Definition: Was ist ein Interessenkonflikt?
Ein Interessenkonflikt beschreibt eine Situation, in der sich widerstrebende Interessen gegenüberstehen. Es besteht die Gefahr, dass eine Aktion sich aufgrund organisatorischer oder ethischer Gründe nicht ausführen lässt, da sie im direkten Widerspruch zu anderen Zielen steht. Interessenkonflikte begegnen uns im Alltag und Berufsleben ständig. Der Ethikprofessor Dennis F. Thompson hat als Beispiel den Interessenkonflikt für die Medizin formuliert. Seine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Definition dient häufig als Erklärung:
A conflict of interest is a set of conditions in which professional judgment concerning a primary interest (such as a patient’s welfare or the validity of research) tends to be unduly influenced by a secondary interest (such as financial gain).
[Zu Deutsch: Ein Interessenkonflikt ist eine Reihe von Bedingungen, unter denen das berufliche Urteilsvermögen in Bezug auf ein primäres Interesse (zum Beispiel das Wohlergehen eines Patienten oder die Validität der Forschung) dazu neigt, durch ein sekundäres Interesse (zum Beispiel finanziellen Gewinn) unangemessen beeinflusst zu werden.]
Unterscheidung in primäre und sekundäre Interessen
Thompson zufolge existiert ein Interessenkonflikt in dem Moment, wo das Risiko einer Beeinflussung besteht. Er unterscheidet dabei zwischen primären und sekundären Interessen. Primäres Interesse bezeichnet das ursprüngliche Anliegen eines Auftrags oder einer Arbeitshandlung.
Im Falle eines Arbeitgebers liegt das beispielsweise in der Erledigung der anfallenden Arbeit, der Zufriedenstellung seiner Kunden, Lösung auftauchender Probleme. Nebendem ist ihm daran gelegen, dass sein Mitarbeiter selten ausfällt, sei es beispielsweise durch Krankmeldung, Urlaub oder Schwangerschaft. Sekundäre Interessen können finanzieller oder immaterieller Natur sein, beispielsweise der Wunsch nach…
- Anerkennung
- Geld
- Macht
- Status
- Unterstützung
Problematisch ist diese Situation deshalb, weil durch die entgegengesetzten Interessen Entscheidungen oftmals nicht mehr nach objektiven Kriterien getroffen werden. Sie laufen außerdem den primären Interessen zuwider. Schmiergeldzahlungen und Korruption sind Tür und Tor geöffnet. Vermeidbar ist dies, wenn sämtliche Parteien ihre Interessen transparent offenlegen und die Punkte benennen, an denen Konflikte denkbar sind.
Beispiele für Interessenkonflikte in unterschiedlichen Bereichen
Interessenkonflikte können sich vielfach ergeben, beispielsweise…
In der Politik
Neben der Amtsausübung als Politiker kommt es zu einer Tätigkeit im Aufsichtsrat eines Wirtschaftskonzerns. Die Grenzen zwischen dem Hauptberuf und der Tätigkeit als Lobbyist verschwimmen. Auch den Wechsel zu so einem Job nach der politischen Tätigkeit beäugen viele kritisch. Organisationen und Vereine wie Lobbywatch fordern daher beispielsweise eine Karenzzeit von zwei bis drei Jahren.
In der Medizin
Eine zu enge Zusammenarbeit zwischen Pharmaunternehmen und Ärzten, die dann bevorzugt auf ein bestimmtes Präparat bei Verschreibungen zurückgreifen. Oder ein Pharmaunternehmen finanziert Forschungen, die dem Arzt Renommee und andere Vorteile durch seine Publikationstätigkeit ermöglichen, jedoch für das Pharmaunternehmen ein möglichst positives Ergebnis beinhalten sollen. Ein anderes Beispiel für einen Interessenkonflikt in der Medizin kann bei Krankenhäusern der Zwang zur Wirtschaftlichkeit sein. Der führt zu häufigeren Operationen. So ist zum Beispiel in den letzten Jahren die Anzahl an Kaiserschnitten signifikant gestiegen.
In juristischen Fällen
Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) hält in § 43a fest, dass Anwälte keine Bindungen eingehen dürfen, die ihre Unabhängigkeit gefährden. Ferner dürfen sie keine widerstreitende Interessen vertreten. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Anwalt in einer Angelegenheit sowohl den Kläger als auch den Beklagten vertritt.
Im Finanzwesen
Ein Interessenskonflikt bei Banken ist vorhanden, wenn Mitarbeiter und Vermittler eine erfolgsbezogene Vergütung erhalten. Provisionen, die bei Abschluss bestimmter Verträge gezahlt werden und der Zugang zu Insiderwissen fördern ebensolche Probleme. Banken begegnen dem, indem sie beispielsweise Informationsbarrieren einrichten oder Zuständigkeiten trennen.
Vitamin B: Interessenkonflikt in Unternehmen
Interessenkonflikte ergeben sich auch am Arbeitsplatz. Zum Beispiel, wenn ein Arbeitgeber bei der Beförderung einen Mitarbeiter bevorzugt, mit dem er privat befreundet ist, obwohl ein anderer über die gleichen oder sogar besseren Qualifikationen verfügt. Genau aus diesem Grund können sich Freundschaften verändern, wenn ein Kollege zum Chef wird. Beziehungen am Arbeitsplatz bergen daher Konfliktpotenzial, wenn es ein Hierarchiegefälle gibt. Die Abhängigkeit der einen Person von der anderen lässt schnell den Verdacht der Bevorzugung entstehen. Treffen Verantwortliche allein aus Sympathie oder Verpflichtungsgefühlen Entscheidungen, kann das den Erfolg eines Unternehmens gefährden.
