gut genug ist – auch wenn die Realität anders aussieht. Damit können Betroffene sich ernsthaft in Gefahr bringen, wenn beispielsweise die eigenen körperlichen Fähigkeiten überschätzt werden. Auch viele Autounfälle passieren, weil Fahrer die eigenen Fähigkeiten überschätzen und zu gefährliche Manöver riskieren. - Peinliche Auftritte
„Ich habe eine tolle Stimme…“ In den eigenen Ohren vielleicht, doch vor größerem Publikum kann es peinlich werden, wenn die eigene Inkompetenz öffentlich zur Schau gestellt wird. - Schwerwiegende Fehler
Gerade im Job kann der Lake-Wobegon-Effekt zu schweren Fehlern führen, weil die eigene Kompetenz überschätzt wird. Es werden Aufgaben und Projekte übernommen, obwohl die Qualifikationen fehlen. Das kann der Karriere nachhaltig schaden.
3 Tipps gegen den Lake-Wobegon-Effekt
Wenn Sie glauben, dass Sie sich nicht selbst überschätzen und der Lake-Wobegon-Effekt somit kein Problem für Sie darstellt, täuschen Sie sich vermutlich. Sind Sie in einem Bereich wirklich gut, sind Sie vermutlich wirklich kritisch mit sich selbst – deshalb unterschätzen Sie sich hier vermutlich. Doch tritt die Überlegenheitsillusion dann mit großer Wahrscheinlichkeit in einem anderen Lebensbereich auf, in dem Ihre Kompetenzen eben nicht so gut sind, wie Sie selbst meinen.
Damit Sie nicht die Nachteile der selbstwertdienlichen Verzerrung erleben, können diese Tipps gegen den Lake-Wobegon-Effekt helfen:
1. Erinnern Sie sich an den Effekt
Schon das Wissen um den Lake-Wobegon-Effekt hilft, um diesen zu überwinden. Heißt: Wenn Sie sich das nächste Mal bei dem Gedanken ertappen „Ich bin so viel besser als der Durchschnitt…“, erinnern Sie sich an diesen Artikel. Was die Wirkung verstärkt: Machen Sie sich bewusst, dass es mathematisch unmöglich ist, dass jeder überdurchschnittlich ist, auch wenn wir es alle gerne von uns glauben.
2. Vergleichen Sie sich kritisch
Manchmal braucht es einen ehrlichen und knallharten Vergleich der eigenen Fähigkeiten, um wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Reflektieren Sie selbstkritisch, wie gut Sie wirklich sind und betrachten Sie dabei auch andere Personen, die nachweislich zu den Besten in diesem Bereich gehören. Sie halten sich für besonders intelligent? Machen Sie einen echten IQ-Test und vergleichen Sie das Ergebnis. Sie glauben, Sie können toll singen? Machen Sie eine Aufnahme und spielen Sie diese neben einem Song von professionellen Sängern ab. Solche Vergleiche erden ungemein und sorgen für ein realistischeres Selbstbild.
3. Verbessern Sie Ihre Fähigkeiten
Der wohl wirksamste Weg gegen den Lake-Wobegon-Effekt: Sorgen Sie dafür, dass Sie wirklich überdurchschnittlich gut in etwas sind! In diesem Fall stimmt Ihre Einschätzung von sich selbst wieder – oder Sie unterschätzen sich selbst sogar. Sie wollen der beste im Job sein? Geben Sie stets 100 Prozent und machen Sie Fort- oder Weiterbildungen. Sie wollen wirklich gut Autofahren? Machen Sie ein Fahrsicherheitstraining und frischen Sie Ihre Kenntnisse auf. Wenn Sie Ihre Kompetenzen steigern, überschätzen Sie sich nicht mehr selbst.
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