Pflichtbewusstsein Definition: Zwischen Zwang und moralischer Pflicht
Was ist die Bedeutung von Pflichtbewusstsein? Dem kommt man auf die Spur, wenn das Wörtchen in seine Bestandteile zerlegt wird. Pflicht kommt nämlich von pflegen.
Gemeint ist hier, dass wir Dinge tun, die aus moralischen oder gesetzlichen Gründen erledigt werden müssen oder zu denen wir uns verpflichtet haben – beispielsweise durch einen Arbeitsvertrag. Pflichtbewusstsein (englisch: conscientiousness) lässt sich also als das Bewusstsein beschreiben, seine Pflichten erfüllen zu müssen beziehungsweise zu wollen.
Synonyme für Pflichtbewusstsein sind:
- Ethos
- Genauigkeit
- Gewissenhaftigkeit
- Gründlichkeit
- Pflichteifer
- Pflichtgefühl
- Präzision
- Sorgfalt
- Verantwortungsbewusstsein
- Zuverlässigkeit
Bedeutung von Pflichtbewusstsein
Dabei ist gar nicht unbedingt festgeschrieben, welche Pflichten das sind. Und die Ansichten darüber, wer welche Pflichten hat, gehen gerade bei moralischen Fragen häufig auseinander. Bestes Beispiel ist hier die Natur: Fühlt sich jeder verantwortlich dafür?
Die Antwort ist nein. Manche verweisen auf Politiker oder die Generationen davor, die durch ihre Verantwortungslosigkeit zur Verschmutzung beigetragen haben. Und natürlich hat der einzelne Mitbürger keine Schwerindustrie in seinem Garten stehen, mit der er Wässer verunreinigt.
Aber das eigene Verhalten – beispielsweise in Fragen der Mülltrennung, Kauf von nachhaltigen Produkten oder regional produzierten Lebensmitteln – wird häufig nicht in Frage gestellt. Stattdessen denken viele nicht an die Konsequenzen ihres Verhaltens, sondern schauen lediglich, wie es ihnen selbst geht. Solange sie nicht direkt betroffen sind, machen sie sich frei von Verantwortung.
Dass Konsequenzen nicht beachtet werden, führt dann auch zum Antonym von Pflichtbewusstsein, nämlich Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Verantwortungslosigkeit.
Andererseits wird keiner leugnen wollen, dass Pflichtbewusstsein in vielen Fällen unerlässlich ist, etwa als Eltern seinen Kindern gegenüber, als Tierhalter, aber natürlich auch am Arbeitsplatz. Dort zeigt es sich, wenn die Aufgaben sorgfältig und diszipliniert erledigt werden.
Dass es sich dabei nicht nur um eine altmodische und puren Altruismus handelt, wird spätestens dann ersichtlich, wenn man sich die Konsequenzen von gewissenlosem Verhalten bewusst macht: Nicht eingehaltene Deadlines verärgern den Kunden.
Dem Kollegen zugesagte, jedoch nicht erledigte Aufgaben bringen ihn in die Bredouille und können auch Ihr kollegiales Verhältnis nachhaltig belasten. Wenn man dieses Spiel zu Ende spielt, steht am Ende einer Kette schlimmstenfalls der Jobverlust.
Pflichtbewusstsein als Persönlichkeitsmerkmal
Pflichtbewusstsein – hier Gewissenhaftigkeit genannt – ist auch eins der Persönlichkeitsmerkmale des sogenannten Big Five, dem Fünf-Faktoren-Modell in der Persönlichkeitspsychologie.
Demnach handeln pflichtbewusste Menschen besonders…
- effektiv
- organisiert
- planend
- sorgfältig
- überlegt
- verantwortlich
- zuverlässig.
Diese Eigenschaften sind natürlich nicht nur in der Arbeitswelt, sondern überhaupt im zwischenmenschlichen Bereich sehr positiv, denn so jemand demonstriert Verbindlichkeit, legt sich fest. Das macht es auch seinem Gegenüber einfacher, ihn einzuschätzen und seinerseits entsprechend zu planen.
Mal ehrlich, wem würden Sie lieber Ihr brandneues, heiß geliebtes Auto anvertrauen wollen? Doch wohl einer Person, die diese Kriterien erfüllt. Oder Sie suchen einen Babysitter: Auch hier ist die Antwort klar.
Mit der Ausprägung dieses Persönlichkeitsmerkmals werden vor allem Selbstkontrolle, Genauigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zielstrebigkeit in Verbindung gebracht. Allesamt Eigenschaften, die maßgeblichen Einfluss auf den späteren beruflichen Erfolg haben können.
