Teilnehmer oft unvorbereitet im Meeting
Die gute Nachricht vorneweg: Wenn Sie unvorbereitet in einem Meeting sitzen, sind Sie damit vermutlich nicht alleine. In einigen Betrieben ist es fast unmöglich, jedes Meeting gut vorbereitet anzutreten. Der Grund: Arbeitnehmer werden von einer regelrechten Meetingwelle überrollt. Studien zufolge geht rund die Hälfte der Arbeitszeit vieler Beschäftigter für Besprechungen drauf. Um sich darauf akribisch vorzubereiten, bräuchte es die andere Hälfte obendrauf. Da diese Zeit gebraucht wird, um Projekte tatsächlich voranzubringen, Aufträge abzuschließen und den Kernaufgaben nachzugehen, bleibt schlichtweg keine Zeit.
Unvorbereitet im Meeting zu sein, ist also keine Faulheit oder Böswilligkeit, um den Ablauf zu stören. Es ist vielmehr das Ergebnis der Meetingkultur in vielen Unternehmen. Sinn und Zweck der Teamsitzungen ist, Dinge voranzubringen, zu kommunizieren, zu planen und Resultate zu liefern. Tatsächlich finden sich dort viele Mitarbeiter, die vollkommen oder zumindest teilweise unvorbereitet sind und kaum zum Erfolg des Meetings beitragen können. Ihr einziges Ziel ist, nicht negativ aufzufallen.
6 Tipps, mit denen Sie unvorbereitet durchs Meeting kommen
Unvorbereitet im Meeting? Das birgt das Risiko, dass andere (vor allem der Chef) darauf aufmerksam werden. Das wahrscheinlichste Szenario ist gleichzeitig besonders unangenehm: Ihnen wird eine Frage gestellt, auf die Sie keine Antwort haben. Oder Sie sollen Ihre Meinung zum Thema äußern, die Sie sich nicht bilden konnten, weil Sie nicht den Kontext kennen. Wer dann anfängt, unsicher im Raum umherzublicken, in den Unterlagen zu wühlen oder nach Worten zu ringen, offenbart seine Unkenntnis. Ein guter Eindruck sieht anders aus.
Unvorbereitet im Meeting und trotzdem überzeugend auftreten? Das geht! Als Führungskräftecoach und Unternehmensberaterin kennt Swantje Allmers die Meeting-Situation und das Problem der mangelnden Vorbereitung aus vielen Unternehmen. Die Expertin hat insgesamt sechs Tipps, wie Sie unvorbereitet im Meeting sein und trotzdem durchkommen können:
1. Übernehmen Sie die Moderatoren-Rolle
Die Moderation zu übernehmen, ist die elegante Flucht nach vorn. Denn der Moderator eines Meetings ist der, der auf Struktur und Ablauf achtet und weniger zum Inhalt beisteuern muss. Natürlich sollten Sie wissen, wobei es darauf ankommt. Legen Sie zum Beispiel gemeinsam mit der Gruppe Sinn und Zweck, Agenda und gewünschte Ergebnisse des Treffens fest und führen Sie durch das Meeting, indem Sie aktiv nach der Meinung anderer fragen, Gesagtes zusammenfassen und die nächsten Schritte festhalten.
Hinweis: Als Chef wird man Ihnen die Rolle des Moderators in der Regel ohne Weiteres zugestehen. Auch als Mitarbeiter können Sie diese in vielen Fällen übernehmen, denn oft sind die Beteiligten dankbar, wenn jemand das Wort ergreift. Achten Sie unbedingt darauf, ob dies im jeweiligen Kontext angemessen ist. Andernfalls laufen Sie Gefahr, sich ein Eigentor zu schießen.
2. Wechseln Sie die Ebene
Um Details zu entfliehen, die Sie aufgrund fehlender Vorbereitung nicht kennen, können Sie die Betrachtungsebene wechseln. Lenken Sie den Fokus auf das große Ganze, die Kernfrage des Meetings und die dahinterstehende Intention. Oft gibt es auf dieser Ebene genug, über das noch gesprochen werden muss. Ein Perspektivwechsel, der Sie vor Details schützt und als jemanden dastehen lässt, der für Überblick sorgt.
3. Gesagtes zusammenfassen
Nicht selten verlieren sich die Teilnehmer des Meetings in den Inhalten oder kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen. Wenn Sie auf der inhaltlichen Ebene nicht brillieren können, fassen Sie Gesagtes für die Gruppe intelligent zusammen. So leisten Sie auch ohne konkreten Input einen wertvollen Beitrag zur Gruppendiskussion. Wichtig: Markieren Sie Ihren Beitrag auch als Zusammenfassung des zuvor Gesagten und werden Sie dabei nicht ausschweifend.
4. Konkretisierungsfragen stellen
Die wenigsten Menschen formulieren so, dass wirklich klar wird, was gemeint ist. Das bietet Ihnen die Möglichkeit, konkretisierende Fragen zu stellen. Wenn Ihr Kollege zum Beispiel sagt: „Hier müssten wir aktiv werden“, können Sie darauf aufsetzen und Fragen stellen wie: „Was stellen Sie sich konkret vor?“, „Wann müssen wir Ihrer Meinung nach aktiv werden?“, „Wer genau muss aktiv werden?“ Achten Sie darauf, dass Ihre Frage nicht als Angriff aufgefasst wird. Das Ziel ist, Ihnen auch ohne Vorbereitung einen sinnvollen Beitrag zu verschaffen, indem Sie gemeinsames Nachdenken anregen.
