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Flucht nach vorn: Eine kluge Strategie?

Wer etwas verbockt oder Blödsinn erzählt hat, dem bleiben zwei Optionen: eingestehen und Verantwortung übernehmen – oder die Flucht nach vorn. Leider wählen viele die Variante 2 – auch „Vorwärtsverteidigung“ genannt. Sie leugnen, beharren, wälzen Schuld ab oder gegen gar zum Angriff über. Das mag manchmal wirklich helfen. Die Flucht nach vorn kann aber Vieles auch schlimmer machen. Wann man erkennen sollte, dass man sich verrannt hat…



Flucht nach vorn: Eine kluge Strategie?

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Flucht nach vorn Bedeutung: Bloß nicht klein beigeben!

Flucht nach vorn – das klingt wie ein Widerspruch in sich und ist es genau genommen auch. Eine Flucht bedeutet zunächst, dass sich jemand zurückzieht, vor etwas flieht. Einer körperlichen Attacke oder einem verbalen Angriff. Flucht bedeutet daher auch, dass sich der oder die Betroffene der eigentlichen Situation nicht stellen und keine Verantwortung für das vorherige Handeln übernommen will.

Die Flucht nach vorn ist eine andere Art des Sich-Stellens: Der Fliehende greift hierbei zum Präventivschlag. Durch den Gegenangriff wird versucht, die Situation zu meistern und sich aus der Notlage zu befreien – Motto: „Angriff ist die beste Verteidigung“.

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Flucht nach vorn ist Ablenkungsmanöver

Es ist kein Zufall, dass das Vokabular um diese Vorwärtsflucht aus dem Militär stammt: Ablenkungsmanöver, Angriff, Flucht, Präventivschlag, Strategie oder Verteidigung… Wie bei einem militärischen Einsatz geht es auch hierbei um reines Taktieren: Es geht darum, den anderen zu überrumpeln, „Boden gutzumachen“, sich selbst wieder in eine günstigere Position zu bringen. Die Flucht nach vorn ist eine überraschende Aktion, die das Gegenüber überraschen und aus dem Konzept bringen soll, um so die Kontrolle über eine kritische oder peinliche Situation zurück zu gewinnen. Es ist ein reines Ablenkungsmanöver.

Und zugegeben: Funktioniert das Manöver und ist der rhetorische Coup erfolgreich, kann man damit schon mal seinen Kopf retten oder sich aus der Affäre stehlen. Wahr ist aber auch: Die Flucht nach vorn gelingt selten – jedenfalls in Diskussionen oder beruflichen Konflikten.

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Flucht nach vorn als Strategie?

Ist die Flucht nach vorn also tatsächlich clever? Wenn Sie es mit rhetorischen Anfängern zu tun haben und Ihnen ein kleiner Fehler unterläuft, mag das funktionieren. In den meisten anderen Fällen aber – insbesondere vor Publikum – ist die Flucht nach vorn keine gute Idee. Die Strategie wird zu 99 Prozent durchschaut und macht dann alles nur noch peinlicher. Denn jetzt ist da nicht nur das Scheitern, sondern auch noch jemand, der nicht dazu steht und glaubt, anderen mit billigen und durchschaubaren Ausreden und Manövern abzulenken. Arme Wurst!

Flucht nach vorn oder vor sich selbst?

Noch fataler wirkt die Vorwärtsverteidigung sich selbst gegenüber. Dahinter steckt das Unvermögen oder der mangelnde Wille, für die eigenen Fehler geradezustehen. Nur warum? Oft verrät ein solches Verhalten große Unsicherheit, Minderwertigkeitsgefühle oder gar eine veritable Profilneurose und einen Narzissten. Wer also bei Kritik sofort mit Angriff reagiert und beginnt, Ausflüchte zu finden, sollte sich kritisch hinterfragen, warum das so ist.

Mindestens handelt es sich um eine schädliche Form des Selbstbetrugs. Jeder, wirklich jeder Mensch, macht Fehler. Warum sie sich nicht eingestehen? Das befreit und nimmt Vielem den Druck. Auch den Druck, den Perfektionismus ausübt. Oder der Druck, der durch die Angst vor Ablehnung entsteht.

Verrannt bei der Vorwärtsverteidigung

Überdies besteht bei alledem die Gefahr, dass wir uns völlig verrennen. Ausreden führen zu Lügengeschichten und Widersprüchen, in die sich die Betroffenen immer mehr verstricken. Schlimmstenfalls glauben Sie am Ende wirklich daran. Ein klassischer Fall von Dunning-Kruger-Effekt

Es ist vor allem der eigene Stolz, der diese Menschen davon abhält, Schuld einzugestehen oder einfach einen Denkfehler zuzugeben. Sicher, das ist alles andere als leicht. Betroffene empfinden solche Fehler als Angriff auf ihr Selbstwertgefühl. Doch wächst das Selbstvertrauen eben nicht dadurch, dass wir uns und anderen etwas vormachen, sondern indem wir Größe zeigen und die Souveränität trainieren zur eigenen Imperfektion zu stehen.

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Flucht nach vorn: Fehler erkannt

Andersrum wird ein Schuh daraus: Warum nicht einfach zugeben, dass man falsch lag und erklären, welche Umstände dazu geführt haben? Ohne natürlich nicht gleich wieder auf andere zu zeigen oder Schuld zu delegieren! Im Job könnten Sie zum Beispiel erklären, was Sie benötigen, um Ihre Arbeit künftig besser zu machen. Oder Sie geben zu, wo Sie Nachholbedarf haben und was Ihnen schwerfällt. Womöglich springt dabei sogar eine bezahlte berufliche Weiterbildung heraus…

Die Wahrheit kann ungemein befreiend sein. Mehr noch: Sie wirken dadurch sympathischer. Keiner mag Besserwisser und in dem Moment, in dem Sie Fehler zugeben, zeigen Sie, dass Sie ebenso selbstbewusst wie verantwortungsbewusst sind. Wenn schon eine Art Flucht nach vorne antreten, dann zeigen Sie doch, dass Sie den Fehler und die Situation erfasst und sich Gedanken zur Lösung gemacht haben!

Natürlich kann es im Einzelfall Situationen geben, in denen Sie nicht nachgeben müssen. Zum Beispiel bei falschen Vorwürfen oder ungerechtfertigten Unterstellungen. „Der Klügere gibt nach“, heißt es zwar. Aber wenn Sie – begründet – noch immer überzeugt sind, das Richtige gesagt oder getan zu haben, dürfen Sie das erklären und beibehalten. Es sei denn Sie treffen umgekehrt auf einen Besserwisser. In dem Fall ist jede weitere Debatte zwecklos und pure Lebenszeitverschwendung.

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[Bildnachweis: Jiw Ingka by Shutterstock.com]