Psychologie der Impressionen: Der erste und der Eindruck zählen
Wie du kommst gegangen, so wirst du empfangen, lautet ein altes Bonmot. Der erste Eindruck zählt. Der Einfluss des ersten Eindrucks auf die Einschätzung von Menschen spiegelt sich auch in dem englischen Bonmot wider: You never get a second chance to make a first impression. Das stimmt auch weiterhin. Schließlich taxieren wir innerhalb der ersten 100 Millisekunden unser Gegenüber genau, nehmen sein Aussehen, die Kleidung, das Verhalten wahr und machen uns ein Bild von dieser Person.
Wir entscheiden innerhalb kürzester Zeit über Sympathie oder Abneigung. Und ist jemand erst einmal in einer Schublade drin, kommt er so leicht auch nicht mehr da heraus.
Wahr ist aber auch: Der erste Eindruck zählt, der letzte Eindruck bleibt.
In der Psychologie ist das Phänomen des letzten Eindrucks auch als Rezenzeffekt (oder Primacy-Recency-Effekt) bekannt: In Unterhaltungen erinnern wir uns vor allem der letztgenannten Aspekte. Fachleute sprechen in dem Zusammenhang auch vom bleibenden Eindruck.
Verantwortlich dafür ist unser Kurzzeitgedächtnis. Es sorgt dafür, dass wir den zuletzt erfassten Informationen aufgrund der besseren Erinnerungsfähigkeit ein stärkeres Gewicht beimessen.
Entsprechend wirkt sich der letzte Eindruck in allen Beurteilungsszenarien aus. Vor allem bei nachträglicher Beurteilung lässt sich dies beobachten. Das Kurzzeitgedächtnis kann diese Informationen dann leichter abrufen.
Ein Beispiel hierfür sind Leistungsbewertungen (im Sport oder Job), die sich in ihrem Urteil an kürzlich erbrachten Erfolgen oder Fehlern orientieren. Der (negative) letzte Eindruck überstrahlt dann selbst anfängliche Erfolge.
Nun gibt es verschiedene Szenarien, in denen Sie dem letzten Eindruck größere Aufmerksamkeit schenken sollten. Diese listen wir im Folgenden auf und geben Ihnen jeweils dazu einige Tipps und Empfehlungen an die Hand…
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Der letzte Eindruck im Vorstellungsgespräch
Im Vorstellungsgespräch geht es darum, sich gut zu verkaufen: Sie präsentieren sich dem potenziellen Arbeitgeber so, dass Sie der Stellenausschreibung möglichst nahe kommen. Sie haben viel Zeit und Energie in Ihre Bewerbung gesteckt und offensichtlich haben Sie einiges zu bieten, dass für das Unternehmen interessant ist. Sonst säßen Sie nicht dort.
Der erste Eindruck wird durch viele Faktoren geprägt, die Bestandteil der sogenannten nonverbalen Kommunikation sind:
- Ihr Erscheinungsbild – also Kleidung, Statur, Aussehen
- Ihre Körpersprache – also Haltung, Gang, Mimik, Gestik
- Ihre Sprache – also Wortwahl, Sprechtempo, Intonation und Lautstärke
Auch wenn Dinge wie der Habitus schwer in Worte zu kleiden sind, so zählt auch das in weiten Teilen zu den Äußerlichkeiten, die uns dabei helfen, jemanden einzuordnen.
Das bedeutet aber auch, dass diese Äußerlichkeiten dazu beitragen, ob wir uns für oder gegen jemanden entscheiden. Das mag Ihnen oberflächlich erscheinen. Sie können es bei Ihrem Gegenüber aber auch nicht verhindern.
Wer sein Vorstellungsgespräch gut vorbereitet, wird einen Großteil der Erfordernisse abdecken. Dennoch bleibt bei den meisten Bewerbern bis zum Schluss eine gewisse Grundnervosität bleiben.
Genau das sollte Sie bitte nie dazu verleiten, zum Schluss einen großen Fehler zu begehen: dies kundzutun. Sätze wie…
- Ich war heute ganz schön nervös.
- Bei der zweiten Frage kam ich richtig ins Schwitzen.
- Ist ja gut gelaufen. Aber jetzt bin ich froh, dass es vorbei ist.
…wirken selbstzerstörerisch bis entlarvend. Gerade noch waren Sie der souveräne Kandidat, eine potenzielle Bestbesetzung. Doch mit dem letzten Eindruck schrumpfen Sie zum nervösen Selbstdarsteller, der kaum belastbar ist und obendrein eine allzu lockere Zunge hat. Nix kompetente Persönlichkeit mit klarem Kopf, sondern Nervenbündel.
