Definition: Was ist der Lernprozess?
Der Lernprozess beschreibt den systematischen Ablauf, mit dem Sie sich neues Wissen oder neue Fähigkeiten aneignen. Dabei geht es nicht nur um das reine Lernen und Wiederholen von Inhalten. Der Prozess besteht aus mehreren Phasen:
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Wahrnehmen
Sie nehmen Informationen bewusst auf – etwa durch Hören, Sehen oder Ausprobieren.
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Verarbeiten
Ihr Gehirn verknüpft die neuen Informationen mit vorhandenem Wissen.
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Speichern
Das Gelernte wandert erst ins Kurzzeit- und bei Wiederholung und Relevanz ins Langzeitgedächtnis.
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Anwenden
Sie nutzen das Gelernte in der Praxis und rufen es im richtigen Moment ab. Es entsteht ein Lerneffekt.
Ein Lernprozess ist also mehr als bloßes Auswendiglernen. Er umfasst alle notwendigen kognitiven Abläufe zur Aneignung von Kompetenzen.
Lernprozess: Beispiele
Sie durchlaufen ständig Lernprozesse in verschiedenen Bereichen: mal sind diese ganz bewusst (in Schule, Studium, Ausbildung…), mal lernen Sie informell und durch Erfahrung.
Wie ein Lernprozess in der Praxis aussehen kann, zeigen diese Beispiele:
- Wahrnehmen
Erklärung, Texte lesen und markieren. - Verarbeiten
Inhalte hinterfragen, zusammenfassen, Fragen stellen, - Speichern
Erstes Wissen aufbauen, Wichtiges wiederholen, - Anwenden
Thema in eigenen Worten erklären, Aufgaben lösen. - Wahrnehmen
Einführung, Tutorials anschauen, ausprobieren, erste Funktionen testen. - Verarbeiten
Fehler machen, Lösungen suchen, neue Wege probieren. - Speichern
Funktionen verinnerlichen, Routinen entwickeln. - Anwenden
Selbstständige Nutzung für weitere Projekte. - Wahrnehmen
Formulare anschauen, Erklärungen und Ratgeber suchen. - Verarbeiten
Einträge kontrollieren, Informationen absichern. - Speichern
Zusammenhänge und Inhalte merken, System entwickeln. - Anwenden
Weitere Steuererklärungen ohne Probleme ausfüllen.
Lernprozess in der Schule
Sie beginnen in der Schule ein neues Thema. Im Unterricht erklärt der Lehrer die wichtigsten Aspekte, gleichzeitig sollen Sie sich selbst in den Bereich einarbeiten:
Lernprozess im Beruf
Ihr Arbeitgeber führt eine neue Software ein, die Sie künftig im Arbeitsalltag nutzen sollen. Es gibt ein kurzes Onboarding, alles Weitere bringen Sie sich im Learning by doing bei:
Lernprozess im Alltag
Sie müssen Ihre Steuererklärung machen und sitzen vor den notwendigen Formularen. Autodidaktisch bringen Sie sich bei, worauf es dabei ankommt:
Lernprozess verbessern: Tipps für besseres Lernen
Je besser Sie den Lernprozess gestalten, desto effektiver lernen Sie neue Informationen und behalten diese auch langfristig. Mit den richtigen Strategien und Methoden optimieren Sie Ihre Ergebnisse beim Lernen – und eignen sich Wissen oder Fähigkeiten schneller an:
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Setzen Sie klare Ziele
Erfolgreiche Lernprozesse brauchen klare Lernziele: Was genau wollen Sie lernen? Dadurch setzen Sie Prioritäten und wissen, worauf Sie sich konzentrieren müssen.
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Teilen Sie den Lernstoff in kleine Einheiten
Ihr Gehirn verarbeitet Wissen leichter, wenn es in kleineren Einheiten und kürzeren Etappen gelernt wird. Dieses sogenannte Chunking erleichtert das Behalten und hilft beim Verständnis.
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Verknüpfen Sie neues mit altem Wissen
Beim Lernen entstehen neue Verbindungen im Gehirn. Das ist besonders effektiv, wenn Sie neue Informationen mit bereits bekannten Inhalten verknüpfen. Fragen Sie sich: „Was weiß ich schon dazu?“ Oder: „Wozu passt das neue Wissen?“
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Lernen Sie aktiv statt passiv
Ein guter Lernprozess ist keine passive Aufnahme von Informationen (Text lesen, Erklärungen anhören). Sie müssen selbst aktiv werden und handeln, um Wissen wirklich zu durchdringen und abzuspeichern. Hilfreiche Techniken sind: Erstellen Sie Zusammenfassungen, erklären Sie den Lernstoff in eigenen Worten und wenden Sie die neuen Kenntnisse gleich an.
