Was ist der Concorde Effekt? Einfach erklärt
Der Concorde-Effekt beschreibt in der Psychologie ein übersteigertes Engagement und eine Art Selbsttäuschung. Betroffene geben einfach nicht auf, obwohl das die beste Option wäre, Motto: Weitermachen und durchhalten um jeden Preis! Im Fachjargon wird diese Persistenz auch „Sunk-Cost-Fallacy“ genannt („Irrtum der versunkenen Kosten“).
Die Mischung aus sturer Unvernunft, Überheblichkeit und falschem Ehrgefühl für ein fragwürdiges Ziel, das – bei klarem Verstand betrachtet – unerreichbar ist, führt jedoch oft zu ruinösen Investitionen oder Kosten. Der Gedanke dahinter: „Jetzt habe ich da schon so viel reingesteckt, irgendwann muss es sich auszahlen!“ Tut es aber nicht. Get Rich – Or Die Tryin’…
Concorde Effekt Beispiele
Beobachten lässt sich der Concorde Effekt vor allem an der Börse. Menschen investieren dort ihr Erspartes, doch die Aktie oder die Kryptowährung entwickeln sich anders als erwartet. Die Verluste steigen und steigen… Weil aber schon so viel investiert wurde, kommen aufgeben und verkaufen nicht infrage. Bis alles Geld verloren ist.
Oder die junge Frau, die unbedingt Model werden will. Längst haben ihr Freunde und Profis bescheinigt, dass sie weder den Look noch die Maße dafür hat. Aber aufgeben? Niemals! Also investiert sie weiter all ihr Geld in Modelschulen und Pseudoagenten.
Oder der Mann, der sich unsterblich in seine Kollegin verknallt hat, obwohl die ihm schon drei Mal signalisiert hat, dass sie lieber mit Catweazle ausgehen würde als mit ihm. Also wird er zum Stalker, bis ihn die sexuelle Belästigung auch noch seinen Job und Ruf kostet.
Warum heißt der Concorde Effekt so?
Tatsächlich verdankt der Concorde-Trugschluss seinen Namen dem legendären Überschallflugzeug, das inzwischen nur noch im Museum zu bestaunen ist. In den Sechzigerjahren, als der britisch-französische Flieger entwickelt wurde, schossen die Kosten schon in der Entwicklungsphase deutlich über das Ziel hinaus. Es drohte ein Milliardengrab. Aber aufgeben und sein nationales Gesicht verlieren? Das kam für die Flugzeugbauer nicht infrage. Die Ingenieure machten weiter: Die Concorde wurde gebaut, aber zu Milliardenkosten für die Steuerzahler. Auch später im laufenden Betrieb flog die Concorde nur teilweise Gewinne ein. Ein aktuelles Beispiel aus Deutschland ist der Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs „Stuttgart 21“.
Was steckt hinter dem Concorde Effekt?
Warum machen wir Menschen das? Warum geben wir nicht auf, obwohl alle Zeichen längst dafür sprechen? Die simple Antwort: Dahinter stecken oft Scham und Eitelkeit. Ab dem Moment, wo Rückschläge unüberschaubar werden und die erlittenen Verluste irreversibel, setzt bei vielen der Verstand aus und das Motiv ändert sich: Nicht das ursprüngliche Ziel steht jetzt im Vordergrund, sondern der mögliche Gesichtsverlust durch die Folgen.
Wer aufgibt, riskiert nicht nur die Abschreibung und den Verlust von Geld oder Gefühlen, von geleisteter Arbeit und Chancen in der Zukunft. Scheitern bedeutet zugleich ein Verlust an Prestige und Selbstvertrauen. Wir lagen falsch – und zwar so richtig. Peinlich! Also reden sich einige die Umstände schön, ignorieren Warnsignale, blenden Risiken und weitere Kosten aus, verleugnen Tatsachen – und kämpfen weiter, selbst auf verlorenem Posten.
