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Fuckup Nights: Scheitern als Spaß?

Wer scheitert, hat einen oft schweren Stand. Darüber redet man nicht gerne, lieber werden die Erfolge in den Vordergrund gerückt. Fuckup Nights machen es genau anders herum. Als Junggründer ein Unternehmen an die Wand gefahren? Durch eine unbedachte Äußerung in der Öffentlichkeit einen Shitstorm auf den Social-Media-Kanälen seines Arbeitgebers losgetreten? Oder einen Studiengang nach dem anderen hingeworfen? Wer solche Erfahrungen gemacht hat, kehrt sie lieber unter den Teppich. Sie gelten als schwarze Flecken auf der Weste. Bei den Fuckup Nights machen Betroffene hingegen aus ihren Tiefschlägen eine Show. Scheitern als Spaß präsentieren sie dabei indes nicht…



Fuckup Nights: Scheitern als Spaß?

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Auf Fuckup Nights Fehlern eine Bühne bieten

Nur die wenigsten Geschäftsideen fallen auf fruchtbaren Boden. Doch davon weiß kaum jemand etwas. Denn berufliches Scheitern gilt als Tabu. Anders ist das bei den Fuckup Nights. To fuck up bedeutet umgangssprachlich im Englischen so viel wie vermasseln.

Fuckup Nights drehen sich also den ganzen Abend lang um Dinge, die so richtig vergeigt wurden. Hier präsentieren beruflich Gescheiterte ihre persönlichen Misserfolgserlebnisse auf der Bühne.

Doch nicht, um den Voyeurismus des Publikums zu befriedigen. Mit ihren ehrlichen Geschichten beschleunigen sie die Lernerfolge anderer. Gleichzeitig tun sie auch etwas für die eigene Psychohygiene.

Themen des Abends sind klassischerweise:

  • In welchen Projekten lief was schief?
  • Was würde man heute anders machen?
  • Was wurde gelernt?

Auf diese Fragen liefern jeweils vier Speaker bei den Fuckup Nights ihren gespannten Zuhörern Antworten. Viele von ihnen kommen, weil sie aus den Fehlern lernen wollen, andere schätzen die launige und lockere Atmosphäre bei den Veranstaltungen.

Das Konzept hinter Fuckup Nights

Das Konzept der Fuckup Nights kommt ursprünglich aus Mexiko. Ein paar Freunde unterhielten sich eines Abends im Jahre 2012 über ihre unternehmerischen Erfahrungen – besonders über die Fehler, die ihnen unterlaufen waren. Sie merkten rasch, wie wertvoll und fruchtbar der Austausch war.

Und sie entdeckten vor allem Fettnäpfe, in die viele von ihnen aus ähnlichen Gründen getappt waren. Hätten sie das bloß eher gewusst… Daraus entstand die Idee zu den Fuckup Nights. Warum nicht offen über das ganz persönliche Scheitern sprechen, damit andere nicht in die gleiche Sackgasse rennen?

Ganz offenkundig stand und steht die Gruppe mit ihren Erlebnissen nicht allein. Denn inzwischen gibt es die Veranstaltung in über 30 Städten und zehn Ländern, in Deutschland in Städten wie Frankfurt oder Düsseldorf.

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Umgang mit Versagen eine Kulturfrage?

Besonders in Deutschland wird hart mit Menschen umgegangen, die auf wirtschaftlicher Ebene Fehler begangen haben. Hierzulande ist das Leistungsdenken stark verbreitet, was nicht selten Druck ausübt. Schon die Kleinsten werden danach benotet und früh entscheidet sich, wer nach der Grundschule aufs Gymnasium kommt und wer nicht.

Mittlerweile gibt es viele Wege zum Studium und Erfolg beziehungsweise gut bezahlte Jobs ohne Studium sind ebenso möglich. Dennoch erschwert diese frühe Selektion vielen Menschen das berufliche Vorankommen, da immer wieder andere Bedingungen zusätzlich erfüllt sein müssen.

Platz für Fehler ist da nur wenig. Dieses Leistungsdenken setzt sich häufig in beruflicher Hinsicht fort. So ein Denken kennt auch nur gerade Lebensläufe. Was natürlich Blödsinn ist – Brüche im Lebenslauf sind mittlerweile die Regel.