5. Bewusst vage formulieren
Im Umkehrschluss zum letzten Punkt können Sie sich natürlich selbst aus der Affäre ziehen, indem Sie bewusst unkonkret formulieren und mit Oberbegriffen arbeiten, wie zum Beispiel „Hier müssen wir die Verantwortung übernehmen.“ Oder: „Das sollten wir uns genauer anschauen.“ In der Regel wird dies als klares Statement (miss)gedeutet, da jeder das interpretiert, was für ihn am besten passt.
6. Seien Sie aufmerksam und machen Sie Notizen
Selbstverständlich hilft auch hier das Befolgen des Meeting-Knigges, also aufmerksam sein, Notizen machen (besser nicht im Laptop oder Telefon) und andere Menschen ausreden lassen. Wer im Meeting Mails checkt oder schreibt, aufs Telefon schaut und mangelndes Interesse signalisiert, fällt bedeutend unangenehmer auf als jemand ohne Vorbereitung, der dies zu kaschieren weiß.
Schädliche Vertuschungsversuche
Auf der anderen Seite gibt es aber auch einige Vorgehensweisen, mit denen Sie sich selbst eher schaden. So rät Allmers dringend von diesen Aktionen ab, wenn Sie unvorbereitet im Meeting sind:
- Zugeben
Die Flucht nach vorn, indem Sie allen Teilnehmern zu Beginn mitteilen, dass Sie nicht vorbereitet sind. Das provoziert diejenigen, die sich vorbereitet haben und signalisiert, dass Sie das Meeting weniger ernst nehmen. Es wird nicht besser, wenn Sie darauf verweisen, dass Sie Wichtigeres zu tun hatten. - Nacharbeiten
Versuchen Sie nicht, die erforderlichen Unterlagen im Meeting zu lesen, um fehlende Vorbereitung auszugleichen. Das fällt auf und führt außerdem dazu, dass Sie abgelenkt und unaufmerksam wirken, statt einen Beitrag zu leisten. - Verstecken
Ziehen Sie sich nicht zurück, indem Sie ruhig sind oder auf Telefon und Computer schauen. Das stört die Produktivität und Atmosphäre erheblich und zeigt mangelnden Respekt gegenüber den anderen Teilnehmern.
Unvorbereitet im Meeting sollte Ausnahme sein
Mit den obigen Tipps gelingt es, gut durch eine Besprechung zu kommen, selbst wenn Sie vollkommen unvorbereitet im Meeting sind. Trotzdem ist es auf lange Sicht besser, sich nicht darauf zu spezialisieren. Sie wollen sich positionieren und nicht nur verhindern, dass Sie negativ auffallen. Besser: Erarbeiten Sie sich eine Routine, die Ihnen zumindest eine gewisse Vorbereitung für Besprechungen ermöglicht. Dafür müssen Sie keineswegs die Agenda auswendig lernen, sich zu jedem Aspekt ein paar Ideen überlegen, deren Vor- und Nachteile analysieren und noch anschauliche Diagramme und Powerpoint-Präsentationen erstellen.
Vielmehr empfiehlt Allmers: „Sie sollten es sich zur Regel machen, sich (je nach Thema) mindestens 15 Minuten vor dem Termin noch einmal mit dem Thema zu beschäftigen und darüber nachzudenken, ob Sie ein bestimmtes Ergebnis anstreben.“ Selbst eine solch kurze Vorbereitung habe mehrere Vorteile:
- Sie sind damit häufig schon besser vorbereitet als die meisten anderen.
- Kollegen und Vorgesetzte nehmen Sie als informiert und organisiert wahr.
- Sie können Ihre eigene Position besser durchsetzen.
- Sie können eine Führungsrolle im Meeting übernehmen und inhaltlich steuern.
Wie Unternehmen mangelnde Vorbereitung verhindern
Einige Unternehmen haben selbst bereits realisiert, dass viele Teilnehmer unvorbereitet im Meeting sitzen und packen das Übel daher bei der Wurzel: Sie praktizieren ein sogenanntes Silent Meeting (auch Silent Start genannt). So nennt sich eine halbstündige Phase zu Beginn des Meetings, in der die Teilnehmer das Sitzungsmemo durchgehen und sofort Anmerkungen und Ideen notieren.
Vorteile
- Keine Ausreden, warum man etwas nicht vorbereiten konnte.
- Keine Vorbereitungszeit, die Sie mühsam woanders wegnehmen müssen.
- Sie sind direkt im Thema, alle sind auf demselben Stand.
Nachteile
- Manchen fällt es schwer, ungefilterte Gedanken ad hoc zu formulieren.
- Sie können keine Nacht darüber schlafen.
- Für vorbereitete Teilnehmer ist es Zeitverschwendung, sie sitzen ihre Zeit ab.
Kritisch ließe sich anmerken, dass regelmäßig unvorbereitete Mitarbeiter weder für eine gute Unternehmenskultur noch für eine gute Selbstorganisation sprechen. Ob sich diese Methode eignet, oder lieber ein Meeting 2 angesetzt wird, muss letztlich jedes Unternehmen selbst herausfinden.
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