Im Gegensatz dazu erscheinen weniger gewissenhafte Menschen häufig als unbekümmert und spontan; bei starker Ausprägung auch sehr impulsiv.
Kann man zu pflichtbewusst sein?
Wenn diese ganzen guten Eigenschaften mit Pflichtbewusstsein einhergehen, dann sollte das doch das Nonplusultra sein, oder?
In einem höchst umstrittenem Experiment versuchte 1961 der amerikanische Psychologe Stanley Milgram zu demonstrieren, wie ganz normale Personen autoritäre Anweisungen auch dann befolgen, wenn sie in direktem Widerspruch zu ihrem Gewissen stehen.
Dazu wurde das Experiment mit einem Teilnehmer in der Rolle des Lehrers und einem vermeintlichen Teilnehmer (in Wirklichkeit der Assistent des Versuchsleiters) in der Rolle des Schülers gestellt. Der „Schüler“ musste Assoziationspaare auswendig lernen.
Aufgabe des „Lehrers“ war nun, den in einem Nebenraum befindlichen „Schüler“ mittels Stromschlägen zu bestrafen, wenn der eine Falschaussage tätigte. Sowohl Versuchsaufbau als auch ethische Aspekte des Experiments wurden anschließend scharf kritisiert, obwohl der „Schüler“ zu keinem Zeitpunkt wirklichen Stromschlägen ausgesetzt war.
Milgrams Experiment konnte jedoch eindrucksvoll zeigen, dass mit 62 Prozent die überwiegende Mehrheit seiner Versuchspersonen (Lehrer) den Forderungen des Versuchsleiters Folge leisteten und bei den vermeintlichen Stromstößen bis zum Maximum gingen.
Das Experiment wurde im Laufe der Jahre häufiger wiederholt, Unterschiede lassen sich weder nach Geschlecht, Alter oder Berufsgruppe festmachen. Letztlich ist festzustellen, dass ein hohes Pflichtbewusstsein offenbar eine gewisse Autoritätsgläubigkeit und damit das Befolgen von Regeln begünstigt, selbst wenn es zum grausamen Nachteil anderer führt.
Durch sozialen Druck von Autoritäten schalten pflichtbewusste Menschen ihre eigenen Bedenken aus und handeln sogar wider ihrer eigenen Werte und Normen.
Pflichtbewusstsein bei der Arbeit
Dass Pflichtbewusstsein mehr als förderlich für die berufliche Karriere ist, belegt auch eine Studie von Terrie E. Moffitt von der Duke University in Durham, North Carolina, und seinen Kollegen.
Darin wurden 1.000 Teilnehmer von ihrem dritten bis zum 32. Lebensjahr begleitet. An die notwendigen Informationen gelangten die Forscher durch Beurteilungen von Eltern, Lehrern und später ebenfalls aus institutionellen Quellen.
Um sicherzustellen, dass keine anderen Faktoren als tatsächlich die Persönlichkeitsmerkmale Einfluss auf die Ergebnisse nehmen, wurden außerdem der Intelligenzquotient und die soziale Herkunft der Studienteilnehmer bei der Auswertung berücksichtigt.
Es zeigte sich, dass diejenigen Teilnehmer mit ausgeprägt geringer Selbstkontrolle im Alter von drei Jahren auch später ungünstig auffielen:
- Gesundheitliche Probleme: Bei den Versuchsteilnehmern wurde Übergewicht, sexuell übertragbare Erkrankungen und Zahnprobleme festgestellt.
- Gesellschaftliche Probleme: Häufig hatten die Teilnehmer mit Drogenproblemen zu kämpfen. Auch Kriminalität und Verschuldung war Bestandteil ihrer Biographie.
- Berufliches Vorankommen: Ungewollte Schwangerschaften und eine hohe Quote an Schulabbrechern waren ebenfalls typisch für die Teilnehmer.
Allerdings konnten die Forscher ebenfalls feststellen, dass es sich hier keineswegs um ein unentrinnbares Schicksal handelt, denn die Selbstkontrolle und damit die späteren beruflichen Perspektiven lassen sich beeinflussen. So verbesserten einige Studienteilnehmer im Laufe ihres Lebens ihre Selbstbeherrschung.
Dementsprechend erfolgreicher waren sie später und dementsprechend positiv fiel die spätere Bewertung aus. Dies lässt mit Blick auf gesellschaftlich erwünschtes Verhalten den Rückschluss zu, dass Programme mit Konzepten zur Selbstbeherrschung wünschenswert wären.
Das wäre nicht nur präventiv mit Blick auf die kriminelle Karriere mancher Menschen, sondern förderlich fürs Selbstwertgefühl.
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