Der erste Eindruck zählt, ist aber oft falsch
Der erste Eindruck zählt und prägt. Verantwortlich dafür ist vor allem der sogenannte Primäreffekt (engl. Primacy-Effect). Entdeckt wurde der von dem US-Psychologen Solomon Asch schon 1946. Asch erkannte, dass zuerst erhaltene Informationen oder Eindrücke von unserem Gehirn besonders stark gewichtet und im Gedächtnis fest verankert werden. Der erste Eindruck prägt unsere Bewertung beharrlich und anhaltend.
Binnen einer Zehntelsekunde machen wir uns ein Bild von einem Menschen oder verbinden mit der Person auf Anhieb eines unserer vielen Vorurteile: Schublade auf, Mensch rein, Schublade zu. Die Welt kann so einfach sein… In Wahrheit ist sie aber anders
Der zweite Eindruck hält länger
Der zweite Eindruck sagt viel mehr über die Persönlichkeit eines Menschen aus. Davon ist zum Beispiel der Osnabrücker Persönlichkeitsforscher Julius Kuhl überzeugt. Es gebe Menschen, die schüchtern oder hochsensibel sind und deshalb anfangs unsouverän oder unsympathisch wirken. Diese Menschen machen beim ersten Kennenlernen selten eine gute Figur – dafür aber vielleicht beim zweiten.
Erst wenn wir Menschen häufiger begegnen, uns eine Weile mit ihnen beschäftigen oder gar mit ihnen zusammenarbeiten, bekommen wir ein rundes Bild, das bleibend ist und auch mehr der Wirklichkeit entspricht. Es ist eher der zweite Eindruck, der zählt und prägen sollte. Mehr noch: Wahre Menschenkenntnis entwickelt sich erst auf den zweiten Blick.
Wie hinterlässt man einen guten zweiten Eindruck?
Damit aus dem zweiten ein bleibender Eindruck wird, muss es mehr unter die Oberfläche gehen, an die Substanz. Das erste Kennenlernen, der erste Smalltalk werden von Äußerlichkeiten und Förmlichkeit bestimmt. Es geht dabei um grundsätzliche Sympathie, das Auftreten und Erscheinungsbild.
Beim Zweiteindruck müssen Sie beweisen, dass sich die Beziehung zu Ihnen lohnt. Wer beim zweiten Eindruck gut abschneidet, ist eben keine flüchtige Bekanntschaft mehr – wir adeln sie oder ihn zum potenziellen Geschäftspartner, Ratgeber, Vertrauten, Freund… Das aber machen wir nur bei Menschen, die ein echtes Interesse an uns zeigen. Zum Beispiel so…
1. Erwähnen Sie Gemeinsamkeiten
Hören Sie Ihrem Gegenüber von Anfang an gut zu und merken Sie sich Details – zum Beispiel die Vornamen der Kinder, das letzte Urlaubsziel oder ein Hobby. Die Kunst ist, anschließend Gemeinsamkeiten zu finden und zu betonen. Das verbindet nicht nur, sondern schafft gegenseitiges Vertrauen.
Umgekehrt sollten Sie ebenfalls mehr von sich preisgeben. Das macht latent verletzlich, ja. Die Offenheit ist aber essenziell für eine starke Bindung und einen guten zweiten Eindruck. Sie müssen deswegen keinen Seelenstriptease hinlegen – ein erster Schritt, ein kleines Geständnis wirkt schon aufrichtig, authentisch und vertrauensbildend. Aber bitte nicht labern, sonst verspielen Sie die zweite Chance.
2. Stellen Sie gute Fragen
Echtes Interesse an uns spüren wir intuitiv. Woran wir das festmachen, sind meist kluge Fragen. Natürlich sollten die nicht gleich indiskret werden, aber eben auch nicht mehr oberflächlich sein. Der Schlüssel dafür ist aktives Zuhören: Hören Sie nicht nur hin oder zu, sondern stellen Sie immer wieder Rückfragen oder haken Sie im Gespräch nach. Umgangssprachlich würde man sagen: „Bohren Sie nach“ – nur bitte ohne bohren! Es ist ja ein Gespräch, kein Verhör.