Wie sollte es auch anders sein? Längst nicht jedes Arbeitsverhältnis mündet in einer Festanstellung, befristete Arbeitsverträge oder berufliche Neuorientierung tragen dazu bei, dass Lücken entstehen und/oder in völlig unterschiedlichen Bereichen gearbeitet wird.

Studie belegt Angst vorm Scheitern

Der Global Entrepreneurship Monitor (GEM) untersucht seit 20 Jahren, wie in verschiedenen Ländern gegründet wird. Die Daten von weltweit bis zu 70 Ländern geben Aufschluss zu den nationalen Gründungsaktivitäten und Rahmenbedingungen.

Im aktuellen GEM-Länderbericht (2018/2019) für Deutschland wurde mit dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover und dem RKW Kompetenzzentrum zusammengearbeitet. Die Ergebnisse für Deutschland resultieren aus 4.248 befragten Bürgern und 53 Gründungsexperten.

Es zeigt sich wie in den Jahren zuvor eine vergleichsweise geringe Gründungsquote. In Zahlen: Die Total early-stage Entrepreneurial Activity (TEA) in Deutschland lag 2018 bei 4,97 Prozent. Diese Quote sagt aus, wer im Alter von 18 bis 64 Jahren seit 2015 ein Unternehmen gegründet hat oder mitten in den Plänen für eine Gründung steckt.

Im Vergleich zu anderen Ländern steht Deutschland relativ schlecht da, Österreich und die Niederlande weisen eine TEA-Quote von über 10 Prozent auf. Das ist insgesamt betrachtet umso überraschender, weil die Chancen auf Unternehmensgründungen in Deutschland viermal häufiger sind als Gründungen aus einer Not heraus – um etwa Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Verbessert hat sich der Wert in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen. Von ihnen gehen die meisten Unternehmensgründungen aus: bei 6,64 Prozent liegt die TEA-Quote. Mit 2,44 Prozent am niedrigsten ist die Quote bei den 55– bis 64-Jährigen (Vorjahr: 3,4 Prozent).

Auch das Geschlecht wirkt sich aus: Deutschlands Männer sind deutlich risikofreudiger als die Frauen. In der Studie heißt es: „Auf eine Gründerin kamen in Deutschland 2018 exakt zwei Gründer.“

Woher kommt die Versagensangst?

Die Antwort auf diese Frage lässt sich sicherlich nicht pauschal beantworten, aber es gibt einige Dinge, die es befördern:

  • Sie sind erfolgsverwöhnt.

    Wer es als Überflieger gewohnt ist, in allen Bereichen zu siegen, tut sich besonders schwer. Dazu gesellt sich im ungünstigsten Fall eine gewisse Hybris: Sie können gar nicht scheitern, weil Sie noch nie gescheitert sind. Bis jetzt eben. Das kann entmutigen.

  • Sie sind perfektionistisch.

    Ähnliches gilt bei Perfektionismus – wer ohnehin schon seine gesamte Energie in etwas steckt, erwartet keine Niederlage und ist umso entsetzter, wenn es doch passiert.

  • Sie trauen sich nichts zu.

    Ebenso kann das Gegenteil von Selbstüberschätzung Menschen davon abhalten, neue Wege zu beschreiten – obwohl sie eigentlich das Zeug dazu hätten. Mangelndes Selbstbewusstsein führt dazu, dass Menschen konstant hinter ihren Möglichkeiten bleiben.

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Mehr Gründergeist wagen

Ansätze zu einer entspannteren und vor allem konstruktiven Fehlerkultur kommen meist aus den USA. Hier „traut man sich“ einfach mehr.

Bestes Beispiel dafür ist die unternehmensinterne Stelle des Intrapreneurs, eines Konzepts des amerikanischen Unternehmers und Autors Gifford Pinchot III und seiner Frau Elizabeth.

Unternehmen brauchen maßgeblich die Ideen, das Engagement und die Risikobereitschaft von Mitarbeitern, die etwas bewirken wollen. Häufig handelt es sich dabei um qualifizierte Mitarbeiter mit dem entsprechenden Mindset, die kurz vor dem Absprung in die Selbständigkeit sind.

Statt diese wertvollen Mitarbeiter und ihr Know-how zu verlieren, werden sie mit allem ausgestattet, das ihnen auch als Selbständiger zur Verfügung stünde – finanzielle Mittel und Entscheidungsgewalt. Natürlich ist das Ganze nicht grenzenlos: Sollten sich die Ideen als Rohrkrepierer erweisen, wird analysiert und gegebenenfalls das Experiment beendet.

