Machtstrategien: Macht versaut den Charakter
Abraham Lincoln sagte: „Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.“ Macht kann das Schlechteste in einem Menschen zum Vorschein bringen oder anders gesagt: Wer Macht hat, nutzt diese fast immer auch aus. Wie schnell das geht, zeigt der sogenannte Kekstest:
Drei Studenten diskutierten über kontroverse Themen. Per Los wurde entschieden, welcher der drei Teilnehmer die Argumente der anderen beurteilen sollte. Vereinfacht gesagt: Er bekam ein klein wenig Macht, weil er als erster seine Meinung kundtun oder Kritik äußern durfte.
Schon wenig Macht beeinflusst das Verhalten
Keine große Sache? Schon die kleine Portion (zufällig verteilte) Macht beeinflusste das Verhalten: Als ein Teller mit Keksen auf den Tisch gestellt wurde, griffen die ausgelosten Teilnehmer allesamt häufiger und deutlich ungenierter zu. Sie nahmen sich mehr Kekse, krümelten vollkommen unbedacht den Tisch voll und schmatzten mit offenem Mund.
Das Ergebnis wird in anderen Situationen bestätigt: Wer Macht über andere hat, ist häufiger unpünktlich, fällt anderen ins Wort oder demonstriert auf andere Weise seine gefühlte Überlegenheit. Dabei geht es fast immer um das eigene Ego und Selbstwertgefühl. Es gibt ein gutes Gefühl, sich über andere zu erheben und die Kontrolle zu haben. Macht kann daher regelrecht süchtig machen — wer ein gewisses Maß an Macht hat, will immer mehr und ist bereit, viel dafür zu tun.
Machtstrategien im Job
Machtstrategien sind ein beliebtes Mittel, um sich durchzusetzen. Gerade Führungskräfte greifen gerne darauf zurück. Dabei geht es nicht ausschließlich um Anweisungen an Mitarbeiter, sondern oftmals um Kämpfe innerhalb einer Hierarchieebene. Der Konkurrenzkampf im Job ist eine schwierige Situation. Wer aber genügend Macht hat – oder diese zumindest ausstrahlt – steigert langfristig seine Erfolgschancen.
Bei Mitarbeitern kommen Machtstrategien hingegen nicht gut an. Es schadet der Motivation und der Loyalität. Machtstrategien gelten als Zeichen von Führungsschwäche. Starke Charaktere und Führungspersönlichkeiten inspirieren und motivieren, ohne die eigene Macht betonen zu müssen.
Übersicht der häufigsten Machtstrategien
Dennoch werden Ihnen im Job Machtstrategien begegnen. In unserer Übersicht stellen wir die häufigsten Methoden vor, mit denen Macht ausgeübt, erlangt oder erhalten werden soll:
1. Zuckerbrot und Peitsche
Eine verbreitete Machtstrategie in fast jedem Unternehmen: Lob und Belohnung auf der einen Seite, Kritik und Bestrafung auf der anderen. Wer in der Lage ist, über Lob und Tadel zu bestimmen, nutzt eine wirksame Machtstrategie. Es ist ein simples Mittel, aber Zuckerbrot und Peitsche sind erstaunlich effektiv. So wird das Verhalten anderer gesteuert und nach eigenen Wünschen beeinflusst.
2. Gefälligkeiten gewähren
Jemand anderem einen Gefallen zu tun, scheint wenig mit Macht gemeinsam zu haben. Das ist jedoch ein Irrtum, denn es ist eine veritable Machtstrategie. Wer anderen Gefälligkeiten gewährt und ihnen hilft, profitiert langfristig vom eigenen Einsatz (siehe: Benjamin-Franklin-Effekt). Ein Gefallen wird fast immer erwidert, selbst wenn dies nicht direkt eingefordert wird. Eine noch nicht beglichene Schuld ist ein starker Antrieb. Schon ein kleiner Gefallen reicht aus, um in Zukunft den eigenen Willen zu bekommen.
3. Fürsprecher werden
Eine spezielle Form der Machtstrategie ist es, vom Konkurrenten zum Fürsprecher zu werden. Das klingt kontraproduktiv, funktioniert aber – und zwar gleich auf zwei unterschiedlichen Wegen: Es ist ein perfides Machtspiel, einen unliebsamen Widersacher durch Fürsprache wegzuloben. Effekt: Das Problem verschwindet, und der eigene Weg ist frei. Oder: Der Konkurrent erhält durch die Fürsprache große und herausfordernde Projekte, bei denen er scheitert. In beiden Fällen geht es nur um die eigene Machtposition.
4. Druck aufbauen
Macht entsteht auch, wenn einer dem anderen mindestens einen Schritt voraus ist. Mit einem solchen Wissens- und Informationsvorsprung wird Druck aufgebaut, wodurch der Gegenüber zum schnellen handeln gezwungen ist. Das festigt die eigene Position oder zwingt andere zu Fehlern. So werden anderen absichtlich Steine in den Weg gelegt. Später präsentiert man sich selbst als Retter in der Not und die Macht steigt weiter.
5. Worte wählen
Worte sind Macht. Das ist ein wenig zugespitzt, hat aber einen wahren Kern. Wie etwas gesagt und formuliert wird, hat großen Einfluss auf die Wirkung. Gerade für Führungskräfte ist die Wortwahl eine wichtige Machtstrategie, nicht nur um eigene Ziele durchzusetzen, sondern um die volle Unterstützung der Mitarbeiter zu erhalten.
Ein einfaches Beispiel: Wird kommuniziert, dass ein erfolgreiches Projekt die eigene Beförderung bedeuten kann, wird es kaum Zuspruch geben. Das Team sieht keinen Grund, sich für den Chef besonders ins Zeug zu legen. Konzentriert sich die Kommunikation hingegen darauf, wie die gesamte Abteilung profitiert, weil es ein prestigeträchtiges Projekt ist, auf das alle Beteiligten stolz sein können, steigt die Leistung. Eine simple Machtstrategie – nur mit Worten (siehe: Framing).
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