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Nutzen Sie verschiedene Sinne
Kombinieren Sie im Lernprozess verschiedene Sinneskanäle: Lesen Sie Texte, hören Sie Vorträge und Podcasts, führen Sie Diskussionen und probieren Sie selbst etwas aus – diese Multimodalität führt nachweislich zur besten Speicherung des Wissens.
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Wiederholen Sie das Gelernte
Entscheidend für den erfolgreichen Lernprozess ist der Transfer ins Langzeitgedächtnis. Dieser gelingt am besten durch regelmäßige Wiederholung in wachsenden Zeitabständen (Spaced Repetition). Lernen Sie heute, nach einem Tag, nach 3 Tagen, nach einer Woche, nach 2 Wochen, nach einem Monat… So verinnerlichen Sie das Wissen und rufen es immer wieder ab.
Prüfen Sie zudem regelmäßig Ihre Lernprozesse. Sind diese wirklich effektiv und nachhaltig – oder müssen Sie doch immer wieder zu Last Minute Learning und Bulimielernen greifen, weil vor einer Prüfung das Wissen fehlt? Durch Reflexion optimieren Sie Ihre Prozesse fortlaufend.
Arten: Lernprozesse in der Psychologie
In der Psychologie geht es vor allem darum, wie Lernen im Gehirn funktioniert. Im Fokus stehen kognitive Prozesse, Abläufe im Gedächtnis, aber auch Aufmerksamkeit, Motivation und Emotionen.
Psychologische Lerntheorien wie das Behaviorismus-Modell oder die kognitive Lerntheorie erklären, wie äußere Reize, Belohnungssysteme oder innere Strukturen das Lernen beeinflussen. Entsprechend werden je nach Theorie unterschiedliche Lernprozesse unterschieden:
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Konditionierung
Konditionierung ist die Verknüpfung von Reizen und Reaktionen. Bekannte Modelle sind die klassische Konditionierung und die operante Konditionierung. Die zweite Variante ergänzt die Bedeutung von positiven oder negativen Konsequenzen auf ein Handeln – Lob oder Belohnungen führen dazu, dass ein Verhalten künftig stärker und häufiger gezeigt wird.
Beispiel: Ein Kind wird gelobt und bekommt eine Belohnung, wenn es gute Noten schreibt. In Zukunft strengt es sich beim Lernen noch mehr an.
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Kognitives Lernen
Lernen ist das Ergebnis aktiver kognitiver Prozesse. Dies entspricht den typischen vier Phasen des Lernprozesses: Informationen werden aufgenommen, analysiert, verarbeitet und abgespeichert, damit sie später genutzt werden können. Hier geht es (anders als bei der Konditionierung) um innere Abläufe der Wahrnehmung.
Beispiel: Sie lernen eine Formel nicht nur auswendig. Sie erkennen die Zusammenhänge zwischen den Bestandteilen, verstehen die Berechnungen und erkennen, warum die Formel für ein bestimmtes Problem funktioniert.
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Lernen durch Erfahrung
Wissen wird nicht auswendig gelernt, sondern durch aktives Handeln und die eigenen Erfahrungen konstruiert (Konstruktivistische Lerntheorie). Der Lernprozess braucht bei dieser Art des Lernens Ausprobieren und oft auch sozialen Austausch durch Diskussionen, Fragen und Zusammenarbeit.
Beispiel: Sie lernen den Umgang mit Werkzeugen und das Heimwerken durch eigene Projekte und das tatsächliche Werken.
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Lernen am Modell
Beim Lernen am Modell schauen Sie sich Verhalten oder Problemlösungen von Vorbildern ab und übertragen dies auf Ihre eigene Situation. Durch die Beobachtung verstehen Sie, was funktioniert und welche Folgen es hat – und ob Sie selbst auch so handeln wollen.
Beispiel: Ein Mitschüler hat keine Hausaufgaben gemacht, bekommt einen Eintrag ins Klassenbuch und einen Anruf bei den Eltern. Andere Schüler wollen das bei sich verhindern und machen gewissenhaft die Hausaufgaben.
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Versuch und Irrtum
Ein klassischer Lernprozess, den schon Kinder bei jeder Gelegenheit zeigen: Sie lernen durch das Versuchen verschiedener Möglichkeiten, bis eine Option letztlich das gewünschte Ergebnis bringt. Fehler sind in diesem Trial-and-Error-Prinzip kein Problem, sondern notwendiger Schritt.
Beispiel: Kinder lernen, wie sie sich selbst die Schuhe binden, indem sie es immer wieder probieren und dabei anfangs scheitern.
Die verschiedenen Lernprozesse sind nicht grundsätzlich besser oder schlechter als andere. Sie beschreiben lediglich das Lernen mit unterschiedlichem Fokus und in anderen Situationen. Es sind Modelle und wissenschaftliche Ansätze, die den Aufbau von Wissen beim Menschen erklären.
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