Machen Sie sich stattdessen bewusst: Der letzte Eindruck endet erst, wenn Sie das Gebäude verlassen haben und außer Sicht- und Hörweite sind. Dann können Sie jubeln, dass Sie es überstanden haben und die Hacken zusammenschlagen oder Ähnliches.
Auch wenn das künstlich wirkt: Jeder Personaler will herausfinden, ob der Kandidat auch künftig die Nerven behält – beispielsweise, wenn es um schwierige Kunden oder anderweitig herausfordernde Situationen geht. Und das beweisen viele Bewerber am Schluss – oder auch nicht.
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Der letzte Eindruck bei beruflichen Anlässen
Meetings können zeitaufwendig sein und werden mal mehr, mal weniger produktiv empfunden. Ein vorzeitiger Aufbruch hinterlässt hier einen unguten letzten Eindruck. Wenn der Meeting-Organisator den Zeitplan realistisch entworfen und entsprechende Puffer eingebaut hat, sollte ein reibungsloser Ablauf gewährleistet sein.
Der Moderator, wahlweise der Vorgesetzte oder Meeting-Verantwortliche, hat die Aufgabe, auf die Zeit zu achten und gegebenenfalls das Ende eines Meetings einzuleiten. Denn natürlich haben auch die Meetingteilnehmer Verpflichtungen – seien es Folgetermine oder auch einfach nur die Heimreise, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewerkstelligt werden muss.
Prinzipiell haben Sie das Recht, den Moderator auf Ihre Verpflichtungen hinzuweisen, wenn Sie den Eindruck haben, dass das Ende erreicht wurde und der Moderator sich im Kreis dreht.
Formulierungen wie „Ich sehe, dass unsere Zeit bald um ist und ich nehme den Zug in 30 Minuten. Ist Ihrer Ansicht nach alles besprochen oder brauchen wir noch Zeit für Erläuterungen in einem neuen Meeting?“ sind eine Möglichkeit.
Schwieriger wird es, wenn Ihr Vorgesetzter das Meeting über den eigentlichen Feierabend hinaus dehnt. Hierarchie geht immer vor, denn der Moderator respektive Chef beendet das Meeting. Wer eher gehen muss, braucht gute Argumente.
Der letzte Eindruck ist definitiv schlecht von Ihnen, wenn Sie versuchen das Ende gewaltsam einzuleiten, etwa indem Sie…
- unruhig werden und mit dem Stuhl rutschen.
- geräuschvoll Ihre Unterlagen zusammenpacken und/oder mit dem Nachbarn tuscheln.
- laut seufzend auf die Uhr blicken.
- mit den Augen rollen.
In diesen Fällen kann es sein, dass die Bewertung Ihrer Person unverhältnismäßig stark vom letzten Eindruck geprägt wird: Ein kürzliches Ereignis – der verfrühte Aufbruch aus dem Meeting – gereicht Ihnen dann zum Nachteil.
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Der letzte Eindruck bei Verhandlungen
Vergleichbares gilt für Verhandlungen. Der erste Eindruck entscheidet, ob wir unser Gegenüber sympathisch finden und ihm vertrauen. Nur dann lässt man sich auf ein weiteres Verkaufsgespräch ein. Ansonsten stockt das Gespräch, und auch der letzte Eindruck wird nicht mehr viel retten können.
Aber auch wenn der erste Eindruck gut war, können Sie sich auf den letzten Metern noch alles ruinieren: Der Verhandlungsexperte Matthias Schranner betont, dass die letzten drei Minuten für die Verhandlungstaktik entscheidend sein können.
Manche Verkäufer machen dann den Fehler, vorschnell Kompromisslösungen anzubieten oder zu viele Informationen preiszugeben, die noch nicht mit der Abteilung abgestimmt waren. Das führt dazu, dass der Verhandlungspartner, der bis vor kurzem vielleicht noch ein gutes Gefühl hatte, nun verunsichert wird. Folge: Er steigt aus der Verhandlung aus oder hat zumindest starke Zweifel an Ihnen als Partner.
Für einen gelungenen letzten Eindruck ist es stattdessen besser, das Verhandlungstempo zu drosseln, beispielsweise indem eine Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse präsentiert wird.
Wichtig außerdem: die gemeinsamen Interessen zu betonen. Auch hier gilt: Wenn es zum Vertragsabschluss kommt, keine Siegerpose einnehmen, sondern sich angemessen verhalten – und die gegenseitige Sympathie, das Vertrauen sowie den Vorteil für beide nochmal betonen.