Falsche Pflichtgefühle als Ursache
Veronika Brandstätter, wissenschaftliche Assistentin am Institut für Sozialpsychologie in München, beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Concorde-Effekt und hat noch einen weiteren Grund für die unvernünftige Ausdauer identifiziert: falsche Pflichtgefühle.
Sobald sich Betroffene für eine Sache entschlossen haben, fühlen sie sich dem Ziel derart verpflichtet, dass es für sie nur noch den Weg nach vorn gibt – selbst ohne Aussicht auf Erfolg. Den Betroffenen kommt es eher noch heroisch vor, mit wehenden Fahnen in den Untergang zu reiten. Die Kamikaze-Mentalität glänzt mit übermenschlichem Durchhaltevermögen. Und stirbt mit der Hoffnung, vielleicht doch noch posthum Recht gehabt zu haben.
Zunächst sei dieser Mechanismus durchaus sinnvoll, sagt Veronika Brandstätter. Sonst würden wir bei den ersten Anzeichen von Problemen gleich wieder aufgeben. Und das ist wirklich keine Option. Das Problem liege aber daran, dass manche den „Point of no return“ viel nahe an den Anfang ihres Projekts legen. Dabei lasse sich jederzeit umkehren.
Was kann ich gegen den Concorde Effekt tun?
Leider nicht viel. Der Punkt, an dem es Zeit wird aufzugeben und umzukehren, ist alles andere als deutlich markiert. Niemals aufgeben, durchhalten, Biss zeigen sind zudem Tugenden, die den Erfolg begünstigen. Und auch gesellschaftlich gilt: Wer zu früh aufgibt, ist ein Weichei; wer bis zum Totalverlust kämpft, war wenigstens ein Held… So wird der Wahnsinn im Rückblick zur Wahnsinnsleistung.
Trotzdem können Sie sich vor dem Concorde Effekt schützen – durch einen erzwungenen Perspektivwechsel: Statt sich auf die Nachteile des Aufgebens zu konzentrieren, sollten Sie dessen Vorteile ins Blickfeld rücken:
- Scheitern ist keine Schande.
- Sie haben es versucht und können daraus lernen.
- Wir wachsen an unseren Niederlagen mehr als an unseren Erfolgen.
- Sie sparen sich weitere Kosten.
- Sie entscheiden vernünftig.
Nicht zuletzt beweisen Sie Größe: Zu seinen Fehlern oder Fehlentscheidungen stehen zu können, zeigt echte Charakterstärke und emotionale Reife.
Wann ist der richtige Zeitpunkt um aufzugeben?
Einen ersten wichtigen Schritt gegen den Concorde Effekt haben Sie bereits unternommen: Sie kennen ihn! Und sie wissen, dass Sie trotz aller Leidenschaft für ein Projekt oder ein Ziel immer wieder einen kritischen Abstand dazu gewinnen sollten, um den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, wann es besser ist, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen und erfolgreich aufzugeben.
Ein eindeutiges Indiz dafür gibt es zwar nicht, aber durchaus veritable Symptome dafür, wann Durchhalten auf Biegen und Brechen keine Option ist:
- Sie haben bisher Ihr Bestes gegeben.
- Sie haben alles versucht, alle Möglichkeiten ausgeschöpft.
- Sie sehen partout keine rettende Lösung.
- Sie müssen die Kosten stoppen.
- Der Schaden wäre beim Weitermachen noch größer.
- Auch der damit verbundene Imageschaden.
Keine Frage: Für den geordneten Rückzug brauchen Sie Mut, Rückgrat und Verantwortungsbewusstsein. Aber das sind alles Eigenschaften, die erfolgreiche Menschen auszeichnen und auf lange Sicht zu mehr Erfolg führen als falsch verstandene Durchhalteparolen. Sobald eine Situation kippt, denken Sie stets an die Vorteile, die mit dem Aufgeben ebenfalls verbunden sind. Aufgeben IST zuweilen eine Option! Für alle Beteiligten…
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