Viele kennen vermutlich Fälle aus ihrem weiteren Bekanntenkreis, wo Vitamin B zu einem Arbeitsplatz verholfen hat. Ein Interessenkonflikt liegt vor, wenn ein Unternehmen fachlich inkompetentere Personen einstellt oder auf teurere Lösungen zurückgreift. Zusätzlich zu diesem Schaden kommt der Ärger von Kunden und der Reputationsverlust, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das Unternehmen einen Interessenkonflikt bewusst zugunsten sekundärer Interessen ignoriert hat. Der wirtschaftliche Schaden durch einen Interessenkonflikt kann sich ausbreiten, wenn er nicht gelöst wird. Ein Unternehmen etwa, das nach außen auf fair gehandelte Produkte Wert legt, gleichzeitig aber seine Mitarbeiter deutlich unter Tariflohn beschäftigt, wird mit starken Imageverlust und entsprechenden Einbußen zu rechnen haben.
Interessenkonflikt durch Compliance entgegenwirken
Unternehmen versuchen Interessenkonflikte so gut wie möglich auszuschließen, etwa mit Blick auf Interna, die bei der Konkurrenz verwendet werden können. Hier ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot eine Möglichkeit. Das kann einem Arbeitnehmer zum Beispiel im Falle einer Abwerbung durch einen anderen Arbeitgeber in derselben Branche eine Tätigkeit für die nächsten zwei Jahre untersagen. Eine weitere Möglichkeit sind Compliance-Maßnahmen. Ein Unternehmen stellt verschiedene Grundsätze und Regeln auf, die Mitarbeitern dabei helfen, Interessenkonflikte und Regelverstöße zu erkennen beziehungsweise zu verhindern.
- Prävention
An erster Stelle steht die Verhinderung eines Interessenkonfliktes. Dafür müssen sämtliche Arbeitsbereiche auf potenzielle Gefahrenbereiche untersucht werden. Eine große Rolle spielt hier die Identifizierung dieser Gefahren, das heißt, werden solche Bereiche für einen Interessenkonflikt erkannt, müssen sie auch benannt werden. - Sensibilisierung
Um mögliche Interessenkonflikte zukünftig zu vermeiden, muss das Unternehmen das Verständnis der Mitarbeiter dafür in Schulungen wecken. Es muss die erarbeiteten Richtlinien klar kommunizieren. Hierbei kommt Führungskräften eine Vorbildfunktion zu. - Vorgaben
Genaue Regeln beschreiben Situationen, in denen Interessenkonflikte auftreten können und geben verständliche Handlungshinweise. Die Firma muss für Zuwendungen und Geschenke strenge Kriterien einführen, wann und unter welchen Bedingungen sie zulässig sind und wann nicht. Handeln Mitarbeiter diesen Vorgaben zuwider, müssen sie mit entsprechenden Disziplinarmaßnahmen rechnen. - Transparenz
Das Unternehme führt verschiedene Offenlegungs- und Genehmigungsvorschriften ein, welche die Mitarbeiter beispielsweise bei außerbetrieblichen Geschäftsaktivitäten beachten müssen. Mitarbeiter könnten durch einen Verhaltenskodex verpflichtet sein, Rechenschaft über mögliche Interessenkonflikte abzulegen. - Trennung
Getrennte Zuständigkeitsbereiche und verschiedene Kontrollmechanismen ermöglichen eine bessere Einhaltung der Compliance-Maßnahmen. Sie dienen ebenfalls der Prävention von Interessenkonflikten. Denkbar ist beispielsweise, dass grundsätzlich nicht nur eine Person Entscheidungen trifft, etwa wenn es um Einstellungen oder Bewilligung von Aufträgen geht. Die Gefahr, dass persönliche Interessen die Firmeninteressen überlagern, ist dann deutlich geringer.
Verhalten bei existierendem Interessenkonflikt
Kommunikation ist das A und O in nahezu allen Bereichen. Das bedeutet, dass eine offen Unternehmenskultur vorhanden sein muss. Der Arbeitgeber sollte seine Mitarbeiter ermutigen, potenzielle Konflikte zu benennen. Geschieht das aus Angst vor negativen Auswirkungen nicht, dann sind oben geschilderte Konsequenzen die Folge.
Liegt für den Arbeitnehmer ein klar erkennbarer Interessenkonflikt vor, muss er wissen, an wen er sich zu wenden hat. Kommuniziert ein Unternehmen solche Regeln unklar, kann das zur Folge haben, dass Mitarbeiter die Interessenkonflikte beiseite schieben. Kennen sie hingegen ihren Ansprechpartner, lassen sich potenzielle Konflikte rechtzeitig lösen. Das stärkt nicht nur das Vertrauen der Kunden und trägt zur Zufriedenheit bei. Auch die Mitarbeitermotivation nimmt zu, wenn Verantwortlichkeiten klar erkennbar sind.
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