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Der letzte Eindruck beim Abschied
Eine Kündigung erlebt wohl jeder Arbeitnehmer mal in seinem Berufsleben – ob nun als Eigenkündigung oder durch den Arbeitgeber.
Der letzte Eindruck, den Sie hierbei hinterlassen, kann allerdings auch das weitere Berufsleben prägen. Oder wie es so schön heißt: Nach der Kündigung arbeiten Sie nicht mehr für Ihren Chef, sondern für Ihren guten Ruf.
Zudem benötigen Sie vielleicht noch ein gutes Arbeitszeugnis, eine Referenz oder ein Empfehlungsschreiben. Für alle diese für die berufliche Zukunft nicht ganz unwesentlichen Unterlagen ist eine unprofessionelle Trennung im Streit eher hinderlich.
Die drei Grundregeln für einen professionellen Abgang lauten daher:
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Oben beginnen
Selbst wenn die Kollegen schon lange ahnen, dass da was im Busch ist: Wenn Sie kündigen, sagen Sie es dem Chef zuerst. Oder wenigstens der Person, die Sie damals eingestellt hat. Dieser Kollege hat schließlich auch damit begonnen, Vertrauen in Sie zu investieren. Geben Sie dieses Vertrauen zurück – und beweisen Sie so Respekt gegenüber dem Ex-Vorgesetzten in spe. Er sollte nie der Letzte in der Informationskette sein.
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Freundlich verabschieden
Auch wenn Sie sich möglicherweise nicht danach fühlen: In den letzten Tagen noch einmal wütend mit den Kollegen über den fiesen Chef zu lästern, ist keine gute Idee. Bleiben Sie im Büro stets freundlich und respektvoll. Auch wenn Sie sich jetzt wie befreit fühlen – frei von Anstandsregeln sind Sie nicht. Selbst wenn in der Abteilung klimatischer Permafrost herrscht und Sie nur wenige Gemeinsamkeiten haben, sollten Sie nicht auf eine formvollendete Verabschiedung verzichten.
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Kurz nachhaken
Drei bis vier Monate nachdem Sie Ihren bisherigen Arbeitgeber verlassen haben, sollten Sie die Ex-Kollegen (oder Ihren Nachfolger) noch einmal kurz besuchen oder anrufen und sich erkundigen, ob alles gut läuft. Nicht, weil Sie so wichtig und unersetzbar wären, sondern weil Sie Ihren Job genauso sorgfältig beenden, wie Sie ihn ausgeübt haben. Und weil man Sie als Profi in Erinnerung behalten soll.
Spätestens mit der Kündigung setzt ein Prozess ein, in dem Sie innerlich mit dem jetzigen Arbeitgeber und Ihrem Job abschließen. Sie stellen sich mental auf die Veränderungen und die neuen Herausforderungen ein, die die neue Arbeitsstelle mitbringen wird.
Das ist zwar vorausschauend, sollte Sie aber nicht vergessen lassen, dass Sie zurzeit noch auf der Gehaltsliste des bisherigen Arbeitgebers stehen. Und solange der Sie bezahlt, gehört ihm auch Ihre volle Konzentration auf die noch vorhandene tägliche Arbeit und den Abnabelungsprozess.
Arbeiten Sie also auch an daran, dass der letzte Eindruck nicht eine bis dato tadellose Reputation beschädigt. Denn leider hallt ein mieser Abgang oft länger nach als zehn gute Jahre mit Spitzenleistungen. Die folgenden Tipps helfen Ihnen dabei, die Contenance zu wahren und ganz Profi zu bleiben:
Wenn Ihr Vorgesetzter Sie zum Beispiel in einem Exit-Gespräch nach den Gründen für Ihre Kündigung fragt, ist die Wahrheit nur bedingt zum empfehlen. Ganz und gar tabu ist eine große Abrechnung und ein Rundumschlag, Motto: Was Sie alles falsch machen… Halten Sie sich also bedeckt und verweisen Sie lieber auf die herausfordernde Tätigkeiten beim neuen Arbeitgeber, auf die Entwicklungsmöglichkeiten oder veränderte Interessen.
Man sieht sich immer zweimal im Leben. Und auch wenn eine zweite Begegnung vielleicht unwahrscheinlich ist: Ihr neuer und Ihr alter Chef kennen sich vielleicht, begegnen sich auf Kongressen oder auf dem Golfplatz und Sie könnten dann Thema sein. Besser also, Sie hinterlassen keine verbrannte Erde.
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