Studien zeigen: Wir empfinden Gespräche dann als besonders anregend und wertvoll, wenn wir selbst den größeren Redeanteil hatten. Das spricht zwar eher für den Narzissmus in uns allen, lässt sich aber für den zweiten Eindruck nutzen: Indem Sie Fragen stellen und so immer wieder Ihr Interesse am anderen unterstreichen, gewinnen Sie ebenfalls mehr Sympathien und Vertrauen.
3. Verlassen Sie rechtzeitig die Bühne
Kaum etwas hinterlässt einen schlechteren Eindruck als jemand, der die eigene Zeit verschwendet. Wir reden hier ja immer noch über die zweite Annäherung, das erste bessere Kennenlernen. Womöglich setzt der zweite Eindruck auch unmittelbar nach dem ersten ein. In dem Fall ist es entscheidend, nicht nur ein gutes und gehaltvolles Gespräch zu führen, sondern auch einen gelungenen Absprung zu finden, wenn es nicht mehr besser werden kann.
Hierbei hilft leider nur Empathie: Sensible Menschen mit gutem Einfühlungsvermögen spüren, wenn es Zeit wird, zu gehen. Sie haben ein Gespür und gute Antennen dafür, wenn sich ihr Gegenüber beginnt zu langweilen oder alles Wichtige gesagt ist. Spätestens dann wird es Zeit, die Bildfläche zu verlassen – erst dadurch kann sich der zweite Eindruck manifestieren.
Wie das geht? Ganz einfach: Zeigen Sie Dankbarkeit für die Begegnung und das Gespräch. Drücken Sie aus, dass Sie sich gerne wieder treffen würden oder fragen Sie nach, ob Sie den Kontakt in den nächsten Tagen noch einmal suchen dürfen – und dann gehen Sie. Der Rest ist Schweigen…
Was tun, wenn ich den ersten Eindruck vergeigt habe?
Auch das kommt vor. Womöglich haben Sie einen schlechten Witz erzählt. Oder Sie wollten die Stimmung auflockern und haben stattdessen in einen Fettnapf getreten. Peinlichkeiten passieren…
Fehltritte haben leider die unangenehme Nebenwirkung, alles andere zu überschatten. Auch hierbei wirkt wieder einer dieser Psychoeffekte: der sogenannte Horn-Effekt. Was Sie jetzt tun können, um die Situation zu retten und die Chancen für einen zweiten Eindruck zu steigern:
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Initiative ergreifen
Bei kleineren Fauxpas‘ können Sie die Situation auch einfach mit Humor überspielen. Haben Sie aber zum Beispiel ein Kompliment gemacht, das bei Ihrem Gegenüber anzüglich ankam und Sie spüren das, müssen Sie handeln und in die Metaebene wechseln: Verbalisieren Sie Ihren Eindruck: „Ich spüre gerade, das kam bei Ihnen ganz anders an, als es gemeint war…“ So beweisen Sie im zweiten Anlauf mehr Empathie.
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Sofort entschuldigen
Weil sich der erste Eindruck nachhaltig manifestiert, muss auch Ihre Reaktion umgehend erfolgen. Bei schwerwiegenden Fehltritten sollten Sie sich deshalb nicht nur sofort entschuldigen, sondern auch gleich Wiedergutmachung anbieten. Das kann bedeuten, dass den entstandenen Schaden begleichen, einen Drink ausgeben oder Ihre Aussage umgehend revidieren und als das bezeichnen, was es war: Blödsinn.
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Erklärung finden
Was auch hilft, ist, den Fauxpas zu erklären. Wohlgemerkt: erklären, nicht rechtfertigen! Erzählen Sie zum Beispiel, dass Sie gerade emotional aufgewühlt waren, einen schlechten Tag oder wenig Schlaf hatten und daher einfach übers Ziel hinaus geschossen sind. Kommt vor, wir alle stehen mal mit dem falschen Bein auf. Beschönigen Sie aber nichts, sondern appellieren Sie an die menschliche Fehlbarkeit in uns allen und die Fairness Ihres Gesprächspartners. Damit sind Sie übrigens schon mitten im zweiten Eindruck!
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