Aber: Im Falle des Misserfolgs bleibt ihnen die alte Position vor dem Intrapreneurship und grundsätzlich existiert auf Unternehmensseite eine gewisse Bereitschaft, Fehler in Kauf zu nehmen. Zögerlich setzen auch deutsche Unternehmen diese Möglichkeit ein.

Beispiel für Scheitern im großen Stil

Um welche Geschichten drehen sich die Fuckup Nights? Zum Beispiel um Erfahrungen wie die von Patrick Wagner. Eigentlich fing für ihn alles gut an. In den Neunzigern war Wagner Mitbegründer des Berliner Indie-Labels Kitty-Yo und Kopf der Band Surrogat. 2015 steht er wieder auf der Bühne, allerdings nicht vor frenetisch jubelnden Fans, sondern bei der Fuckup Night. Er erzählt, wie er Millionen in den Sand setzte. Dafür hat er sieben Minuten Zeit.

Die Geschichte im Schnelldurchlauf: Wagners Geschäftspartner und er starteten in den Neunzigern ihr Geschäft – ohne Businessplan, ohne Anwälte, ohne Verträge. Innerhalb weniger Jahre wuchs das Label Kitty-Yo auf 18 Angestellte an – mit einem weltweiten Vertrieb. Eine Erfolgsstory wie sie im Buche steht. Die Company war inzwischen millionenschwer.

Doch Wagner und sein Co-Founder waren sich irgendwann nicht mehr einig über die Zukunft der Firma. Der eine wollte vergrößern, der andere wollte alles belassen, wie es war. Es kam zum Bruch. Wagner ging – ohne einen Cent mitzunehmen: Vertraglich geregelte Anteile hatte er nicht, die er hätte verkaufen können. Und so hatte er durch jugendlichen Leichtsinn ein Millionenvermögen verspielt.

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Katharsis als Nebeneffekt bei Fuckup Nights

Wagner erzählt emotional, lässt alles raus, die Zuhörer hängen gebannt an seinen Lippen, viele von ihnen sind selbst in der Gründungsphase und erfahren von Wagner, wie man es besser nicht machen sollte. Und genau das ist Sinn der Veranstaltungsreihe:

Scheitern als etwas begreiflich zu machen, das jedem passieren kann, aber auch andere davor zu bewahren und zu warnen, was alles schief laufen kann. Nach ihm treten die drei anderen Protagonisten des Abends auf die Bühne und lassen das Publikum an ihren Erfahrungen teilhaben.

Doch nicht nur das Publikum hat mit dem zugewonnenen Wissen etwas von dem Abend. Auch für die Gescheiterten hat er aus psychologischer Sicht durchaus seine Bewandtnis. Experten sprechen von einer Katharsis – einer Reinigung.

Statt die ganzen negativen Gefühle rund um den Misserfolg in sich hineinzufressen und sich zu schämen, wird ein konstruktiver Ansatz gewählt und offen mit den Fehlern umgegangen. Bei so einer Katharsis brechen innere Konflikte heraus und werden verdrängte Emotionen ausgelebt.

Und das ist bei den Fuckup Nights durchaus der Fall. Die Erzählenden werden laut, sind mal leise und dann wieder fast den Tränen nahe. Und natürlich kommt auch eine gehörige Portion Selbstironie nicht zu kurz.

Was die Zuhörer auf der einen Seite so in den Bann schlägt, führt eine Ebene höher auf der Bühne zu einer Reduktion innerer Spannungen. Denn genau das ist es, was passiert, wenn man seinen Gefühlen endlich freien Lauf lässt: Erleichterung macht sich breit.

Das eigene Scheitern wird vom Unausprechlichen zum Benennbaren, vom Tabu zum Thema. Während andere für einen solchen Effekt hinter verschlossen Türen auf einen Sandsack eindreschen, zieht es Leute wie Wagner in die Öffentlichkeit. Umso größer hinterher das Gefühl der Erleichterung: Jetzt wissen es alle, endlich ist es raus. Dieser gedankliche Befreiungsakt kann den Weg für einen Neuanfang ebnen.

[Bildnachweis: bbernard by Shutterstock.com]

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